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Das Ausland. 1,2.1828

Strafmittel gerechnet. Wo sie sich niederlassen, fressen sie nicht nur alles Grüne, sondern die Stängel von den Staudengewächsen und den Schilf der Seen ab, ja, wie wie Kalmücken behaupteten, sie zerfreßen den Filz an den Zelten. Da ihre Lagerplätze halb abgeleert sind, so sind sie dann genöthigt ihre Nahrung immer weiter zu suchen, welches um die Dämnmerungszeit zu geschehen pflegt.

Diese Gattung von Heuschrecken dient, wie die Kammheuschrecke (gryllus cristatus), welche die Speise des Täufers Johannes gewesen seyn soll und noch heute in Arabien gegessen wird, auf verschiedene Art zubereitet, mehreren orientalischen und afrikanischen Völkern zur Nahrung. In Marokko sind sie so beliebt, daß man sagt, die Preise der Lebensmittel fallen, wenn sie sich einfinden. Die Kalmücken bedienen sich nun derselben zwar nicht zu diesem Zweck, aber man erzählte uns, daß sie von Wölfen, Hunden, Antilopen, Schafen, sehr gesucht werden. Sie sind ein treffliches Mastungsmittel für diese Thiere: eine Erfahrung, die man in Sarepta vor einigen Jahren auch an den Schweinen machte, als sie sich daselbst eine Zeitlang von Heuschrecken nährten, welche in der Wolga ersoffen waren und in großer Menge ans Land gespühlt wurden.

Obiger Schwarm war in solchen Massen vorhanden, daß der davon völlig bedeckte Erdboden das Ansehn hatte, als wäre er mit langen Erbsenschooten überschüttet. Merkwürdig war es dabei wahrzunehmen, daß sie sämmtlich die Köpfe nach Westen gekehrt hatten und in dieser Richtung mit ungeheuerer Geschäftigkeit alle Grasstängel abwaideten. Im Sonnenschein schienen ihre Flügel von Silber oder Glas zu seyn und gaben einen flimmernden Glanz von sich. Wo wir durchpassirten, erhoben sie sich mit rauschendem Flügelschlag, gleich dem dumpfen Rauschen eines fernen Wasserfalls, in dichten Wolken in die Höhe und durchschwirrten dann in dunkeln Massen die uns umgebenden Räume gleich einem in großen Flocken herabfallenden Schneegestöber. Die Bahn, welche sie uns auf solche Weise durch ihr Lager eröffneten, war ungefähr zwanzig Schritte breiter als unser Zug, und wurde, wie von niedersinkenden Wolken, in der nehmlichen Entfernung hinter uns sogleich wieder geschlossen. Dabei waren sie im Auffliegen so behende, daß es schwer hielt, einige von ihnen zu erhaschen, zumal da wir während der Hitze des Tages reiseten, um welche Zeit sie besonders lebhaft sind. Den Hunden machte es Freude, unter denselben umher zu jagen und so viele, als sie konnten, aus der Luft wegzuschnappen, welches ihnen in der Abendkühle mit weniger Mühe gelang, weil sie da kaum zwei Ellen hoch über der Erde flogen.

Ein Theil der Heuschrecken befand sich noch im ersten Verwandlungszustande, in welchem sie von dunkler Orangefarbe sind, ein anderer Theil im Uebergang zum vollkommenen Zustande. Nach einigen Tagen hatten fast alle ihr Verwandlungsgeschäft beendigt und konnten sich gleich ihren Kameraden in die Luft erheben, um ihre Heerzüge nach neuen Ländern anzutreten.

Als ich einmal ausgegangen war, um Insekten zu sammeln, welches ich immer heimlich thun mußte, um den Kalmücken kein Aergerniß zu geben, wurde ich von einigen bemerkt, deren Neugierde ich durch mein öfteres Bücken rege machte, weshalb sie mir langsam entgegen kamen, um zu sehen, was ich wohl suche. Ich benutzte die Gelegenheit, sie auf das Verwandlungsgeschäft der Heuschrecken aufmerksam zu machen, welches ihnen unbekannt geblieben war, obgleich sie es hätten fast täglich beobachten können. Man sah nehmlich sehr häufig solche Heuschrecken, welche ihrer letzten Verwandlung entgegen gingen, Pflanzenhalme ersteigen und sich in verkehrter Stellung an denselben mit den Springfüßen fest halten. Nach einiger Zeit fing das Thierchen an, sich hin und her zu bewegen, dann wieder zu ruhen, als müsse es sich von einer großen Anstrengung erholen; hierauf bewegte es sich abermals heftiger, bis das Bruststück und der Kopf aufplatzten und das erneute Insekt, nachdem es die alte Hülle abgestreift hatte, in seiner höchsten Vollendung hervortrat. Nun wuchsen auch vor den Augen der Zuschauer die Flügel zu ihrer vollkommenen Länge, erstarkten und erhielten den ihnen eigenthümlichen lebhaften Glanz. Während jetzt die Knaben geschäftig waren, neue Grasstängel mit Heuschrecken herbei zu holen, wiederholten die Kalmücken unablässig ihre Verwunderungsausrufungen: Dalai-Lama! Dalai-Lama! Chair-chan! Chair-chan! Kührkü-Kührkü!

(Fortsetzung folgt.)


La Peyrouse.

Endlich hat man über das so lange zweifelhafte Schicksal dieses unglücklichen Seefahrers Gewißheit erhalten. Auf die Nachricht, daß zwei große Schiffe an einer der sogenannten Freundschaftsinseln gescheitert wären, rüstete das brittisch-ostindische Gouvernement ein Schiff, die Research, aus, um jede mögliche Auskunft über dieß Ereigniß einzuziehen. Die Nachrichten die man durch dasselbe (nach einem Brief, datirt Neu-Seeland, 7 Nov. 1827) erhielt, sind folgende. Beide Schiffe von La Peyrouse strandeten in derselben Nacht auf einem Riff im Gesicht der Insel Manicolo (40° 11’ S. B. 170° O. L.); das eine ging sogleich zu Grunde und alle, die an Bord waren, kamen um. Das andere wurde auf das Riff geworfen und ein Theil der Mannschaft gerettet. Auch von diesen wurden einige in einem Gefecht mit den Eingebornen getödtet, die übrigen bauten sich aus den Materialien des Wracks ein kleines Fahrzeug, mit welchem sie 5 Monate nach dem Schiffbruch die Insel verließen, mit Ausnahme von zwei Mann, die sich entschlossen hatten, darauf zurückzubleiben. Ihr ferneres Schicksal ist noch unbekannt. Von den beiden zurückgebliebenen, verließ der eine die Insel in einem Canoe, der andere starb erst vor drei Jahren. Daß die Schiffe französisch waren, bewiesen sogleich eine Menge Silber- und Kupferstücke, so wie verschiedene Geräthschaften mit dem französischen Wappen; aber den entscheidensten Beweis, daß jene beiden Schiffe wirklich die beiden von La Peyrouse waren, gab ein Stück von einem silbernen Leuchter, welches gefunden wurde, und das mit einem Wappen bezeichnet war, das englische Heraldiker für das der Familie de Colignon erkannten. Bekanntlich war ein Herr von Colignon, als Botaniker, an Bord der Boussole, die la Peyrouse kommandirte.

Literary-Gazette, April 12.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_486.jpg&oldid=- (Version vom 29.4.2023)