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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 70. 10. März 1828.

Der Bazar von Smyrna.

Aus: Le Voyage de Grèce, Poème par Pierre Lebrun. Paris 1828. 8. – Der Verfasser ist vor Kurzem in die französische Akademie aufgenommen worden.

I.

Im innern Busen eines grünen Golfs,[1]
Wo einst Phocäa blüht’, des Hermus Fluth
In’s Meer fällt, doch nicht Gold mehr wälzt,
Steigt ein Gestade glänzend rings empor,
Bedeckt von Schiffen, Minarets, Cypressen.
Smyrna ist dieß! und vor mir sein Bazar,
Der ungeheure Bau, drin sich der Kaufmann,
Die lange Pfeif’ im Mund, im Schatten streckt.
Bei diesem Born, wo die Kameele trinken,
Der, in der Mitte, kühle Wasser gießt,
 Welche verzweifelnde Schaar
 Liegt auf den Binsenmatten,
 Weinend zum Markt geführt?
Und Türken, Juden und Armenier[2]
Umdrängen den Ausrufer, den ich höre:
„Effendis, kauft die Töchter der Rebellen!
Kauft ihre Kinder, des Archipels Blume!
Seht! sie sind jung! und seht, wie schön sie sind!“

I.

Seht eure Söhne, Griechen, frei und rein,
Als Christen euch geboren, jetzt verkauft
Für Asiens Harems, Eisen, Glaubensabfall!
Wie seufzen sie nach eurem blut’gen Grab!
Wird ihre Jugend nicht, dem Sultan feil,
Der Ichoglans schandbares Weiberkleid
 Nachschleppen im Serail?
Und welch Geschick erwartet sie, die armen!
Die Töchter! welche Schmach! auf offnem Markt
Der Männer Blicken preis, die sie erkaufen!
Die, gleich dem Roß, sie vor sich führen lassen
 Und sie als Kenner prüfen!
 O, bitter ist ihr Schmerz;
 Der Sonne wird enthüllt
 Der Reiz, den in der Kindheit
Der keusche Blick der Mutter kaum gekannt.
Jungfrau, die ich zu Argos klagen hörte,
Am Strande, der von deinen Thränen feucht,
Ist deine Schwester hier? Ist sie’s, die hier
Vor diesen Turcomanen furchtsam kniet,
Und deren Schaam, des letzten Kleid’s beraubt,
Vergebens flehend, weh! durch ihren Blick
Befleckt in der geheimsten Zuflucht wird.

Dort jene, die mit Thränen sich verbirgt
In ihre Hand, indeß der schwarze Sclav,
Für seinen Herrn, mit frechem Blick sie mißt,
Und fürchtend, daß ein Fehl sich berge – Gott –
Mund, Athem, Busen sorglich untersucht.

Wer ist entsetzt nicht vor des Himmels Gaben,
Sieht er die Jungfraun hier, die einst die Eltern
Vom Himmel glaubten reich begabt zu sehen,
 Da Schönheit er an sie verlieh?
 Das Schwert hätt’, ohne dieß Geschenk,
 Der Ottomanen sie hinweggerafft,
 Und rein, auf heimatlichem Strand,
 Erreichten sie des Lebens Ziel,
 Der Quelle gleich, die in der Einsamkeit

  1. Das Meerwasser, im Archipel blau, wird grün auf der Rhede von Smyrna. Die grüne Farbe des Meeres zeigt oft an, daß dasselbe wenig Tiefe hat.

    Der Hermus, der dem Fort Sangiac gegenüber, unfern von dem alten Phocäa, ins Meer fällt, der reiche Hermut der Alten, wälzt nicht nur kein Gold, sondern, – was für einen Fluß noch schlimmer ist – selbst kein Wasser, wenigstens im Sommer. Wenn man im August ihn überschreitet, sucht man ihn vergebens, indem man mit Mühe einen kleinen Faden zwischen Steinen, Kieseln, kleinen Platanen und Agnus-castus sich durchwinden sieht. Im Winter und im Frühjahr geben die Regenbäche, die ihn füllen, ihm das Ansehen eines Flusses und treiben dann in den Golf jenen Sand, der von Jahr zu Jahr mehr Land gewinnt und zuletzt noch das Fahrwasser völlig verstopfen wird.

    Es ist am Eingang des Golfs, auf der Höhe des Caps Cara-Bournou, wo die Schiffe, die nach Smyrna segeln, gewöhnlich den „Imbat,“ den „wohlthätigen Imbat“ finden, den in diesen Gegenden so berühmten Westwind, der von der hohen See herweht und dessen regelmäßige Wiederkehr alle Morgen zu derselben Stunde die äolische Bai erfrischt. In Smyrna fängt man in den Sommermonaten täglich nicht eher zu athmen und zu leben an, als bis der Imbat kömmt.
  2. Gewöhnlich erwartet jede Sclavin, die verkauft werden soll, die Käufer in einem abgesonderten Gemach, und es sind Weiber, die damit beauftragt sind, sie zu zeigen. Aber bei der Unordnung eines Vertilgungskrieges haben die Türken dieß nicht mehr so genau beobachtet und griechische Gefangene öffentlich und gewissermaßen auf dem Markte verkauft; ich glaube mich daher wenig von der Wahrheit entfernt zu haben, wenn ich annehmen, daß ein Sclavenmarkt mitten in einem der Bazars statt fand.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_289.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)