Seite:Das Ausland (1828) 434.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828


Mahommed II, der es mit den Angriffsmitteln in’s abentheuerliche trieb, und mit 250,000 Türken gegen 5,000 Verteidiger kämpfte, nahm Konstantinopel nach einer Belagerung von drei und fünfzig Tagen.


Der religiöse Zwiespalt unter den Armeniern.


(Schluß.)

Und so geschah es, daß die armenische Nation, ungeachtet aller frühern und spätern Vereinigungs-Versuche, in zwei, ziemlich ungleiche Theile sich spaltete, in die eigenthümliche, selbst von den syrischen Jacobiten im Einzelnen sich unterscheidende Kirche Armeniens, und in die nur eine geringe Anzahl ausmachenden Unirten. Die Pforte beobachtete gegen beide Parteien die althergebrachte Politik nicht-christlicher Staaten; während sie die schismatischen, dem Abendlande feindlich entgegenstehenden Armenier auf alle Weise unterstützte und ihnen im Handel und Wandel manche Privilegien ertheilte, wurden die katholischen beständig mit mißtrauischen Augen angesehen. Ihre mannigfachen Verbindungen mit dem Abendlande waren dem Divan verhaßt, und vergebens brauchte man alle Mittel der Bedrückung, um sie mit der monophysitischen Kirche auszusöhnen. Durch kirchliche Verhältnisse eng mit dem Abendlande verbunden, lernten die Unirten europäische Wissenschaft und Kultur kennen und schätzen, und entfernten sich dadurch immer mehr von ihren barbarischen Herrschern, während im Gegentheile die Heterodoxen Allem, was ihnen von Europa geboten wird, feindlich entgegentraten, fürchtend, es möchten dadurch ihre kirchlichen Ansichten, es möchten ihre kirchlichen Freiheiten untergraben werden. Die wissenschaftlich gebildeten Männer der Nation, deren es freilich nicht sehr viele giebt, finden sich daher gewöhnlich unter den katholischen Armeniern in Kleinasien, in Constantinopel und an verschiedenen Orten Europas, wo sich Gemeinden niedergelassen haben, die in Italien (St. Lazaro), in Siebenbürgen, in Polen und Ungarn. Die Jesuiten konnten mit all ihrer Feinheit und Schlauheit nur Einzelne zur römisch-apostolischen Kirche herüberziehen, und auch die protestantischen Missionen sind bis jetzt noch ziemlich unfruchtbar geblieben. Zwar lesen wir in einigen ihrer Berichte, daß der Herr sich offenbar der armenischen Nation erbarme, und daß viele Vorzeichen ihrer Erleuchtung erschienen seyen, – nur zu oft treten aber in Missionsberichten die Wünsche und das Streben Einzelner an die Stelle der Wirklichkeit. Wird es wohl ein leichtes Unternehmen seyn, der armenischen Bevölkerung von Cäsarea, Ancyra, Amasia, Cura-Hissar, Bunsa und Coromania für das evangelische Christenthum einige Empfänglichkeit einzuflößen? Ist das Volk nicht so tief zu seinen barbarischen Herren herabgesunken, daß es, nach der Denkschrift des armenischen Patriarchen zu Petersburg, Seraphim Petrovitsch, seine eigene Sprache vergessen, und selbst im Schreiben, gerade wie die Juden, nur die eigenthümlichen Charaktere aus dem nationalen Schiffbruch gerettet hat? Ein freudiges Zeichen ihrer Empfänglichkeit: für Religion und Kultur ist die Begierde, mit der sie die heilige Schrift aufnehmen und lesen; die verschiedenen Schreiben der englischen Bibelgesellschaft enthalten hierüber zahlreiche und rührende Beweise. Ein Armenier zu Calcutta soll der dortigen Filial-Gesellschaft 500 Rupien gegeben, und dabei erklärt haben, daß er auf alle Weise auch in Zukunft die Zwecke der Bibelgesellschaft unterstützen werde. Außerhalb Europa befinden sich auch in Kleinasien, wie wir oben schon bemerkten, mehrere katholischen Armenier, wie zu Angora, (dem alten Ancyra, wohin bekanntlich die unglückseligen Unirten aus Constantinopel vertrieben wurden), und zu Aleppo. Hier hat Dr. Staines, ein Abgeordneter der englischen Bibelgesellschaft, 8000 katholische Armenier gefunden; nicht viel weniger zählte Angora. Diese Stadt liegt auf drei Hügeln, und ist mit Wällen umgeben; sie enthält ungefähr 2400 Häuser, wovon bei 1500 allein von den unirten Armeniern bewohnt werden. In die übrigen tausend Häuser theilen sich die schismatischen Armenier, Griechen und Juden. Die Armenier in Aegypten, die gewöhnlich die Bankiers der Regierung sind, gehören sämmtlich zur monophpysitischen Kirche, und haben einen besondern Patriarchen zu Cairo.




Die Brücke von Buffalora.

Wir haben bereits bei einer frühern Gelegenheit die Beschuldigung zurückgewiesen, die so vielfach gegen das österreichische Gouvernement in Italien erhoben wird, daß es aus kleinlichen Rücksichten alle die großen, unter Napoleons Herrschaft begonnenen Unternehmungen unausgeführt lasse; einen neuen Beweis dafür, wie grundlos dieser Vorwurf war, gab erst kürzlich wieder die Vollendung der großen Steinbrücke über den Ticino – auf der Straße von Mailand nach Turin – die am 1ten Jan. d. Jahrs zum ersten Male eröffnet worden ist. Der Ticino, ein Emissair des Lago Maggiore – eines Wasserbeckens, das von mehr als 3000 ☐ Miglien Alpenbodens (suolo alpino) genährt wird – läuft durch ein weites und tiefes Thal von ungefähr 50 Miglien Länge mit dem außerordentlichen Gefälle von 172,633 Metres. Sein höchster Stand ist 3,60 Metres über den gewöhnlichen niedern erhaben, und bietet einen Wasserspiegel von 900, 1000 und selbst 1200 Metres Breite dar. Früher war über diesen Fluß keine andere Brücke vorhanden, als die von Pavia, nur 3 Miglien oberhalb der Mündung in den Po, gebaut gegen das Ende des 14ten Jahrhunderts durch Giovanni, Galeazzo Visconti, den kühnsten Fürsten seiner Zeit. Auf der großen Straße von Mailand nach Turin gab es nur eine Schiffbrücke, die aus 20 bis 50 und mehr Barken bestand, und ungeachtet der schweren Kosten, die ihre Unterhaltung erforderte, weder Bequemlichkeit, noch Sicherheit gewährte, und bei dem Eintreten des gewöhnlichen hohen Wasserstandes aufgelöst werden mußte. Die neue Steinbrücke ist 22 Miglien oberhalb der von Pavia, und ungefähr auf der Mitte der ganzen Linie des Ticino gelegen. Ihre Länge beträgt 304 Metres; sie hat 11 von Bogen, 24 Metres und 10 Pfeiler von 4 Metres Dicke. Die innern Mauern bestehen aus Flußkieseln und Backsteinen, alle sichtbaren Theile dagegen sind mit großen weißen Steinquadern belegt; die ganze Brücke kann daher eine der prächtigsten in Europa genannt werden. Die Kosten derselben belaufen sich auf 3,279,019 ital. Lire, von denen 2,009,019 für die Arbeiten in den Jahren 1809 bis 1813) verwandt wurden.

Biblioteca italiana, Febbrajo: 1828.


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_434.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2023)