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Das Ausland. 1,2.1828

verfolgen, nach welchem in den ungeheuern Länderstrecken der Union die Bevölkerung und Regierung sich bildet.

Die Indianer haben alles Land außerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten nebst vielen Ländereien innerhalb derselben inne, die sie jedoch allmälig, willig oder gezwungen, verlassen. Wenn ich von Indianern rede, so verstehe ich nicht gerade Wilde darunter. Man kann sagen, daß bei ihnen die wunderbare Stufenleiter der Civilisation beginnt. Viele Völker und Stämme im Westen von Missoury, die nie einen Weißen gesehen, nie in unmittelbarem Verkehr mit einem gestanden haben, sind allerdings Wilde. Aber der Creek oder der Cherokee, der, ringsum von Civilisation umgeben, sein Land anbaut, eine repräsentative Verfassung organisirt und Schulen errichtet hat, steht jener Civilisation näher, als der irländische oder österreichische Bauer.

Ein Weißer, gewöhnlich ein sogenannter Indian trader, kommt zu einem Volke, das noch im Zustande vollkommener Wildheit, in aller Barbarei und in allem Stolze der Unwissenheit und Gesetzlosigkeit lebt. Er ist ein unerschrockener Jäger, ein schaamloser Betrüger, der das gefährliche Handwerk treibt, durch unbekannte Gegenden zu dringen, um von den Indianern gegen Pulver, Waffen, rohe Stoffe, vor allem aber gegen Whisky (eine Art von Gersten-Brandwein) Pelzwaaren einzutauschen. Diese Weißen siedeln sich gewöhnlich an einem schiffbaren Flusse an der äußersten Grenze der Civilisation an, und leben meist mit indianischen Weibern, die ihnen als Dollmetscher dienen. Alle Jahre versehen sie sich in irgend einer großen Stadt mit Vorräthen, und sind lange Zeit die einzigen Vermittler zwischen den Weißen und den Ureinwohnern. Bald gewöhnen sich die Indianer an die Bequemlichkeit des Lebens und können sie nicht mehr entbehren. Vorher jagten sie bloß ihrer Nahrung wegen: jetzt kommt der Zweck eines vortheilhaften Handels hinzu. So gelangen sie zur ersten Stufe der Kultur.

Von der andern Seite bleibt der muthige Unternehmungs-Geist der amerikanischen Bürger nicht zurück. Die Rückkehr eines Indian-Trader, mit der reichen Beute eines noch wenig bekannten Landes beladen, in dem er eine reichliche Jagd, einen fruchtbaren Boden, gesundes Wasser gefunden, veranlaßt bald eine Auswanderung von seines Gleichen. Wie soll ich Ihnen diese Art von Leuten nach den unnachahmlichen Gemälden Cooper’s schildern? Ich verweise Sie auf seine beiden Romane: „Die Schanzgräber und der letzte Mohikan.“ Darin werden Sie sehen, daß sie mehr aus Neigung, als aus Noth, ein wildes Leben angenommen haben, und daß sie mit der Gewandheit, der Ausdauer und dem energischen Muthe des Wilden nicht selten auch die sanfte Menschlichkeit des Weißen vereinigen. Mit ihnen fängt die Kenntniß des neuen Landes an: sie erforschen alle Theile desselben, und theilen mehr oder weniger übertriebene Berichte darüber mit.

Der Indianer bleibt unterdessen auch nicht ohne Bewegung. Er kann Schießgewehr, Pulver, hitzige Getränke, Bedeckungen nicht mehr entbehren, er setzt sich neben seinem Handelsmann fest, und beginnt, Pferde und anderes Vieh zu kaufen. Die Einführung von Werkzeugen macht es ihm leicht, sich bessere Hütten zu bauen; die Weiber (squaws) fangen an, die Umgebungen derselben urbar zu machen, und etwas Mais und Taback zu pflanzen. Endlich entstehen indianische Dörfer in der Wüste. Der Indian-Trader macht gute Geschäfte; andere Kaufleute folgen ihm; das Land wird von Bürgern überschwemmt. Sie vermengen sich mit den Indianern, und es dauert nicht lange, so gerathen sie in Streit mit ihnen. Ein solcher Streit, der fast immer in Krieg ausartet, giebt gewöhnlich die erste Veranlassung zur Dazwischenkunft der Regierung der Vereinigten Staaten. Die Indianer tödten die Weißen, die ihnen in den Weg kommen, dringen oft selbst in ihre Ansiedelungen ein, und morden Weiber und Kinder. Die Bürger setzen ihrerseits den Krieg mit nicht geringerem Eifer fort, und erhalten bald Beistand von Linientruppen oder von der Miliz eines benachbarten Staates. Die Indianer werden geschlagen, ihre Hütten verbrannt, ihr Vieh getödtet, bis die Feindseligkeiten durch einen Friedensschluß enden, nachdem jene die Macht der Vereinigten Staaten zu schätzen und zu fürchten gelernt haben.

Die Indianer wählen sich einige Anführer, welche auf einem der Centralpunkte der Gegend zusammenkommen, und dort Commissäre der Vereinigten Staaten finden, mit denen sie einen Talk (Conferenz) halten.

Die Bedingungen des Friedens sind gewöhnlich folgende. 1) Die Indianer entsagen dem größten und fruchtbarsten Theil ihrer Ländereien, und die Regierung garantirt ihnen dafür unter dem Namen eines Vorbehalts, so viel sie für gut findet. 2) Die Vereinigten Staaten geben ihnen eine jährliche Beisteuer, theils an Vieh, Geräthen, Werkzeugen zum Ackerbau und Lebensmitteln, theils an Geld. 3) Die Vereinigten Staaten ernennen bei der Nation einen Agenten, ohne dessen Erlaubniß kein Weißer Handel treiben, oder die Grenze überschreiten darf. 4) Auch die Indianer dürfen das Gebiet nicht ohne einen Paß des Agenten verlassen. 5) Bei ihm müssen die Indianer und die Weißen ihre Klagen gegen einander vorbringen, und er hat über die Handhabung der Gerechtigkeit zu wachen. 6) Im Hause des Agenten (agency) wird ein Schmidt, ein Zimmermann, und ein Schulmeister zum besten des Volkes bestellt. 7) Wenn die Erndte zerstört worden ist, so geben ihnen die Vereinigten Staaten Unterhaltsmittel bis zur nächsten. – Man findet noch solche Vorbehalte in den alten Staaten, und selbst in Neu-England. Auf diese Weise eingepförcht, ergeben sich die Indianer dem Ackerbau. Im Süden sind sie hie und da ziemlich vorgeschritten und haben sich civilisirt; im ganzen aber sind sie in Trägheit und Armuth versunken. Ihre Zahl hat furchtbar abgenommen, von einigen der mächtigsten Stämme ist jede Spur verschwunden.

(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_333.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)