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Das Ausland. 1,2.1828

Fürsten von Bantam durch holländische Forts und Besatzungen in ihren Hauptstädten unter beständiger Aufsicht und in der strengsten Abhängigkeit gehalten. Mehr als 60 Jahre herrschte daher – während der gewaltsamen Bewegungen des Mutterlandes – auf Java der tiefste Friede, der selbst im J. 1808 nicht gestört wurde, als das Reich Bantam, welches die Ostküste der Insel mit ungefähr 200,000 E. befaßt, und bisher von selbstständigen Fürsten regiert worden war, eingezogen und für unmittelbares Eigenthum der Krone erklärt wurde, und eben so wenig im J. 1810, als das Colonial-Gouvernement den Sultan von Mataram absetzte und statt seiner den ältesten Sohn desselben auf den Thron erhob; im Jahr 1811, wo dieser den Rest der Provinzen, die er an der Nord- und Westküste besaß, – die fruchtbarsten und bevölkertsten Landschaften seines Reiches mit mehr als 400,000 Einwohnern – gegen eine sehr unverhältnißmäßige Entschädigung abtreten mußte.

(Fortsetzung folgt.)


Die türkischen Frauen.


(Schluß).

Das Hauptglück einer türkischen Frau besteht in der Aufsicht über ihre Haushaltung, in weiblichen Arbeiten und in der Erziehung ihrer Kinder. Die Frauen jedes Rangs bringen einen Theil des Tages mit Spinnen, Nähen und Sticken zu. Alle, selbst die Sultanin, säugen ihre Kinder selbst; zum höchsten Schmerz gereicht es ihnen, wenn sie genöthigt sind, diese Pflicht eriner andern Person anzuvertrauen. Sind sie durch Krankheit gezwungen, eine Säugamme anzunehmen, so verläßt diese das Haus nie mehr, und man wendet alles an, ihre Lage so angenehm als möglich zu machen. An dem Tage, wo sie, unter dem Namen Sudana (Milchmutter) in das Haus aufgenommen wird, erhalten meist einige junge Sclaven ihre Freiheit. Sie wird von nun an als Glied der Familie betrachtet, und mit der größten Aufmerksamkeit behandelt. Nach zwölf oder vierzehn Monaten werden die Kinder entwöhnt. Die Wiege des Kindes ist immer möglichst schön, von Hasel- oder Wallnußholz, mit Perlmutter ausgelegt. Die Wiegen der Prinzen von Geblüt sind mit Gold und Juwelen geschmückt.

Alle Kinder werden zu Hause erzogen. Die Mädchen erhalten keine besondern Lehrer, und kein Geschlecht lernt tanzen oder Musik. Der Catechismus und einige Vorschriften der Moral, die ihnen durch ihre Mutter oder gut unterrichtete Sclaven beigebracht werden, bilden meist den einzigen Unterricht der Mädchen; doch lernen auch einige lesen und schreiben. Die Frauen heirathen im zwölften oder vierzehnten Jahre. Werden sie frühzeitig Wittwen, so heirathen sie meist schnell darauf zum zweitenmale. Ueberhaupt ist die öffentliche Meinung in der Türkei alten Jungfern und sentimentalen Wittfrauen wenig hold; man betrachtet sie als nutzlose Glieder der Gesellschaft. Das göttliche Gebot: „Seyd fruchtbar und mehret euch!“ wird mit religiöser Gewissenhaftigkeit erfüllt.

Die türkischen Frauen sind dem größten Theile nach zufrieden und glücklich. Ihr zurückgezogenes Leben, auf das wir mit hochmüthigem Mitleid blicken, fließt gewiß ebener und freudiger hin, als das Leben jener Frauen, denen das Aufsehenmachen in der Gesellschaft und die öffentlichen Vergnügungen zum Bedürfniß geworden sind! Ihr Glück ist auf einen Kreis ihres Hauses beschränkt und von den Frauen anderer Nationen wissen und wollen sie nichts. Denen die glauben, der Geist wohne blos in den Büchern, mag es auffallend erscheinen, daß die türkischen Frauen sich auszeichnen durch die Richtigkeit ihres Urtheils, durch einen Scharfsinn und feine Auffassungsgabe, welche ihren Mangel an Erziehung ganz vergessen macht. Ihre Haltung und ihr Benehmen ist edel und ihre Conversation voll Reiz. Dieß ist das einstimmige Zeugniß aller europäischen Damen, welche die Harems besuchten, und eine sehr glaubwürdige Schriftstellerin bemerkt: „Ich bin in Gesellschaft von Frauen jeden Standes gekommen, in den Häusern der Beamten des ersten Rangs, und war erstaunt über die Reinheit ihrer Sprache, den leichten Fluß ihrer Rede, die Feinheit und Zartheit ihrer Gedanken, und die Anmuth und Einfachheit, die in ihrer ganzen Unterhaltung herrschten.“

Vielweiberei, der Popanz vor dem die Europäer am meisten zurückschrecken, ist in der Türkei keineswegs allgemein. Wenige Muhamedaner haben zwei Weiber, und vier, die Zahl, welche das Gesetz erlaubt, trifft man äußerst selten in Einem Hause. Wenn eine Dame eifersüchtig auf ihre ungetheilte Macht ist, so behält sie sich durch einen Heirathsvertrag das ganze Feld der Liebe ihres Ehemanns vor. Will aber ein frommer Muselmann das Gesetz buchstäblich erfüllen, so zwingt er seine Weiber keineswegs beieinander zu wohnen; wünschen sie es, so erhält jede ihre besondern Zimmer und Sclaven. Unter der Regierung Abdul Hamid I wurde der einzige angesehene Mann bei Hofe, welcher vier Weiber hatte, beständig damit aufgezogen, und fiel zuletzt bei dem Sultan in Ungnade. In der Regel hat ein Mann nur Eine Frau; kann er zwei oder drei weibliche Sclaven halten, so wählt er häufig etwas alte, um seiner Frau keinen Anlaß zu Klagen zu geben. Auf jeden Fall sind diese Sclavinnen nie das, was bei uns die Maitressen sind; das Gesetz gestattet sie ausdrücklich, und ihre Kinder sind so legitim als die ehelichen.

Eine Frau von zweideutiger Aufführung wird sammt ihrem Mann und ihrer Familie allgemein verachtet; selbst bis auf ihre Nachbarn erstreckt sich die Unehre, und diese haben das Recht zu verlangen, daß das verdächtige Haus von dem Imam bewacht und untersucht werde. Aus diesen und andern Gründen sind in der Türkei öffentliche Mädchen äußerst selten. Gewiß trifft man in Constantinopel oder in irgend einer andern Stadt des Reiches keine vierzig derselben an. Die vielen öffentlichen Mädchen von andern Religionen werden von den Muselmännern nicht besucht.

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_322.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)