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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 101. 10 April 1828.

Der Türkenkrieg.


(Fortsetzung)


Der letzte russisch-türkische Krieg [1] war im Grunde ein fortlaufender Belagerungskrieg. Die Engländer, welche Anfangs als Verbündete [2] Rußlands auftraten, erkannten bald ihren Irrthum und zogen sich zurück. Bessere Verbündete hatten die Russen an den Serviern, die unter Czerni Georg eine Kriegsmacht geworden waren. In den beiden ersten Jahren wurde indessen der Krieg mit wenig Nachdruck geführt, da einer Seits die Pforte durch die Gährungen im Innern des Reichs, die (am 29 Jun. 1807) mit einer Thronrevolution endeten, anderer Seits Rußland durch seine Verwickelung in die Ereignisse, welche dem Tilsiter Frieden (vom 7 Jul. 1807) vorangingen, in Anspruch genommen wurde. Zuletzt war noch unter französischer Vermittelung ein Waffenstillstand zu Stande gekommen. Im Frühling 1809 brachen die Feindseligkeiten ernstlicher aus: etwas entscheidendes geschah jedoch nicht. Die Türken schienen ihr Hauptaugenmerk auf Servien [3] zu richten, um Belgrad wieder zu bekommen. Die Russen lieferten [4] ein paar Gefechte, die zu ihrem Vortheil ausfielen, gingen im Anfang Augusts ober der Pruthmündung bei Galacz über die Donau, nahmen einige Plätze weg und kehrten am 3 Nov. bei Hirsova, welches sie besetzt hielten, auf´s linke Ufer zurück. Das wichtigste Ereigniß des Feldzuges war der Fall von Brailow, das sie nach einer langen Blockade, nach großem Verlust der Russen — bei einem einzigen abgeschlagenen Sturm 7,000 Mann — am 3 Dec. ergab.

Der Feldzug von 1810 ist äußerst reich an tapfern Thaten und — man darf es wohl sagen — für beide Theile gleich ehrenvoll. Die Russen eroberten Tertukay, Bazardsjik, Silistria, Rasgrad, Nikopel, Ternov, Szistov, Giurgevo und Rustschuk, sie siegten über die 30,000 Mann starke Armee des Großveziers bei Tschesmelá und gewannen die Schlacht bei Battin, in welcher 10,000 Türken blieben. Aber ihre Angriffe auf Varna am schwarzen Meer, auf das verschanzte Lager bei Schumla [5] am Balkan scheiterten, und des kühnen Bosniak Aga’s vier Monat lange Vertheidigung von Rustschk kostete nicht nur 12,000 Mann, das Leben, sondern verdarb eigentlich den Russen den ganzen Feldzug; denn sie waren am Ende des Jahres so geschwächt, daß sie sich nicht im Stande befanden, ihre Eroberungen zu behaupten.

Am 23 Jun. erschienen die Russen unter ihrem Oberfeldherrn Grafen Kaminsky vor Schumla und nahmen eine Stellung längs dem linken Ufer des Tekiebaches. Das Gefecht begann und drückte die Türken unter die Batterien der Stadt.

Der gewöhnliche Weg der Kuriere nach Konstantinopel (es sind dahin drei und vierzig Meilen) führt über Schumla, welches man als die Pforte des Balkans betrachtet. Die Lage dieses Orts ist wichtig und vortheilhaft. Er ist von einem Vorgebirge des Balkans, mit steilen Abhängen und dichtem Dorngestrüppe umgeben. Er hat einen Graben und einen Erdwall mit kleinen Thürmen für Schützen. Schumla, mit 30,000 Einwohnern, ist der Kern eines verschanzten Lagers längs dem Kamme der umgebenden Höhen; innerhalb derselben ist hinlänglicher Raum für alle Bedürfnisse des Heers.

Eine Umgehung, welche die Russen mit tausend Jägern auf dem rechten Flügel jenseits des Bachs gegen die Höhe der Grotten wagten, von welcher man Schumla übersieht, mißlang bei dem ersten Versuche. Später, als die Türken die Vertheidigung dieses Punkts aufgegeben hatten, ward er von den Russen besetzt. Obgleich aber letztere sich noch mit 5000 Mann und 2 Kanonen verstärkten, konnten sie doch den wiederholten Angriffen der Türken nicht widerstehen. Sie zogen sich zurück. Am 24 wurde der Streit um den Besitz der Grotten fortgesetzt. Seit der entwichenen Nacht waren die Russen wieder Meister derselben und sicherten ihre Stellung durch ein wirksames Feuer der Geschütze. Vergebens wagten die Türken einen Sturm auf die Batterien bei Straza. Schon waren 1800 Russen vor Schumla gefallen, als ihr Oberbefehlshaber die blutig behauptete Höhe zu verlassen befahl und den Großvezier auszuhungern beschloß. Bei Anbruch des 25 standen keine Russen mehr auf der Höhe der Grotten, und am 26 waren sie wieder auf dem linken Ufer des Tekiebachs. Sie begnügten sich, indem sie die Straße nach Konstantinopel bei dem Dorfe Tschenguel-Kevy besetzt hielten, mit einer weitläuftigen Blockade des türkischen Lagers. Es gelangten jedoch am 7 Juli hundert mit Vorräthen


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_419.jpg&oldid=- (Version vom 16.2.2023)
  1. Er wurde von den Russen am 27 Dec. 1806 durch die Besetzung von Bukarest eröffnet und am 28 Mai 1812 durch den Frieden von Bukarest geendet.
  2. Admiral Dukworth erschien am 20. Febr. 1807 vor Konstantinopel, kehrte aber nach acht Tagen unverrichteter Dinge ans Mittelmeer zurück.
  3. 80,000 Mann rückten vor dieser Festung, deren sich die Servier noch vor dem förmlichen Ausbruch des Krieges (13. Dec. 1806) bemächtigt hatten
  4. Bei Slobosea und Tataricze, Isakscha, Tulscha, Matschin, Ismaël, letzteres nach einer Belagerung von mehreren Wochen, fielen in ihre Gewalt, Silistria widerstand.
  5. Die östlichsten Punkte, welche die Russen erreichten