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Das Ausland. 1,2.1828

oder jeden Zug von Unschuld an einem Landmädchen, der zur öffentlichen Kenntniß kommt; aber ein chinesischer Journalist würde sich einer Strafe aussetzen, wenn er es wagen wollte, die Beschreibung einer dramatischen Vorstellung zu geben oder nur eine Anspielung auf die Aufnahme eines neuen Schauspieles zu machen.


Illyrische Poesie.


(Fortsetzung.)
Inhalt der Osmanide.

Der Dichter beginnt mit einer glänzenden Beschreibung seines Helden, indem er die Niederlage der Türken und den Grimm Osmans über dieselbe berichtet. Unermüdet forscht der Sultan nach der Ursache des verlornen Treffens; er sieht sie bald in der verdorbenen Verfassung, bald in den schlechten Sitten, bald auch in der vernachlässigten oder verweichlichten Erziehung des einst den Erdkreis erschütternden Osmanenvolkes. Diesem Verderben zu steuern, ergreift er verschiedene Maßregeln; der Großvezier wird abgesetzt, er selbst will nach Asien ziehen, in der großen Ebene des Turkomanen-Landes, von wo Osman aufbrach, der Ahnherr seines Hauses, ungeheure Heere zusammenziehen und mit diesen die ganze Welt erobern. Schon sieht er sich in einem von seiner erhitzten Phantasie ihm vorgezauberten Traumbild als Herrn des Universums und vor ihm im Staube die Könige der Erde, – da erscheinen, im Beginne des zweiten Gesanges, die vielerfahrenen Alten und klugen Rathgeber, stellen dem Fürsten vor, in welchem Grade er aller Mittel zur Fortsetzung des Krieges ermangle und wie es unumgänglich nothwendig sey, an den Polenkönig Vladislaw Gesandte mit friedlicher Botschaft zu senden; der Sultan läßt sich überreden, der weise Ali geht als Gesandter nach Polen, indeß zugleich der Kislar-Aga nach dem Archipel segelt, um für den erhabenen Herrscher zu seiner Erheiterung und Zerstreuung die schönste der Frauen zu suchen.

Die drei folgenden Gesänge verwendet der Dichter auf die Reise der türkischen Gesandtschaft nach Warschau, auf die Besuche bei dem Fürsten der Moldau und bei Krunoslava, der hochherzigen Frau des von den Türken gefangenen Polen Korevski. Ziemlich umständlich erzählt der türkische Gesandte dem Hospodar der Moldau die wundervollen Thaten seiner Ahnen, wie sie hervorbrachen aus ihrem heimathlichen Gebirge, Asien bezwangen und nach Europa überschifften, der trauernden Krunoslava aber gibt er Bericht über die Gefangenschaft ihres Gemahls. Darauf versinkt das muthige Weib, die sich im Türkenkampf gegen eine riesenhafte Amazone tapfer geschlagen hatte, in tiefe Trauer, beklagt in einem einsamen, düstern Haine ihr Geschick und beschließt endlich, als Ungar verkleidet, ihren Mann zu retten.

Der Kislar-Aga landet (im siebenten Gesange) auf allen Inseln und Küsten des Archipels und Morea’s und verbreitet, wohin er sich wendet, Angst und Schrecken. Von bewaffneter Mannschaft unterstützt, raubt er Frauen und Jungfrauen, welche immer er würdig hält für den Harem seines Herrn; gewandt weiß der Dichter hier eine Beschreibung des alten Griechenlands einzuflechten, verwoben mit den gefühlvollsten Klagen über das traurige Schicksal dieser mütterlichen Heimath aller Cultur und Wissenschaft. Auch Serbien besucht der Kislar-Aga und kehrt auf seinem Raubzuge bei Gliudragh ein, einem alten, von den serbischen Königen abstammenden Schaafhirten. Hier sehen wir die der Nation eigenthümlichen, die Thaten ihrer Vorfahren feiernden Spiele, zur Verherrlichung des sechzigsten Geburtstages Gliudraghs. Seine einzige Tochter, die Freude und der Trost des alten Vaters, erscheint in der Versammlung, – alle Augen richten sich auf sie und alle Herzen schlagen ihr entgegen. Der große Weiberkenner, der Kislar-Aga selbst, muß gestehen, daß er bis jetzt von dem Liebreiz des Weibes keinen Begriff gehabt habe. Wohl kannte er, dieß sind seine Worte, die glühenden, feurigen, zum Sinnenrausch herausfordernden Augen der Töchter Osmans, nicht aber dieses sanfte, schwärmerische und das Herz entzündende Feuer, welches in den Augen Gliudra Suncianizza’s brenne; wenn je eine Sterbliche, setzt er hinzu, würdig sey das Lager des Herrn der Gläubigen zu theilen, so sey sie es, die glückselige Tochter Gliudraghs. Suncianizza wird gewaltsam entführt und der Vater verzweifelt.

Am Jahrestag der Schlacht von Choczim (7 Oktober 1622) feiern die Polen ein großes Nationalfest; unbesorgt entfernen sich viele Krieger weit vom Lager und werden von der tapfern Sokolizza, einer türkischen Amazone, und von ihren heldenmüthigen Gefährtinnen zu Gefangenen gemacht. Der Polenkönig Vladislaw überrascht indeß zufällig auf einer Jagd Sokolizza mit den Ihrigen im Bade und befreit seine Waffengefährten. Vladislaw zieht darauf mit seinen Polen (im 10ten Gesange) triumphirend nach Warschau, wo ihn die türkische Gesandtschaft bereits erwartet. Der weise Ali wird in einen prachtvollen Saal des königlichen Schlosses zu Warschau geführt, bewundert die Polen, die in einem ritterlichen Spiele die Schlacht von Chozim darstellen, wegen ihrer Gewandtheit in allen Waffenkünsten und hält eine Rede vor der ehrwürdigen Versammlung der polnischen Reichsräthe, entwickelt die Vortheile des Friedens und beschreibt in anmuthiger Rede die mannigfachen Freuden, die aus der Freundschaft benachbarter Nationen entspringen. Er bittet in dem Namen seines Herrn um den Frieden, erhält ihn unter gewissen Bedingungen und reist ab, mit Geschenken beladen. Nach Constantinopel zurückgekehrt, gibt Ali Rechenschaft über das Resultat seiner Botschaft, findet und erkennt Krunoslava, verräth sie dem Sultan, der sie zu ihrem Gemahl ins Gefängniß sendet. Krunoslava wähnt diesen untreu, und auch er schöpft gerechten Verdacht wegen der unvermutheten Erscheinung seines Weibes in Männertracht. Dieses doppelte Mißverständniß und die Entwicklung desselben bietet den Stoff zu einer der zartesten und rührendsten Schilderungen, welche je in einer Sprache geschrieben wurden.

Der Kislar-Aga und seine Begleiter, die gesandt waren den Harem des Großherrn zu füllen, kehren (im dreizehnten Gesange) mit ihrer schönen Beute zurück in die Hauptstadt

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_364.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)