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Das Ausland. 1,2.1828

dem Großvezier Friedensanträge bringen. Dafür brachten die russischen Abgeordneten ihrem Feldherrn nur Besorgnisse über die wachsende Macht des Feindes zurück. Graf Kaminsky wollte mit Bosniak jetzt auf jede Bedingung zum Abschluß kommen. Eine der Frauen des Aga, welche in Szistova gefangen worden, schien hiezu Gelegenheit zu bieten; aber der Türke erwiederte, daß es sich nicht zieme, Weiberangelegenheiten einzumischen. Erst am 26ten Sept. kam eine Kapitulation, mit den vortheilhaftesten Bedingungen für die Vertheidiger von Rustschuk und Giurgevo, zu Stande. Am 6 Nov. begann der Marsch der russischen Armee von Nikopel nach den Winterquartieren dießseits der Donau. Die Russen hatten vor ihrem Abzug alle Städte und Ortschaften, welche sie erreichen konnten, verbrannt [1] und behielten nur die drei Festungen Nikopel, Rustschuk und Silistria, jede mit einer Division, besetzt, über welche General Essen in Rustschuk den Oberbefehl führte.

Am Anfang des Jahres 1811 (von der Möglichkeit, das rechte Donauufer zu behaupten, war keine Frage mehr,) wurde Nikopel und Silistria geschleift, Rustschuk als Brückenkopf behalten. Im März hatte Kutusow den Oberbefehl übernommen; anfangs Mai rückte er ins Feld. Der rechte Flügel unter Saß lagerte bei Crajova; das beträchtlichste Corps unter Langeron versammelte sich bei Senteschti am Saborafluß und der linke Flügel unter Woinow bei Obileschte. In Servien standen 3,000 Mann unter Graf Orurk.

Im Juni zog der neue Großvezier Achmet mit 60,000 Mann und 78 Geschützen gegen Rustschuk. Kutusow ließ das Corps Langeron am 22 bei Giurgevo eine Stellung nehmen und entsendete ein Cavalleriekorps unter Woinow, um die Bewegungen des Feindes, der über Rasgrad kam und sich 1½ Meilen von Rustschuk, vor Kadikiri, verschanzte, zu beobachten. Endlich ging er, um Rustschuk zu schützen, welches überlegenen Kräften nicht gewachsen war, am 1 Juli selbst über die Donau und stellte in der Nacht zum 2ten eine gute Stunde vorwärts der Festung, seine 14,000 Mann starke Armee in Schlachtordnung.

Unter Begünstigung eines dichten Nebels drangen die Türken am Morgen des 2 Juli vor, und Woinow vermochte erst nach einem zweifelhaften Reitergefechte sie zurückzutreiben. In der Absicht, das russische Corps zu umgehen, machte der Großvezier am Morgen des 4 einen neuen Angriff. Mit vieler Geschicklichkeit deckte er, durch ungestüme Anfälle gegen die Mitte und den rechten Flügel, den Hauptangriff gegen den linken. Mit Blitzesschnelle ward die russische Reiterei in die Flanke genommen und geworfen. Sie litt bedeutenden Verlust und verlor eine Kanone. Da brachte Kutusow durch das 7te Jägerregiment und die Tschauganewskischen Uhlanen das ungünstige Gefecht zum Stillstand. Der Angriff, welcher nun allenthalben gegen die Türken erfolgte, war so heftig, daß sie in Verwirrung ihr verschanztes Lager zu erreichen eilten und 600 Todte, 900 Verwundete nebst 6 Pulverwägen auf dem Platz ließen. Die Russen hatten 800 Mann verloren.

Kutusow hielt sich für zu schwach, um den mehr als dreimal stärkern Gegner in seiner festen Stellung anzugreifen und fürchtete für Rustschuk, welches eine Besatzung von 10,000 Mann erforderte. Er faßte also den Entschluß, über die Donau zurückzugehen. Schon um Mitternacht des 4ten begann der Rückzug; am 5 war Rustschuk geräumt und ein Raub der Flammen, wobei man sich nicht einmal Zeit nahm, die Festungswerke zu zerstören, sondern dem Feind eine Festung in verbesserter Form überließ. Die Türken bezogen ein Lager auf den Höhen unterhalb Rustschuk, welches Bosniak Aga wieder besetzte; die Russen eines der verlassenen Feste gegenüber, Giurgevo zur Linken, wo das Hauptquartier war. Abtheilungen setzten sich in Obileste, Slobodzin und Turnov fest.

Bei Widdin war indessen am 3 August Ismael- Bey mit 20,000 Türken über die Donau gegangen; aber weitere Fortschritte derselben wußte General Saß zu vereiteln. Auch der Großvezier machte Anstalten zum Uebergang. In der Nacht des 6 Sept. landete ein Corps Türken, eine Stunde oberhalb Giurgevo. Während man diese zwang, sich wieder einzuschiffen, geschah der eigentliche Uebergang noch höher am Strome und gelang, Am Mittag des 10 waren bereits 6,000 Mann mit 6 Kanonen am linken Ufer unbezwingbar verschanzt. Drei Angriffe der Russen gegen sie mißlangen mit einem Verlust von 500 Todten, 1,600 Verwundeten, einer Fahne und einer Kanone.

General Sabanejew schlug vor, im Schilf und Gesträuch oberhalb des feindlichen Lagers einen Punkt, den er bereits erforscht hatte, zu verschanzen und von hier mittelst Geschütz die Verbindung des Feindes mit dem rechten Ufer zu hemmen. Kutusow wollte dagegen in der Nacht des 11ten durch seine Flotille die Verbauung der Türken am linken Ufer zerstören. Es gelang nicht. Ungehindert mehrten und befestigten sich die Türken, so daß es ihrer am 18ten schon 30,000 Mann mit 50 Kanonen waren. Die Ausfälle des Großveziers, die nun erfolgten, hatten zwar keinen Erfolg, aber die fortwährende Befestigung des Lagers durch vorgeschobene Redouten konnten die Russen nicht hindern, und seit sie wußten, daß ihr Gegner ihren rechten Flügel zu durchbrechen beabsichtigte, erkannten sie das Bedürfniß auch ihre Stellung zu verschanzen. In der Nacht des 29ten deckten sie den bedrohten Punkt mit 4 Redouten. Wirklich erfolgte hier der Angriff der Türken am 2 Okt. mit Ungestüm, doch wurden sie genöthigt, sich zurückzuziehen; dagegen erstürmten am folgenden Tag die Russen eine Redoute auf dem äußersten rechten Flügel der Türken.

Durch seine Generale aufgefordert, beschloß Kutusow, ein Corps nach dem jenseitigen Ufer zu senden, die dort befindlichen Türken zu verjagen; das entblößte Rustschuk durch Ueberfall zu nehmen und so dem Großvezier alle Verbindung rückwärts abzuschneiden. General Markow, mit 8000 Mann zu dieser Unternehmung bestimmt, zog

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_425.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2023)
  1. Diese barbarische Maßregel beweist einerseits, daß die Russen damals noch nicht daran dachten, bleibende Eroberungen jenseits der Donau zu machen, andererseits kann sie nur darin Entschuldigung finden, daß fast jeder Ort, mit Wall und Pallisaden umgeben, eine Belagerung erfordert, wenn türkischen Haufen denseelben besetzen.