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Das Ausland. 1,2.1828

Gesetze des guten Geschmacks erklärte, ächtete man jeden Tag so viele alte und ausdruckvolle Wörter.

Im Zeitalter Ludwigs XV mußte man wohl neue Bezeichnungen für die politischen und philosophischen Wissenschaften suchen, aber man that es nicht recht im Geiste der Sprache, so daß nur wenige in’s Volk übergingen. Denn nicht die Gelehrten machen und bereichern die Sprachen, sondern das Volk.

Eine Masse neuer Begriffe, und folglich auch neuer Wörter hat endlich die Revolution in die Sprache eingeführt. Aber zu gleicher Zeit, welche völlige Auflösung alles Schönen und Guten in der Sprache der vorhergegangenen Perioden! welche Ueberschwemmung von Schwulst und Bombast! welche Zügellosigkeit! welche Nachläßigkeit! welche Incorrectheit im Stil und im Druck! Ein paar Sätze aus den Briefen des Abbé Duchesne, vom zweiten Jahr der Republik mögen dieses Urtheil andeuten: „Ja, ich ersticke vor Zorn; ja (verdammt!) alles, was ich sehe, alles, was täglich geschieht, bringt mich zur Verzweiflung. Welcher verwünschte Wahnwitz bemächtigt sich doch der Bürger! Dieses falsche Ehrgefühl, von dem unsre blödsinnigen Voreltern angesteckt waren, will wieder aufleben mehr als je!“

„Je mehr ein Staat bevölkert ist, desto reicher und mächtiger ist er. Dieß ist eine Wahrheit, die hol’ mich der Teufel (bougrement) wahr ist. Aber ich möchte rasend werden, wenn ich da eine Art Menschen sehe, buntscheckig, weiß, schwarz, grau, die meinen, sie seyen der Gesellschaft überaus nützlich, und Dickwänste, die ein paar Wochen die ganze Arche Noä vom Maulwurf bis zum Elephanten auffressen, und verdauen!“ – „Verdammtes Geschöpf, du zweifelst also noch ob die Siege der linken Seite auch ein Werk Gottes seyen? du zweifelst also noch, ob dein Gott sich schon den Juden überantwortet glauben würde, wenn er sich mitten unter den Raben der Aristokratie sähe? Sagt mir doch, ob es möglich ist, daß der Vater der Menschen nicht Patriot sey! Sag mir doch Einer, ob er Aristokrat seyn kann.“

Unter der Kaiserherrschaft war die Sprache durch ihre mathematische Trockenheit und durch die Kürze des militärischen Commandos ausgezeichnet. Die siegreichen Züge der Nation durch die Welt, weckten manch neues Element, aber der strenge Zwang des Augenblicks hemmte alle Fortschritte!

In unsern Tagen ist die Sprache im Allgemeinen correct, aber gesucht. Man hascht nach neuen Wörtern wie nach neuen Gedanken. Sie hat noch kein bestimmtes Gepräge: es ist eine Durchgangsperiode. Man gräbt die alten Quellen der Sprache wieder auf. Das Studium der Politik und Philosophie, der Geschmack an der deutschen Literatur zwingen neue Wörter zu suchen. Die Sprache ist ernster und züchtiger geworden. Wer heut zu Tage eine Pucelle schriebe, würde ausgezischt werden.

Aber die Sprache ist in den Wehen, wie das Volksleben; man muß die Stunde abwarten, um zu sehen, wes Geistes das Kind der Zeit seyn wird!



Aus China.

Die Chinesen haben uralte Volkslieder, in denen die Traditionen und Maximen der alten Zeit niedergelegt sind, und welche schon zur Zeit des Confutse von einer so großen Wichtigkeit waren, daß man eine Sammlung davon veranstaltete, und daraus unter dem Titel, „Buch der Lieder“ (Schiking), eines der fünf classischen Bücher bildete. Seit dieser Zeit ist es eines der fundamentalen Bücher geblieben, auf denen die chinesische Bildung und Literatur beruht. Es ist nie in einer europäischen Sprache erschienen, und es würde mehrere Jahre erfordern, es leidlich zu übersetzen. Es existirt jedoch eine lateinische Uebersetzung von dem Jesuiten Lacharme in Peking, die sehr getreu ist.


Marco Polo.

Es ist bekannt, daß die früher so oft bestrittene Glaubwürdigkeit der Berichte des berühmten venetianischen Reisenden Marco Polo in neuerer Zeit durch die vielfachen Gründe in bessern Credit gesetzt worden ist. Einen neuen Beweis dafür liefert in dem kürzlich ausgegebenen Februarheft des Nouveau Journal Asiatique ein Aufsatz von Klaproth, aus welchem hervorgeht, daß Marco Polo die Provinzen und Städte, welche er nach Catai und Mangi setzt (d. h. in das nördliche und westliche China) größtentheils in der beim Aufzählen derselben von ihm beobachteten Folge selbst besucht zu haben scheint. Wahrscheinlich bediente er sich in China eines persischen Dolmetschers; denn er nennt z. B. die erste Brücke, die er nach seiner Abreise von Cambalu (Peking) zu passiren hatte: Pulisangan d. i. Poul-i-Sangkan, die Brücke über den Sangkan, eine Brücke, die noch heut zu Tage an derselben Stelle (zehn Miglien von Peking) besteht; nur führt der Fluß jetzt gewöhnlich den Namen Lou keou ho. – Von Mangi ging Marco Polo nach Tübet, das damals von den Mongolen verwüstet war, und von dort nach Caindu, worin Klaproth das Land der Birmanen erkennt. Der Fluß Brius, den er hie erwähnt und der in den Ocean fallen und Goldkörner mit sich führen soll, ist der Irawaddy, welchen die Chinesen Kin cha kiang, den Fluß mit dem Goldsand nennen. Von da begab sich Marco Polo nach China zurück und zwar in den westlichen Theil des Reiches, wo die Provinz Caraian, das Land der „Thsouonman“ (die südlichen Gegenden von Yunnan) bei den Chinesen ist. Die Bewohner dieser Provinz sind von einem von den Chinesen verschiedenen Stamme, der sich selbst den Namen Carain beilegt und auch über einen großen Theil der hinterindischen Halbinsel verbreitet ist, wo er aber nur die unwegsamsten Gebirge und Wälder bewohnt.


Buchhandel in England.

Wie in Deutschland, scheint gegenwärtig auch in England bei Werken, die auf ein größeres Publikum rechnen können, das Bedürfniß wohlfeiler Ausgaben fühlbar zu werden. Die Classiker der Nation waren schon längst durch Abdrücke auf schlechtes Papier – black lettres – das Eigenthum aller Stände geworden; aber neuere Werke von Bedeutung erschienen noch immer nur in kostbaren Quartbänden, deren Preis nur der Reiche erschwingen konnte. In neuerer Zeit hat indeß besonders Murray angefangen, seine Verlagsartikel in kleinen Duodezbändchen zu liefern, und die bei uns so arg verlästerten Taschenausgaben dürften daher bald auch bei unseren reichen Nachbarn jenseits des Canals allgemeineren Eingang finden. Vergl. Literary Gazette, February 23.


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_406.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2023)