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Das Ausland. 1,2.1828

beziehen dürfte, spricht er, nie deutlich von Immaterialität des denkenden Princips, von Freiheit des Willens, und den Folgen der guten und bösen Handlungen.

Das Schicksal dieser beiden Systeme und der Einfluß den sie auf die Nation welche sie hervorgebracht, gewonnen haben, ist ein interessantes Objekt für die Erforschung des Philosophen, und ohne Zweifel würde man bei einem Versuch, die Folgens derselben a priori zu bestimmen, auf völlig falsche Resultate kommen. Eine Sekte, welche von den ältesten Zeiten her so würdige Begriffe von der Gottheit hatte, oder die sich wenigstens von den gemeinen Ansichten, welche diesen großen Gedanken so oft entstellt haben, frei zu halten wußte, hätte, wie es scheint, durch consequentes Denken früher oder später die wahren Principien der socialen Moral entdecken sollen, und durch Anwendung jener erhabenen Betrachtungen, wodurch sie die negativen Attribute der höchsten Intelligenz erkannt, hätte sie die alles erforschende Analyse finden können, welche bei andern Völkern von der Theologie auf Metaphysik, von der Betrachtung der göttlichen Vollkommenheiten auf die Beobachtung der menschlichen Eigenschaften und des Mechanismus des Gedankens geführt hat. Auf der andern Seite, möchte man denken, daß die auf platter Hand liegenden Wahrheiten der Schule von Confutse, und ihre unbestimmten und tautologischen Definitionen der Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern, Fürst und Unterthan, Gatten, Brüdern und Freunden, der Menge, welche das Mysteriöse und Unbegreifliche liebt, eben so unzureichend hätten erscheinen sollen , als den Denkenden welche etwas Bestimmtes und Vernünftiges fordern. Allein gerade das Gegentheil geschah. Die Lehre von Confutse erhob sich zu der Stellung, die bei andern Völkern Staatsreligionen einnehmen. Durch die Consequenz, mit der sie gelehrt; durch den Eifer, mit der sie Fürsten und Großen gepredigt wurde; durch den negativen Charakter ihrer Dogmatik; durch ihr Anschmiegen an die Ceremonien des alten Naturdienstes, und sogar an die Anbetung von Hausgöttern, wodurch sie jedem frei ließ an ihre öffentlichen oder Privatgebräuche einen beliebigen Sinn zu knüpfen; verfolgt von Tyrannen, unterstützt von den Freunden der Ordnung, ist dieses System die Basis von Institutionen geworden, auf denen seit zwölf Jahrhunderten alle socialen Verhältnisse der Nation beruhen; seine Anhänger, haben sich der Staatsämter, der Bildung, des Reichthums, kurz alles dessen bemächtigt, was dem Menschen Kraft giebt, und haben so die alte Lehre, deren Hauptsätze sie sich angeeignet, beinahe erstickt, und ihre eigene Nation und die Fremden, welche sich darum bekümmert, überredet daß ihre Ansichten die alte reine Lehre der drei ersten chinesischen Dynastien seyen, und daß Confutse sie nur gesammelt und in ein Ganzes gebracht habe. Auf der andern Seite verloren die Anhänger der Lehre vom Tao (der absoluten Vernunft) durch ihre Entfernung von allen öffentlichen Ämtern und allen Vortheilen einer literarischen Bildung, ebenso viel als ihre Gegner gewannen. Der mythologische Stoff, welcher die Anwendung symbolischer Ausdrücke in ihre philosophische Sprache gebracht hatte, war wie ein Saamen des Aberglaubens, welcher sich mit den Fortschritten der Unwissenheit gleich entwickeln mußte. Die geheimen Wissenschaften entarteten in Charlatanerie und Betrügerei; die mystischen Gebräuche wurden zu lächerlichen Mummereien; das Mönchswesen führte Sittenverderbniß und Bettelei herbei, so daß die Vernunftlehrer in einen Zustand von Degradation fielen, der den erhabenen Namen, den sie entwürdigt haben, zu einem Ausdruck für alles Verächtliche und eine schamlose Marktschreierei machte. Durch einen begreiflichen Irrthum hat man nach dem, was diese Sekte jetzt ist, auf ihr früheres Wesen geschlossen, so daß man diesen modernen Aberglauben mit den Spuren der alten orientalischen Weisheit vermengt hat, welche die ältesten chinesischen Philosophen lehrten, und die noch mehrere Jahrhunderte nach Confutse in China vorherrschte.

Um die Zeit des Anfangs unserer Zeitrechnung verbreitete sich ein drittes System in China, das neue Ideen einführte, oder die ältesten wieder ins Leben rief – es ist der Buddhismus, dessen Ursprung und Geschichte wohlbekannt sind. Durch seine religiösen Formen, und eine Masse von Traditionen und abergläubischen Gebräuchen zog er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, erregte die Bewunderung vieler, den Unwillen anderer, und nahm bald eine bedeutende Stelle überall ein, wo der Proselitismus ihn hinverflanzt hatte. Wie alle indischen Systeme (darin dem Geist der alten Welt getreu) vermischt er Philosophie und Theologie, und bedient sich des Götzendienstes als Schleier für Metaphysik. Es gehört nur wenig Scharfsinn dazu, sich hiervon zu überzeugen; allein man darf sich nicht wundern, daß sich ganze Nationen darin getäuscht haben; giebt es doch bei uns gebildete Menschen genug welche noch glauben, daß nach der Meinung der blinden Heiden Minerva eine junge Person war, welche auf einen Hieb mit der Axt gewaffnet aus dem Haupte Jupiters sprang; und daß der Ocean, der Vater der Götter, ein alter Mann gewesen, der am Ende der Welt wohnte. Wir dürfen uns daher nicht wundern, daß man sich über den Sinn der indischen Symbole getäuscht hat, obgleich eigentlich die Extravaganz derselben, nach ihrer wörtlichen Bedeutung, hätte darauf leiten sollen, daß man den geheimen Sinn, der darin niedergelegt sey, zu suchen habe. Dasselbe gilt von der Sprache, in der die Buddhisten die mystischen Ideen ausdrücken, welche die Basis ihrer geheimen Lehre bilden; denn um sie zu mißverstehen, muß man einer Masse von Menschen, worunter sehr gelehrte und vernünftige seyn mochten, einen Grad von Wahnsinn beilegen, den man ohne Noth seines Gleichen nicht zuschreiben darf. So ist es sehr gewöhnlich dem Schakia-Muni im Augenblick seines Todes folgende Worte in den Mund zu legen: „Man täuscht sich wenn man das erste Princip aller Dinge außerhalb des Nichts sucht. Aus diesem Nichts ist alles hervorgegangen, und alles wird dahin zurückkehren. Das ist der Abgrund wo unsere Hoffnungen enden.“ Dieß ist nach den Anhängern von Confutse die Grundlage der Ansichten dieses Gesetzgebers, und die katholischen Missionen haben sie mit einer Art von Fanatismus verdammt, so daß sie einer den quintessencirten Gipfel der Bosheit nennt; das Gefäß worin er enthalten sei, müsse wohl verkittet werden, denn eine genaue Untersuchung seiner Grundsätze zeige, daß die Kunst pharisäischer Heuchelei darin vollkommen gelehrt sey, so wie der Greuel atheistischer Gotteslästerung, und die verruchte

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_251.jpg&oldid=- (Version vom 16.2.2023)