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Das Ausland. 1,2.1828

Später setzte sie sich auf einen Stuhl, weit von uns weg, während wir Männer bequem auf dem Divan saßen. Sie hörte unserer Unterhaltung zu, lächelte auch wohl manchmal über etwas, wagte aber nie ein Wort zu sagen.

Der hydriotische Capitän D .. brachte mich nach Hydra, und als wir ausgestiegen waren, sagte er zu mir: Bleiben Sie nur hier. Ich springe geschwind zu meinen Freunden; wir gehen erst gegen Abend hinauf in mein Haus. Welche sonderbare Sitten! Nach vier oder fünf Monatlanger Abwesenheit dachte er nicht daran, zuerst seine Frau zu umarmen; er hatte von Mittag bis Abend viel nothwendigeres zu thun! und doch ist D .. gewiß ein guter Gatte und Vater. Er richtete sich hierin nur nach der Landessitte. Kein Mensch in Hydra hätte darin etwas auffallendes gesehen, und jeder hätte dasselbe gethan. Als ich abreisen wollte, wünschte ich die Hausfrau noch zu begrüßen. „Das ist nicht nöthig – sagte er – doch wenn Sie wollen, so steht es Ihnen frei.“ Nun ließ er sie in die Hausflur kommen.

In Hydra verkehren auch die Frauen nicht so frei mit den Fremden, wie in andern Theilen Griechenlands. Dieß kömmt von der häufigen Abwesenheit ihrer Männer; dadurch werden diese eifersüchtiger, und die Frauen sehen sich zu größerer Zurückgezogenheit gezwungen. Kaum sind die Hydrioten einige Tage im Jahr zu Haus, und gleichen so den Seevögeln, die sich nur für Augenblicke auf Klippen und Felsen setzen, und dann wieder fortfliegen.



Vergrößerung der brittischen Macht in Indien auf Kosten des birmanischen Reichs.


(Fortsetzung.)

Die Geschichte des zweijährigen birmanischen Kriegs, dieses Kriegs der europäischen Taktik gegen die rohe Kunst der Bambusverschanzungen und die eben so rohe Tapferkeit ihrer Vertheidiger, bietet in der ermüdenden Darstellung einförmiger Details, in der widrigen Aufeinanderfolge blutiger Scenen, nur wenige Erscheinungen dar, die als Beitrag zur Kenntniß des Völkerlebens von allgemeinem Interesse sind.

Der Krieg wurde zu gleicher Zeit auf drei verschiedenen Punkten geführt: in Assam unter General Mac-Morine, in Arrakan unter General Morrison, und im eigentlichen Awa unter Sir Archibald Campbell[1]. Die brittischen Berichte beschäftigen sich fast nur mit dem Feldzuge des letztern: ihm stand die Hauptmacht des Feindes gegenüber, und seinem kühnen und glücklichen Vordringen in’s Herz des birmanischen Reichs verdankte die ostindische Compagnie den erwünschten Frieden. In diesen Berichten zeigt sich eine auffallende Zurückhaltung, namentlich wenn dieselben, wie dieß zuweilen der Fall ist, von brittischen Niederlagen zu handeln haben, wobei die Schuld immer auf die Sipays geworfen wird: es zeigt sich ein alle Grenzen der Wahrscheinlichkeit verletzendes System der Uebertreibung, welche Europa glauben machen möchte, daß es brittischer Tapferkeit möglich gewesen, mit einer Handvoll Leute, beinahe ohne Verlust, die größte Macht Hinterindiens zu brechen. Dieß geht so weit, daß die Britten bei dem großen Angriff des birmanischen Obergenerals auf ihre feste Stellung bei Rangun keinen Mann, weder einen todten noch verwundeten, verloren haben wollen. Wenn sie nun ihren Verlust in einem Krieg, wo sie sich gegen Heere von 60 bis 70,000 Mann schlugen, wo sie, außer den regelmäßigen Festungen, jeden Schritt vorwärts gleichsam im Sturme erobern mußten, nur zu 3000 Mann berechnen, so ist der Rechnungsfehler offenbar[2].

Die Birmanen mit ihren Astrologen[3], welche den Tag des Sieges unfehlbar bestimmen; mit ihren Amazonen[4], welche die feindlichen Kugeln bezaubern; mit ihren Unverwundbaren[5], welche sich blindlings in’s Gefecht stürzen, waren kein verächtlicher Feind: da gewinnt man große Resultate nicht ohne große Opfer. In der That, man bewundert die Standhaftigkeit der Birmanen, die nach Unfällen aller Art, die sie erlitten, nichts vom Frieden hören wollten. Fast ihre sämmtliche Artillerie hatten sie verloren; ihr Versuch gegen die feindliche Flotille, von

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_305.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)
  1. Die Unternehmungen gegen die Iseln Ramri und Tscheduba, so wie gegen die auf der Südseite des Meerbusens von Martaban gelegenen Provinzen Yih und Tenasserim sind bloß Nebenakte.
  2. Man erinnere sich der Niederlage des Generals Cotton bei Denubiu, der verunglückten Angriffe auf Dudpatlian, auf Keyklu, auf Wattygaon und zuletzt auf Sittân; bei solchen Veranlassungen kam ein paar Mal der Fall vor, daß ein detaschirtes Korps zur Hälfte aufgerieben wurde. Indessen ist immerhin der Verlust in den Spitälern zu Rangun (hier allein starben 2,000 Europäer und 5,000 Sipays), zu Prome und zu Arrakan bei weitem größer als der auf dem Schlachtfelde.
  3. Wie ihre civilisirten Nachbaren, die Chinesen, zogen sie bei jeder Unternehmung von Bedeutung die Sternseher zu Rathe: fällt ihre Weisung günstig aus, desto besser für den Kredit der Astrologie; wo nicht, so sind nicht sie, sondern die Sterne Schuld. Der Mond ist der herrschende Planet im birmanischen Horoscop.
  4. Junge und schöne Damen von hohem Range aus dem Volke der Schans, die an der chinesischen Grenze wohnen. In der Schlacht vom 1. und 2. Dec. 1825 bei Ssimbike und Nayadi, welche die 70,000 Mann starke birmanische Armee, angeführt von Maha Nemiabu, verlor, kommen sie vor.
  5. Das Korps der königlichen Unverwundbaren, die Elite der Armee, bestand aus mehreren tausend Mann. Sie zeichneten sich durch den kurzen Schnitt ihrer Haare und durch die Art aus, wie sie sich tättowiren, indem sie Figuren von Elephanten, Tigern und andern wilden Thieren auf Arme und Schenkel eingegraben haben, Figuren, die nicht nur unvertilgbar, sondern sogar nicht selten schön sind. Den brittischen Soldaten waren sie dadurch bekannt, daß sie Stückchen von Gold oder Silber, manchmal Edelstein, an ihren Armen hatten, die wahrscheinlich in einem frühern Alter unter die Haut gebracht worden waren. Die Unverwundbarkeit der Tollkühnen fand bei ihrem nächtlichen Angriffe am 30. Agust 1824 auf die große Pagode Schudagon bei Kemmendiwe eine tüchtige Widerlegung. Diese Pagode hat die Form eines umgekehrten Sprachrohres; ihre Höhe beträgt 338 Fuß, die Höhe der mit Kupfer bedeckten und reich vergoldeten Kuppel 45 Fuß; die Britten benutzten die Pagoden, deren es aller Orten viele giebt, gewöhnlich zu festen Anlehnungspunkten. Hier wurde am 1. Dec. Maha Bandula auf’s Haupt geschlagen.