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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 87. 27. März 1828.

Deutschlands Handel mit Amerika.

Resultate langjähriger Erfahrung, an Ort und Stelle gesammelt.

Es herrscht jetzt bei den deutschen Fürsten und Städten das rühmliche Streben, nach dem Beispiele von Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden, Consuln und Handels-Agenten nach den amerikanischen Staaten abzusenden, so wie auch mit einzelnen derselben besondere Handelsverträge anzuknüpfen. Der noch im Jahre 1825 z. B. von preußischer Seite laut ausgesprochene Entschluß, sich nie mit den Rebellen gegen die spanische Suprematie vor ihrer Emancipation durch das Mutterland in einen diplomatischen Verkehr einzulassen, ist seitdem durch eingetretene Umstände wankend gemacht, und hat sich in die Neigung verwandelt, endlich auch dem deutschen Erwerbfleiß den Mitgenuß an den Vortheilen, welche aus der Befreiung Amerikas vom Joche des Colonialsystems hervorgehen, zu verschaffen, eine Neigung, welche um so ersprießlicher ist, als sich überhaupt Deutschlands Verkehr nach außen richten muß, indem der Binnenhandel unsers Vaterlandes fast allenthalben den drückendsten Beschränkungen, Quälereien und Plakereien unterliegt. Es bleibt unter so bewandten Umständen die erste und nothwendigste Obliegenheit des deutschen Handels, so viel als möglich ins Ausland zu senden, und den deutschen Producten, insonderheit den Manufaktur- und Fabrik-Waaren in allen Enden der Erde schnellen und möglichst vortheilhaften Absatz zu verschaffen. Wir sind in dieser Rücksicht so gut versorgt, daß wir wahrlich Alles, was wir an sogenannten Colonialwaaren und Droguerien gebrauchen, mit unsern eignen Produkten austauschend bezahlen können, wenn wir sie nur selbst an Ort und Stelle hinbringen und abholen. Dazu ist aber erforderlich, daß sich die deutschen Flaggen in möglichst vielen, und nicht blos in den Hauptplätzen der amerikanischen Ost- und Westküste unter den Schutz des Völkerrechts stellen, und also der Schiffer und Handelsmann auch in kleinern Ankerplätzen auf die Hülfe eines vom Vaterlande aus beglaubigten Agenten rechnen könne. So sind wirklich im Laufe des letzten Jahrs (1827) hamburgische Viceconsuln in die kleinen südbrasilischen Häfen Porto Alegre, Rio grande do Sul und Santos ernannt worden. Doch giebt es auch Beispiele, daß seit Jahren auf deutschen Schiffen die bedeutendsten Geschäfte nach amerikanischen Häfen gemacht sind, wo es bis jetzt keine hanseatische Consuln giebt, und wo an den Abschluß eines Handelstractats mit der Regierung bis jetzt nicht zu denken ist. Als Beispiel diene hier das so wichtige Havana und überhaupt die Häfen auf Cuba, welche mit Hamburg und Bremen ununterbrochen in Verkehr stehen[1]. Ueberhaupt irrt man sich sehr, wenn man den ordentlichen, gewöhnlichen Verkehr mit amerikanischen Häfen für den vortheilhaftesten hält. Dieser ordentliche Verkehr findet zunächst mit den Häfen der Vereinigten Staaten: Salem, Boston, New-York, Philadelphia, Baltimore, Richmond, Norfolk, Charleston etc. statt.; die Einfuhr deutscher Fabrikate ist dort freilich jetzt durch Zoll-Restriktionen beschränkt; doch ist zu erwarten, daß der neue Vertrag, den jetzt der hamburgische Abgesandte, Hr. Rumpff, mit der Union-Regierung unterhandelt, der deutschen Flagge noch bedeutende Vortheile verschaffen wird, indem die Nordamerikaner z. B. der wohlfeilen deutschen Eisenwaaren, des Leins etc. für ihren überall verbreiteten Zwischenhandel bedürfen. Freilich ist dieser Bedarf nicht bedeutend; der Amerikaner verführt überhaupt das am liebsten, was er selbst baut und hat; die eigentlichen amerikanischen Stapelwaaren: Holz, Mehl u. dgl. kann der Deutsche nicht gebrauchen; so bleiben eigentlich nur Baumwolle und Tabak übrig, und einige durch den Zwischenhandel nach den Vereinigten Staaten gebrachten Artikel, z. B. Thee, den sich die Nordamerikaner wohlfeiler aus China zu verschaffen wissen, als irgend eine andere Nation. Unter den deutschen Städten hat sich jetzt Bremen des größten Theils des nordamerikanischen Tabakshandels bemeistert, und einige Handelshäuser jener Hansestadt sind als vorzügliche Abnehmer auf den Märkten in Baltimore, Richmond, Norfolk etc. in Credit. Den Reishandel theilt Bremen mit Hamburg; nach der letzteren Stadt lieferte Charleston im Jahre 1827 auf neun Schiffen 6061 Tonnen Reis. Kurz, das Geschäft mit den Vereinigten Staaten geht noch so ziemlich den alten Gang, aber wie schon der alte Büsch 1782 weissagte, war und ist der Verkehr mit diesem Freistaate keineswegs gewinnverheißend für Deutschland, und wird von Jahr zu Jahr unbedeutender, weil die Nordamerikaner durch den außerordentlichen Aufschwung ihrer

  1. Nach officieller Angabe der hamburgischen Einfuhrlisten langten im Jahre 1827 53 Schiffe von Havana und Matanzar auf der Elbe an, welche 492 Faß, 50,393 Kisten Zucker, 1039 Faß, 57570 Sack Caffee, 6162 Kisten Cigarren etc. in die Stadt lieferten.
    d. E.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_359.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)