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Das Ausland. 1,2.1828

Ibrahim Pascha.


(Schluß.)

Ich war selbst Zeuge von mehreren dieser Gräuel. Mit meinen eigenen Augen habe ich gesehen, wie fünfzig Landleute vor das Zelt Ibrahims geführt, in seiner Gegenwart mit einem glühenden Eisen gezeichnet und hierauf in ein tiefes stinkendes Kerkerloch[1] geworfen wurden, wo sie im Schlamm verfaulen mußten, wenn das Schiff, das sie nach Egypten abholte, nicht bald erschien. Ich sah Priester, die gekreuzigt, und am langsamen Feuer verbrannt wurden; ich sah die Scenen des Sklavenmarkts: „He Kapitän, wollt ihr diese junge Suliotin? Ein guter Kauf! Ihr werdet zufrieden seyn.“ Ich sah …, doch genug.

Um das Bild von Ibrahim zu vollenden, brauche ich nur hinzufügen, daß sich der gute Mann für eine Art Napoleon hält. Nichts kann ihn so sehr beleidigen, als der Name „Barbar,“ den man ihm in Europa zuweilen gibt. Wenn er in den Zeitungen, die er durch die in Zante, Modon oder Navarin einlaufenden Schiffe erhält, und sich von seinem Dolmetscher Abo übersetzen läßt, eine solche Verkennung seiner Würde wahrnimmt, so haben es jeder Zeit die armen Gefangenen zu entgelten.

Solyman-Bey.

Der Obrist Seve war Napoleon’s Adjutant und hatte sich als solcher besonders im rußischen Feldzuge ausgezeichnet. Als sich ihm in Frankreich nach dem Sturze des Kaisers keine seinen Neigungen angegemessene Beschäftigung mehr darbot, begab er sich nach Egypten. Damals fing eben Mehemed Ali an, seinen militärischen Organisationsplan ins Werk zu setzen. Bald lernte der Pascha in dem Obrist Seve einen eben so gebildeten als tapfern Offizier kennen, den er nicht mit der Masse der Abentheurer verwechseln durfte, die ihm ihre Dienstbefließenheiten und ihre Schmeicheleien aufdrangen.

„Franzose, sagte er zu ihm, wenn du mir Treue schwörst und bei den Reformen, die ich in meiner Armee vorhabe, tüchtig an die Hand gehst, so mache ich dich zum Bey und du kommandirst mein erstes Regiment. Aber du mußt Muselmann werden, denn die Araber würden dir sonst nicht gehorchen.“ Obrist Seve fand diese Gründe so einleuchtend, daß er den Turban nahm und in einer der Hauptmoscheen Alexandria’s feierlich dem Christenthum entsagte, wobei er sich jedoch von der Cermonie der Beschneidung dispensiren ließ. Der Pascha gab ihm den Namen Solyman-Bey, überhäufte ihn mit Geschenken und setzte ihm in seiner Eigenschaft als Commandeur einen Jahrgehalt von 40,000 Piastern (18,000 Fr.) aus.

Das Regiment Solyman-Bey’s lagerte vor der Stadt; er selbst bewohnte in Modon ein Haus in der großen Marktstraße. Vor seiner Thüre stand eine Wache von ungefähr zehn Sapeurs, die uns, als wir ihnen sagten, daß wir den Obrist besuchen wollten, ehrerbietig salutirten und eintreten ließen. Es war um eilf Uhr Morgens. Wir trafen Solyman-Bey auf einem breiten Bette ruhend, wobei er sich mit einem Uebelbefinden, das er sich durch eine starke Ermüdung zugezogen, entschuldigte. Ich sagte ihm, daß ich in Morea gelandet hätte, um einige Städte zu besuchen. Da ich nun meinen Zweck erreicht, sey ich im Begriff, nach unserm gemeinschaftlichen Vaterlande zurückzukehren und wenn er mich mit Aufträgen an seine Familie beehren wollte, so würde ich sie mit Vergnügen besorgen. „Ich danke Ihnen unendlich, erwiederte er mit einer sehr verbindlichen Miene. Der directe Verkehr zwischen Frankreich und Morea ist so selten, daß ich Sie beim Wort nehmen und von Ihrer Güte Gebrauch machen muß, um meinen Freunden zu schreiben. Ich werde Ihnen unter anderem einen Brief an meinen Vater in Lyon zustellen.“ Nach einem Augenblick Stillschweigen setzte er mit Rührung hinzu: „Ich habe in meinem Leben nur drei Menschen geliebt, weil nur drei Menschen mir Gutes erwiesen haben: das ist mein Vater, Napoleon und Mehemed Ali.“

Ein kleiner Negersklave wartete uns hierauf mit Pfeifen und Kaffee auf, zu meiner großen Freude aber folgte auf die türkische Sitte bald die französische:

Crateras magnos statuunt et vina coronant. Dem Gesetze des strengen Propheten zum Trotz, floß der Champagner in lange Gläser und drei oder vier egyptische Offiziere, die gerade zugegen waren, leerten unbedenklich einige Flaschen.

Solyman-Bey, obgleich Renegate, doch im Herzen noch Franzose, brachte einen Toast auf das Wohl Frankreichs aus, wobei ihm die Thränen in die Augen traten. Ich stimmte feurig ein. Nachdem wir uns eine Zeitlang über Constantinopel und über die öffentlichen Angelegenheiten Frankreichs, wofür er sich lebhaft zu interessiren schien, unterhalten hatten, bezeugte ich ihm meinen Wunsch, sein Harem zu sehen. „Obrist, sagte ich, meine Bitte kann Sie befremden. Aber ich betrachte mich hier als im Hause eines Franzosen, nicht eines Türken.“

Die egyptischen Offiziere zogen sich zurück und drei Frauen aus dem Harem Solyman-Bey’s erschienen. Alle drei (zwei von ihnen waren Schwestern) vereinigten mit den liebenswürdigsten Eigenschaften des Geistes die entzückendsten Reize des Körpers; besonders war Chrysula, die ältere der beiden Schwestern, eine verführerische Schönheit: eine schlanke Gestalt, ein sanfter, etwas melancholischer Ausdruck über ein Gesicht verbreitet, auf welchem sich das blendende Weiß der Linie mit dem Purpur der Rose vermählte; himmelblaue Augen, seltsam constrastirend mit dem Haar, schwarz wie Ebenholz. Der reiche und geschmackvolle Putz dieser drei Damen, gefangener Griechinnen, erhöhte wesentlich den Glanz ihrer Schönheit.

Chrysula, kaum achtzehn Jahre alt, war die Favoritin Solyman-Bey’s, die er eben so leidenschaftlich liebte, als sie seine Liebe zärtlich erwiederte. Vor ihr besaß eine sehr reizende Negerin, Namens Arsana, die er aus Egypten mitgebracht, sein Herz. Ein paar Tage vor meiner Ankunft in Modon hatte die Eifersucht der verlassenen Geliebten einen Auftritt herbeigeführt, der leicht hätte ein tragisches

  1. In einem Thurm, der die Südseite von Modon vertheidigt. Sie lagen daselbst nicht auf Stroh, sondern auf bloßer Erde, welche durch das eindringende Meerwasser aufgeweicht wird.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_381.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)