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Das Ausland. 1,2.1828

der letzten Feldzüge nicht bedeutender waren? Es sind aber bei diesen mehr als bei irgend einem andern Krieg Schwierigkeiten des Klimas und des Terrains zu überwinden, die oft ganz außer dem Calcul des Feldherrn liegen. Brennende Dürre am Tag, kühle Nächte, Mangel an frischem Wasser, schnelle Temperaturveränderungen erzeugen an der untern Donau Ruhren, Wechsel- und Faulfieber, Krankheiten, die durch unmäßigen Genuß des Obsts, besonders der Melonen, durch leichte Bekleidung, lange Standlager, forcirte Märsche, unzweckmäßige Waffenübungen gefördert, hingegen durch saure Speisen, geistige Getränke, gute Bekleidung und angemessene Thätigkeit gehemmt werden.

Für zweckmäßige Nahrung [1] des Soldaten läßt sich sorgen: das Schädliche kann man verbieten, das Zuträgliche vorschreiben und geben. So wie an Ordnung, kann man auch an Mäßigkeit gewöhnen; dem Mangel muß man vorzubeugen wissen. Nicht so leicht geht es mit der Bekleidung. Wenn der Mann in einer glühenden Atmosphäre, unter der Last seiner Waffen und seines Gepäcks frei athmen, frei gehen soll, so soll er Abends plötzlich gegen Nässe und Kühle des Bodens, gegen schädliche Luft verwahrt seyn. Alles, dessen er sich entledigt, um durch die Sandwellen bei Allibunar ungehindert zu schreiten, bedarf er augenblicklich bei dem letzten Strahle der untergehenden Sonne. Der Bewohner an der Theiß ist im Sommer, während der Feldarbeit, blos in Leinen gehüllt; am Abend deckt ihn der Pelz.

Im Allgemeinen haben die russischen Heere nie [2] in dem Maße wie die österreichischen durch die klimatischen Einflüsse gelitten. Großentheils ohne Zweifel erklärt sich diese Erscheinung aus der angemesseneren Bekleidung der russischen Soldaten, der bei weniger Paradeprunk, mit Zelten und Mänteln richtig versehen ist. Freilich werden die Schutzmittel für die Gesundheit, die Nachfuhr der Vorräthe in unfruchtbaren Strecken und die vermehrte Geschützzahl, deren man zur Bezwingung vieler Befestigungen bedarf, ein unendliches Fuhrwerk erfordern; zum Glück aber kann man auf diesem Schauplatze Zug- und Lastthiere eines unzähligen Trosses ohne Verlegenheit ernähren. Es grenzt an das Unglaubliche und doch ist es wahr, daB Münichs Armee 1736 in der Krym neunzigtausend Wagen in ihrem Gefolge zählte, worauf sie nicht nur Mehl und Brod, sondern alles, was die Natur den Steppen versagt, namentlich Wasser und Holz mit sich führte. Wasserfässer bedienten sich nachher die Russen statt der Bruckschiffe.

Werfen wir nun, um uns das Bild des Türkkenkriegs zu vervollständigen, einen Blick[3] auf die Lage der Donaulandschaften und der sonst hier in Frage stehenden Provinzen des türkischen Reichs. Wenn ber Reisende von Hermannstadt durch den Rothenthurmpaß, das enge Waldthal hinab an dem Städtchen und Kloster Argisch vorbei, nach Pitesti gekommen ist und das mit Reben bebaute Vorgebirg erstiegen hat, so liegt die steppenartige Ebene der Mallachei vor ihm. Viele Flüsse und Bäche strömen aus dem Hochgebirg der Donau zu: bei trockener Zeit größten Theils durchwatbar, bei jedem Regengusse aber aus den Ufern tretend. Die Gemeinschaft, durch schlechte Brücken und Furten unterhalten, ist daher Zufällen unterworfen, und die Wege auf fettem Boden sind im der Nässe grundlos.

Die ganze Ebene, mit kurzem Eichengestrüpp bewachsen, ist der Auswuchs jener Wälder, die man der Viehzucht wegen verbrannte. Diese ist in der Wallachei, sowie in der Moldau und in Bessarabien, der Hauptnahrungszweig der Bewohner. In den beiden letztern Provinzen aber, denen Galizien und die Bukowina ihre Gewässer, den Sereth, Pruth und Dniester, zusenden, erscheint der mit tiefen, von Norden nach Süden parallel laufenden Thälern durchschnittene Boden als eine große Waide ohne Strauchwerk, Hier leben die Bewohner herumschweifend in tragbaren Hütten, so wie die Wallachen in Hütten unter der Erde, die sie jedoch, als halbe Nomaden, auch öfter wechseln.

Die Moldau, weil sie europäischer Kultur am nächsten liegt, weist noch die meisten festen Wohnsitze auf; sonst gelten auf Karten von der Wallachei nur diejenigen Orte wirklich‚ die eine Kirche oder ein Kloster zum Kerne besitzen. Der Ackerbau beschränkt sich auf die Pflanzung des türkischen Waizen. Der üppige Graswuchs

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_429.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2023)
  1. Eine Hauptursache von Krankheiten bei russischen Heeren ist das Fasten, welches der Soldat nach griechischem Brauch beinahe drei Viertheile des Jahres zu beobachten hat. Oesterreichische Feldärzte bestätigen dieß. Nach vielfachen Erfahrungen scheinen ihnen wenige Nahrungsmittel so schädlich als Fische aus den Sumpfgewässern des Banats, und heute noch greifen an der österreichischen Militärgrenze während der griechischen Fastenzeit die Krankheiten mehr als sonst um sich.
  2. Uebrigens starben von dem 54,000 Mann starken Heere Münichs 1736, zwar nicht durch klimatische Einflüsse allein, sondern auch als Folge des Mangels und unnützer Anstrengungen, 30,000 Mann. Dagegen bei dem österreichischen Heere im Banate, welches im August 1788 bei 36,000 Streiter zählte, erkrankten vom 4 bis 12 d. M. 2661. Verminderung der Tageshitze wirkte im Spätjahr vortheilhaft auf die Gesundheit. Weniger litten die Oesterreicher in Kroatien, Siebenbürgen und der Moldau.
  3. Die Mehrzahl der Karten ist unbrauchhar. Eine Ausnahme machen: Der europäische Theil des türkischen Reichs von E. G. Reichard. Nürnb: 1823. Carte générale de la Turquie d’Europe par Guillaume de Vaudoncourt 1818. Carte générale de la Turquie d’Europe en XV feuilles dressée sur les matériaux rassemblés par M. le Lieutenant- Général Comte Guilleminot etc. Par. 1822.