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Das Ausland. 1,2.1828

es, daß alle Springfedern einer repräsentativen Regierung nackt und offen vor dem Blicke liegen; jeder kann sie nach Gefallen prüfen, zählen, berühren.

Wenn übrigens die ehmalige Lage unnatürlich und widersinnig war, so sollte auch die jetzige nur eine Uebergangsperiode seyn. Die Minister dürfen so wenig als die Deputirten beständig die Kniee beugen. Die Zeit wird kommen, wo man in der Kammer weder Souveräne noch Unterthanen, sondern Gleiche, Gefährten sehen wird, welche, belebt von Einem Geist, und Einer Sache ergeben, offen vorwärts schreiten und sich gegenseitig Hülfe leisten werden. Die Minister werden dann in gewisser Art die Männer der Majorität seyn, von dieser beauftragt sie zu repräsentiren; durchdrungen von ihrem Geist, lebend von ihrem Leben, werden sie kräftig seyn ohne Insolenz, human ohne Erniedrigung; sie werden die Hand weder ausrecken noch zurückziehen, weder drohen noch bitten. Dann wir auch der Ausdruck Ministerieller aufhören ein Vorwurf zu seyn; denn wenn die Unabhängigkeit es verschmäht, sich an den Wagen des stolzen Gebieters zu spannen, so kann sie es nicht verschmähen, einen wohlwollenden Freund zu unterstützen. Der Ministerielle der Majorität wird der Freisinnige seyn. So wird alles in seine natürliche Ordnung zurückkehren. Das Königthum wird in der hohen Sphäre bleiben, in die es durch die Constitution gestellt wurde; die Kammer wird den Rang einnehmen, der ihr gebührt; und vielleicht werden es die Minister selbst ehrenvoller finden, die Erwählten aus den Erwählten der Nation zu seyn, als die Begünstigten einer obscuren Vorzimmer-Intrigue.



Lyon’s Reise in Mexico.


(Fortsetzung.)

„Ich ritt,“ erzählt Lyon, „eines Tages nach Zacatecas, um einen, der den Contract mit der Compagnie nicht eingehalten, gerichtlich zu belangen. Nachdem der Angeklagte sich zum Schurken bekannt und verbindlich gemacht hatte, die bedeutende Summe, um die er uns gebracht, auszuzahlen – saßen Richter, Dieb, Kläger und Inhaber des Hauses, in dem die Sache verhandelt worden, mit einigen Freunden beider Parteien ganz friedlich und gesellig zu einem Abendessen zusammen.“

„Am 9ten Juli kam ein Trupp englischer Handwerker und Bergleute unter meinem Freunde Tindal von Real del Monte her durch Zacatecas, gerade, als am Sonntag eine große Volksmenge des Marktes wegen aus der Nachbarschaft zusammen geströmt war. Bei solchen Gelegenheiten betrinken sich die Leute gewöhnlich, werden händelsüchtig und ziehen die Messer gegeneinander. Zum Unglück mußten nun die Fremden unter ihnen erscheinen. Die Menge gerieth sogleich mit den Engländern in Händel und warf mit Steinen nach ihnen – und wäre nicht eine Abtheilung der Stadtmiliz zu ihrem Schutze gekommen, so hätte es von schlimmen Folgen seyn können. Die Zollbeamten hatten sich in ihrer Trunkenheit in den Kopf gesetzt, daß in dem Gepäcke der Reisenden Waffen verborgen seyen; sie hielten sie mitten in der Stadt an und Tindal und ich mußten heran reiten, um die Sache zu beschwichtigen. Wir gaben den Leuten, welche bereits Miene machten, über uns loszubrechen, gute Worte, und hielten sie so von Gewaltthätigkeiten ab. Sobald wir aber den Rücken kehrten, folgte uns ein halb lustiges, halb höhnische Zischen nach, und wir bekamen noch ein paar Steine mit auf den Weg. Gleich böser Wille gegen die Fremden sprach sich auch von Seiten der Bergleute in Veta aus; wo die Ausländer sich einzeln sehen ließen, wurden sie mit Steinen geworfen. Nachts geschah denn auch ein wirklicher Angriff auf die Thür des Hauses, in dem sie einquartirt waren. Vier Rädelsführer von den Angreifenden wurden aufgegriffen und gefangen gesetzt; am folgenden Morgen brachte man uns einen Anschlag, der Drohungen enthielt und an unsre Stallthüren und das Haus des Alkalden angeklebt worden war. Das Wolk in den Bergwerksdistrikten ist ausgelassener und unbotmäßiger, als da, wo es andere Beschäftigung hat. Mag dieser Satz in Rücksicht auf andere Staaten, die viele Bergwerke haben, auch bestritten werden, so viel ist gewiß, daß die Zacatecaner schlimmer sind als ihre Nachbarn. Ich glaube jedoch nicht, daß die Bergwerksinteressen der Ausländer durch diese Volkslaunen bedeutend zu leiden haben werden. Mexico ist ein neuer Staat, der erst aus einem langen Traum von Unwissenheit und Unterdrückung erwacht. Nach den vielen Fortschritten, die man bereits in den Städten bemerken kann, läßt sich von der Zukunft noch viel mehr erwarten. Nur wird der Staat Zacatecas, wie ich glaube, langsamer fortschreiten, als die Provinzen, die mehr landeinwärts liegen, da die Einwohner mehr Bigotterie und Unduldsamkeit haben, als man bei ihren Nachbarn findet. Alle Verbesserungen, von Bekennern eines andern Glaubens eingeführt, werden eine Zeitlang noch mit Mißtrauen aufgenomnmen und mit Widerwillen zurückgewiesen werden. Man wird kaum glauben, daß in einem Lande, welches man civilisirt nennt, noch ein Volk lebt, das an Lord Monboddo’s sinnreiche Schwänzetheorie glaubt. [1] Und doch ist es so, daß sie die Engländer, oder vielmehr alle Ausländer, als Juden betrachten und sie zugleich mit jenem Zubehör geziert glauben. Man findet noch viele Leute, welche steif und fest behaupten, daß unsre Steigbügel deßhalb mehr vorn an den Sätteln angebracht seyen, als man dort zu Lande pflegt, damit wir etwas vorliegen können, und so die Sättel keine Reibung mit dem Schweife des Reiters verursachen. Solchem Aberglauben sind die Mißhandlungen zuzuschreiben, die einige unsrer Landsleute bei ihrer ersten Ankunft erlitten. Das Vorurtheil des Volkes, von der unwissenden Priesterschaft genährt, ließ es alle Fremde mit eifersüchtigen Augen betrachten. Dieses Vorurtheil ist jedoch in den nördlichen Staaten größer als in andern Theilen der Republik, und mag sich großen Theils davon herschreiben, daß sie mit den Europäern in so geringem Verkehr standen, auch wird es allmählig sich vermindern mit der zunehmenden Civilisation des Landes,


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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_456.jpg&oldid=- (Version vom 1.3.2023)
  1. Eine Nonne fragte irgendwo, ob den Ketzern bei ihrer Bekehrung zum katholischen Glauben die Thierschweife abfielen!