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Das Ausland. 1,2.1828

angeboten. Ueberall zurückgewiesen, wanderte er arm und freundlos nach Spanien.

„Die erste Spur, die wir von ihm in Spanien haben, liegt in dem Zeugnisse, welches wenige Jahre nach seinem Tode, in dem berühmten Prozesse zwischen seinem Sohn Diego und der Krone, ein Arzt ablegte, Namens Garcia Fernandez, der in dem kleinen andalusischen Seehafen Palos de Moguer lebte. Eine halbe Stunde von dieser Stadt stand, und steht noch bis auf den heutigen Tag, ein altes Kloster der Franciscaner, der heiligen Maria de Rabida geweiht. Eines Tages hielt ein fremder Wandersmann, von einem Knaben begleitet, an der Klosterpforte still, und bat den Pförtner um ein wenig Brod und Wasser für sein Kind. Während ihm diese kleine Erfrischung gereicht wurde, ging zufällig der Prior des Convents, Bruder Juan Perez de Marchena, vorüber, ward von dem Aussehen des Unbekannten gerührt, und ließ sich mit ihm, da er an seinem Wesen und seiner Aussprache bemerkte, daß er ein Fremder war, in ein Gespräch ein, wobei er denn seine bisherigen Begegnisse kennen lernte. Dieser Unbekannte war Columbus, begleitet von seinem jungen Sohne Diego.“ –

(Fortsetzung folgt.)


Uebersicht der neuesten italienischen Literatur.

In Briefen von einem italienischen Gelehrten.

Erster Brief.

Die Morgenröthe der italienischen Literatur, die das 14te Jahrhundert mit den Schöpfungen Dante’s, Petrarca’s, Boccaccio’s verherrlichte, fällt in eine Zeit, in der durch die Stürme des Mittelalters aller Zusammenhang mit dem Leben der Vorzeit aufgehoben war. Um so gesegneter war jene unter Widerstand und Kampf gekräftigte Zeit, ein neues, von keinen Mustern geleitetes, aber auch durch keine Nachahmung eingeengtes Leben zu beginnen. Der Charakter der Literatur des 14ten und größtentheils auch des 15ten Jahrhunderts ist daher durchaus nationell. Den Stoff ihrer Bildungen schöpften die Dichter jener Jahrhunderte aus den Bewegungen ihrer Zeit: die schönsten Gedichte Petrarca’s sind die, in denen er die traurigen Zerrüttungen seines Vaterlandes beweint; Dante’s erhabenes Gedicht könnte man eine große Elegie auf seine Zeit und sein Vaterland nennen. Auch die italienische Sprache bildete sich ganz selbstständig in dem Bedürfnisse des Volkslebens und in der schaffenden Kraft der Dichter aus. Alle gelehrten Bemühungen waren nicht ihr, der lingua volgare, sondern der lateinischen Sprache zugewendet. Entbehrte sie dadurch der Pflege der Wissenschaft, so ward auch ihre Kraft nicht durch den Zwang der Regel gebrochen. Aber gerade in jener Zeit des Aufblühens der eigenen Literatur wurden auch die Quellen des Geistes und der Kunst der Alten wieder eröffnet, größtentheils durch die Bemühungen jener Männer selbst, die das Vaterland zugleich durch ihre eigenen Werke verherrlichten. Die Erscheinung jener heraufbeschworenen Riesenschatten des Alterthums war zu mächtig, um nicht auf die Literatur der folgenden Periode einen entschiedenen Einfluß zu äußern. Der Geist aber, der die Werke des Alterthums geschaffen hatte, war nicht so leicht wieder zu beleben; das nationale Leben der Griechen und Römer, das der alten Kunst ihren Inhalt gegeben, war unwiederbringlich untergegangen; Form und Regel blieben also für die, welche keiner geistigen Wiedergeburt des innern Lebenskeimes des Alterthums fähig waren, als das einzige übrig, was allenfalls durch Abstraction aus den Alten für die eigene Literatur gewonnen werden konnte. In jener Form aber lag eine so verführerische Vollendung, daß man ihr die nationelle Eigenthümlichkeit des eigenen Lebens, die kaum erst durch schöpferische Geister geweckt worden war, zum Opfer brachte, so daß bald das Studium der Alten den Bestrebungen der Zeit eine so formelle Richtung gab, wie sie dem Alterthum selbst gewiß stets fremd geblieben war, obgleich man in ihr die wahre Classicität gefunden zu haben wähnte.

Die hohe Einfachheit des Stils, die wir an den Alten bewundern, ist nur da möglich, wo der Stil nicht durch seine eigenen Formen glänzen, sondern blos dazu dienen soll, seinen Inhalt, dem er sich vollkommen unterordnet, auf die angemessenste Weise darzustellen. Jene Einfachheit der Form aber, die sich die Schriftsteller des 16ten Jahrhunderts zum Muster nahmen, und oft glücklich erreichten, mußte da bald erschöpft werden, wo die Form den Inhalt selbst zu ersetzen bestimmt ward, ja die nothwendig sich daraus entwickelnde Ueberladung der Formen mußte zuletzt zur abgeschmacktesten Formlosigkeit führen, wie dieß die Schriftsteller des siebzehnten Jahrhunderts nur zu deutlich beweisen. Während bei den Alten und den besseren Schriftstellern des sechszehenten Jahrhunderts das höchste Bestreben des Stils darin bestand, sich, gleich den nassen Gewändern der plastischen Kunst, jeder Wendung des Lebens anzuschließen, war in den Schriften des 17ten Jahrhunderts die Idee selbst, die ihnen zuweilen zu Grunde liegt, den Verzierungen des Stils aufgeopfert.

Die Reaction gegen diesen verkehrten Geist, der auch im 18ten Jahrhunderte noch seine Herrschaft übte, ist der Punkt, mit dem die neueste Periode der italienischen Literatur beginnt. Den philosophischen Wissenschaften gelang es früher als der schönen Literatur sich über jene Flachheit zu erheben. Denn während die Mehrzahl der Dichter noch im 18ten Jahrhundert darin befangen war, namentlich die Dichter der Arcadia und die aus der Schule des Hugoni und Bettinelli, (denen man freilich einige freiere Geister, wie Alfieri, rühmlich entgegenstellen kann,) brachte schon das 17te Jahrhundert tiefe philosophische Denker hervor, die dem Vaterlande einen unsterblichen Glanz erwarben. Dieser philosophische Geist ist auch bei den bedeutendsten Schriftstellern des 18ten Jahrhunderts der vorherrschende, unter denen die Namen Vico, Beccaria, Filangieri, Genovesi hervorragen. Die äußeren Zeitverhältnisse gaben dem Geiste der Literatur zugleich eine Richtung auf das öffentliche Leben. Gerade die Schriftsteller der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, die damals als geschmacklos verschrieen wurden, weil sie wenig auf eine leere Eleganz hielten, möchten wohl zu allem besseren, das die neueste Zeit erzeugt hat, mit den Grund gelegt haben.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_274.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)