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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 104. 13 April 1828.

Das Land Walo

aus Rogers Memoiren über Senegambien. [1]

Das Land Walo liegt auf dem linken Ufer des Senegal, nahe an dessen Mündung. Bis jetzt nur wenig bekannt, nimmt es nun eine größere Aufmerksamkeit in Anspruch, seitdem die Franzosen daselbst freie Colonial-Niederlassungen gründeten, deren unberechenbare Ausdehnung und Folgen einen so großen Einfluß auf diesen Theil Afrika’s ausüben können.

Die Bevölkerung, aus Ghiolof-Negern bestehend, ist wenig zahlreich. Sie ward vernichtet oder zerstreut durch lange innere Kriege, hauptsächlich aber durch die frühern Einfälle der Mauren, welche durch eine falsche Politik der Engländer, damals der Herren des Senegal, begünstigt wurden.

Die topographischen Details über diese Gegend finden ihre Stelle anderswo. Hier sollen blos einige Bemerkungen gegeben werden über die Regierung und den politischen Zustand des Landes, so wie über die Sitten und Gewohnheiten der Einwohner.

Walo wird durch einen König regiert, der den Titel Brak führt. Der Pater Labat hatte behauptet, dieser Ausdruck bedeute: König der Könige, und alle Schriftsteller haben diesen Irrthum mit hundert andern stets von neuem wiederholt. Die Walos wissen nichts von einem solchen pomphaften Titel, den man in Europa ihrem Herrn beilegt.

Ihnen zufolge war Brak der Name des ersten ihrer König, und sein Nachfolger machte sich eine Ehre daraus, gleichfalls diesen Namen zu tragen, wie die römischen Kaiser sich Cäsar und Augustus nennen ließen.

Man hat eben so oft die Behauptung wiederholt, die Krone gehe, statt auf die Kinder des Königs, stets auf die Kinder seiner Schwester über, was ein treffliches Mittel sey, sich zu vergewissern, daß man Prinzen von demselben Blut habe: allein nichts spricht dafür, daß die Walos ihre Vorsicht und ihre Liebe für die Reinheit des Geschlechtes so weit reiben. Mit einer Umsicht, welche die Aufmerksamkeit unserer Publicisten verdient, suchten sie blos sich vor den Uebeln zu schützen, die gewöhnlich im gefolge einer Minderjährigkeit oder einer Regentschaft entstehen, zu welchem Ende sie folgende Ordnung feststellten. Beim Tode eines Königs folgen ihm sein Brüder nach der Reihenfolge der Geburt. Ist diese Reihe ausgestorben, so kehrt das Recht der Krone auf den ältesten Sohn des ersten Bruders zurück, sodann auf den Erstgebornen des zweiten, u. s. f. Auf diese Weise ist man wenigstens stets sicher, daß der Thronfolger die Jahre der Kindheit überschritten hat. Blos Prinzen, von Frauen aus dem königlichen Geblüt geboren, haben ein Recht auf den Thron; die Kinder von andern Frauen und von Concubinen sind davon ausgeschlossen. In der letzten Zeit machten sich zwei Familien die Krone streitig, bis sie, nach langen innern Kämpfen, übereinkamen, daß die Männer der einen Familie stets die Frauen der andern, und so umgekehrt, heirathen sollten; daß ferner die Ehmänner der Schwestern abwechselnd mit den Brüdern succediren, und endlich blos die aus diesen Allianzen gebornen Kinder ein Recht auf die Krone haben sollten. Die Frauen können nicht persönlich regieren, üben aber als Gattinnen, und noch mehr als Königinnen-Mütter sehr häufig einen großen Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten aus. Auch ist die Erbfolge keineswegs so streng, daß man sich nicht in bestimmten Fällen Abweichungen davon erlaubte. Die Ersten des Volks haben die Pflicht, darüber zu erkennen, ob der legitime Thronfolger im Stande ist, die Zügel des Staats zu ergreifen. Ist er blind, kränklich, zu jung, kann er kein Pferd besteigen, kein Gewehr abdrücken, so geht sein Recht auf einen andern über. Daher schreibt es sich, daß der Prätendent genöthigt ist, seinen Wählern Geschenke zu machen, wofür er sich übrigens, wenn er einmal gewählt ist, bei Anstellung einer großen Anzahl von Würdeträgern trefflich zu entschädigen weiß.

Die Krönung des Braks gibt zu vielen Ceremonien Anlaß, welche auf den ersten Anblick lächerlich scheinen, aber alle einen allegorischen Sinn und meist einen guten Grund haben. Der Königs muß dabei gleichsam die verschiedenen Stände der Gesellschaft durchlaufen, um sich die Lehre einzuprägen, daß er alle kennen und alle beschützen müsse.

Ungeachtet z. B. die Fischer in diesem Lande eine verachtete


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_431.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2023)
  1. Diese Notiz, deren Druck die geographische Gesellschaft in Paris angeordnet hat, macht einen Theil des in kurzem erscheinenden Werkes aus: Mémoires descriptifs, philosophiques et politiques sur la Sénégambie; par M. le Baron Roger, ex-gouverneur de la colonie française du Sénégal.