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Das Ausland. 1,2.1828


Die Königin Elisabeth, lautet der Bericht, wurde den 7. September 1533 zu Greenwich geboren, wo sie sich auch meistens den ganzen Sommer hindurch, als in ihrem Lieblingslustschlosse, aufzuhalten pflegte. Durh das Verwenden eines englischen Großen, der zu der nächsten Umgebung der Königin gehörte, ward es uns vergönnt, in das Innere der Burg zu gelangen. Man führte uns durch mehrere Gänge und schön verzierte Corridor’s in das Präsentations- oder Audienzzimmer, welches mit den kostbarsten Tapeten von rothem Damast behangen, mit goldenen Kanten und Perlengewinden geschmückt, der Fußboden aber, nach dem damals in England üblichen Gebrauche, mit Heu bestreut war.

Durch dieses Gemach mußte die Königin gehen, wenn sie dem Gottesdienste in ihrer Hofkirche beiwohnen wollte. An der Eingangspforte stand ein vornehmer Edelmann (Kämmerer) in einem langen seidenen Talar mit einer großen goldenen Kette um den Hals. Dieser führte die Grafen, Baronets und Lords, und selbst die ersten Damen des Reichs, welche die Königin zu sprechen wünschten, in deren Wohnzimmer. An Sonntagen, wenn die Königin zu kurzem Gebet durch das Audienzzimmer in ihre Kapelle ging, wurde sie von den Großdignitarien des Reichs in einem großen Saale erwartet.

Wenn sie dann aus ihrem Conclave trat, beugte die ganze Versammlung das Knie, und mit unbedecktem Haupte schritten die niedern Beamten und die Ritterschaft voran. Darauf folgten die Ritter des Hosenband-Ordens, dann die Baronets und zuletzt die Grafen und Earls, unmittelbar vor der Person der Herrscherin zwei Marschälle, wovon der Eine das Scepter des Reichs, der Andere ein Schwert mit rothsamtener Seide, die mit goldenen Lilien verziert war, den kreuzförmigen Griff nach Oben gekehrt, trug. In Mitte Beider hielt der Großkanzler und Siegelbewahrer das Siegel des Reichs auf einem seidenen Kissen. Die Königin war damals im fünf und sechszigsten Jahre ihres Alters. Sie hatte ein längliches Gesicht, auf dessen weißer Haut viele rothe Sprossen zu sehen waren, kleine schwarze, aber ausdrucksvolle Augen, eine etwas gebogene Nase, platte und festschließende Lippen, schwarze Zähne, welche in England – nach der Bemerkung unsers alten Beobachters – von dem häufigen Genusse des Zuckers entstehen sollen. Ihre Ohrengehänge bestanden in zwei großen länglichen Perlen. Auf dem röthlichgelben aber falschen Haare, das mit Geschmack aufgethürmt war, ruhete eine kleine Krone, welche aus dem Golde der berühmten Lüneburger Tafel gemacht seyn sollte[1] Den Busen trug sie fast ganz unbedeckt, welches zu jener Zeit in England ein Zeichen der Jungfrauschaft war, und bis in das achtzehnte Jahrhundert von unverheiratheten Engländerinnen beobachtet wurde. Die Vermählten verschleierten sich, so jung sie auch seyn mochten. Um den Hals hatte sie eine Kette von Juwelen. Ihre Hände waren klein, die Finger jedoch länger als es das Ebenmaß erforderte, und ihre Statur von mittlerer Größe. Nichts ging aber über die hohe, ehrfuchtgebietende Würde ihrer Haltung.

Bei einem langsamen, gemessenen, fast stolzen Gange war sie dennoch leutselig und gegen ihre nächste Umgebung liebreich.

Mit dieser äußern Grazie verband sie im Umgange mit fremden Personen einen Grad von Hoheit, Heftigkeit und Stolz, den sie vom Vater geerbt zu haben schien, und zeigte doch auch wieder soviel Sanftmuth und Milde, wie sie nur ihrer Mutter, der unglücklichen Anna Boleyn, eigen war. In ihr hatte die Natur die Eigenschaften beider Aeltern vereinigt. Das wilde Temperament des Vaters, der sich nicht zu sagen scheute, „daß er in seinem Zorne nie einem Manne zu vergeben, noch selbst in der Liebe ein Weib zu verschonen gewöhnt sey“ – milderten die sanften Gefühle der Mutter.

So hatte sie sich nicht nur die treueste Liebe ihrer Unterthanen, sondern selbst im Auslande den Ruf der Leutseligkeit erworben. Daß sie bei ihrem ungemessenen Stolze, der sie zu dem Entschlusse bewog, sich nie malen zu lassen – aus Furcht, der Künstler möchte ihre Vorzüge und Reize nicht vollkommen genug darstellen (denn sie sagte oft „durch die Gnade Gottes sey sie frei von jeder Unvollkommenheit“) – der Demuth nicht ganz entfremdet war, beweiset der Umstand, daß sie in dem nämlichen Augenblicke, als ihr der Tod der Schwester, der Königin Maria, ihrer ärgsten Feindin, und zugleich ihre Thronerhebung bekannt gemacht wurde, auf die Kniee niedersank, und nach einigen Minuten stiller Andacht betend ausrief: „A Domino factum est istud, et est mirabile in occulis nostris![2] – Worte, welche wir heute noch auf den Goldmünzen lesen, die sie prägen ließ.

Unberührt bleibe hier die Mäßigung, die nur in der Demuth, die Gott alle Ehre, Macht und Lenkung zuschreibt, ihren Nahrungsstoff findet, und die alle ihre Beschlüsse lenkte, als bei dem neuaufgehenden Morgenroth der Religionsläuterung noch die Scheiterhaufen rauchten, auf denen ihre Schwester die Edelsten des Volkes dem Fanatismus zum Opfer bluten ließ.

  1. Diese goldene Tafel ist eben diejenige, welche in der Kirche St. Michael des ehemaligen Benedictinerklosters in Lüneburg aufbewahrt worden. Sie ist, wie man glaubt, denn ganz erweislich ist es nicht, von dem Golde und den Edelsteinen, welche Kaiser Otto II bei seinem Siege über die Ungarn im zehnten Jahrhunderte erbeutet hatte, verfertigt, und in diesem damals durch ganz Sachsen weit berühmten Kloster aufbewahrt worden. Sie war mit dem feinsten Goldbleche überzogen, und mit einigen hundert noch ungeschliffenen Juwelen, meistens Rubinen und Smaragden und einem großen Diamant geziert. Von diesem ehrwürdigen Denkmale sind jetzt nur noch traurige Ueberreste vorhanden, nachdem sie im J. 1698 von der berüchtigten Räuberbande, deren Anführer Nickel List war, beraubt und zerstört worden.
  2. Ps. 117. v. 23.
(Schluß folgt.)


Der Aufstand der Eingebornen gegen die Niederländer auf der Insel Java.

Ueber die Unruhen auf der Insel Java, die seit mehreren Jahren diese schöne und fruchtbare Insel verwüstet

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_320.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)