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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 97. 6 April 1828.

Der Türkenkrieg[1].


In dem Augenblick, wo wir dem Ausbruch eines Türkenkriegs entgegensehen, entlehnen wir aus der trefflichen österreichischen militärischen Zeitschrift im Auszuge die folgende als Beurtheilung, Berichtigung und Ergänzung des Valentinischen Werks zu betrachtende Abhandlung; da wir überzeugt sind, daß Oesterreich dasjenige Land ist, welches uns wegen seiner alten Berührungen mit der Türkei die besten Aufschlüsse über jenen Gegenstand geben kann.


Die Einführung der Janitscharen (unter Murad I 1362) als Grundstock eines stehenden Heeres gab dem osmanischen Reiche das Mittel, ohne große Last im Frieden, ein zahlreiches Heer für den Krieg vorzubereiten. Sie bildeten überdieß einen fortpflanzenden Stamm für die Ergänzung und den kriegerischen Geist des Heeres; denn die Knaben der Janitscharen folgten der Bestimmung ihrer Väter. Mit dem Beruf ihres Lebens vertraut, wurden sie in früher Jugend zum Kriege erzogen. Fertigkeit, aller Waffen sich richtig zu bedienen, Gewandtheit des Einzelnen in der Bewegung eines stürmenden, zahlreichen Schwarms, war der Zweck ihrer Bildung. Als sie heranwuchsen und eingetheilt wurden unter die Truppen – Fußvolk, Reiterei, Kanoniere, Bombardire, Minengräber, Waffenschmiede und Fuhrleute – besoldete man sie, oder sie erhielten Lehen. Die Hülfsvölker, die Bosnier, Albanier, Moldauer, Wallachen und Tataren, wies man an die Beute. In den größern Städten des Reichs hatte jeder Eingeborne das Recht, gegen Erlegung einer kleinen Geldsumme, irgend einer Janitscharen-Oda (von 400 Mann) beizutreten. Er kehrte sodann zu seiner bürgerlichen Beschäftigung zurück, und genoß den Vortheil eines geringen Solds, der in etwas Geld und einer täglichen Portion Reis bestand. Lehen (Timars und Zaims) wurden vorzüglich an den Kern der Reiterei, an die Spahi, vergeben, obgleich es auch belehnte Janitscharen gab.

Durch Einrichtungen solcher Art war es den Sultanen nicht schwer, Kriege zu führen. Kriege waren sogar nöthig für die innere Ruhe des Staats, um Tausende von Kampflustigen zu beschäftigen, die der Müßiggang im Frieden zu Empörungen geneigt machte. Die Türken zogen daher immer zahlreich zu Feld, und was zu verwundern ist, ihre wilden Schaaren kannten einst doch auch die Nothwendigkeit der Mannszucht. Sie waren zwar grausam durch Religionsbegriffe, sie lebten vom Kriege wie von einem friedlichen Erwerb, und waren dennoch gehorsam. Erschreckliche Strafen; Belohnungen, die man auf fremdem Boden leicht geben konnte; beherzte erfahrene Führer mit unbedingter Vollmacht; der Großherr meist selbst an der Spitze, waren starke Hebel, um die Ordnung des Heeres unverletzlich zu bewahren. Der Türke ist gesund, stark und tapfer; sein Kriegstalent bewährt sich dadurch, daß er Fußsoldat und Reiter zugleich ist[2]. Ohne Furcht an ein unvermeidliches Verhängniß glaubend, beobachtet er streng die Gesetze seiner Religion und kennt für die ewige Zukunft nichts verdienstlicheres, als vor dem Feind zu fallen.

Am Material gebrach es den türkischen Heeren nie. Was dabei an Kunst abging, ersetzte die Quantität. Ihr plumpes, schwerbewegliches Feldgeschütz war äußerst zahlreich, und eben so zog eine große Menge Handwerker und Schanzgräber mit. Aber nicht genug – auch die belehnte Reiterei war verpflichtet, bei Belagerungsarbeiten mitzuwirken, Faschinen zu erzeugen und mit diesen vor dem Sturme die Gräben zu füllen. Mit gleicher Sorgfalt hatten die Türken das Bedürfniß an Pulver, Kugeln und Arbeitswerkzeugen gedeckt. Die langwierigen Belagerungen, die sie auszuhalten hatten; Die Verschwendung, mit welcher sie jede Gelegenheit nützten, ihr Geschütz, und sey es auch nur des Knalls wegen, in Wirkung zu setzen, und endlich die Vorräthe, die man in jedem eroberten Orte fand, sind Beweise, wie wenig sie sich der Gefahr unterziehen wollten, einen Platz aus Mangel an Kriegsbedarf zu übergeben.

An ein regelmäßiges Verpflegungswesen war nicht zu denken: schon der ungeheure Troß machte es beinahe unmöglich. Man zog in’s Feld, wenn Getreide und Gras der Fächsung nahten, und begab sich in die Winterquartiere, wenn die Natur im Herbste nichts mehr darbot. Die Stätte, welche die Türken im Sommer durchzogen hatten,

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_403.jpg&oldid=- (Version vom 17.2.2023)
  1. Die Lehre vom Krieg. Dritter Theil. Der Türkenkrieg.
    Von dem Generalmajor Freiherrn v. Valentini. Mit vier Planen. Berlin 1822.
         Militärische Blätter. Eine Zeitschrift. Herausgegeben von F.-W. v. Mauvillon. Erster Band. Jahrgang 1822. Essen und Duisburg.
         Stato Militare dell’ imperio ottomano etc. del signore Conte die Marsigli
         Histoire de la guerre des Russes et des Impériaux etc. par M. de Keralio.
  2. Verliert der Spahi sein Pferd, so geht er einstweilen zum Fußvolk über, und eben so setzte sich der Janitschar auf das Pferd, welches ihm der Zufall bot.