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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 118. 27 April 1828.

Die italienischen Räuber.

Aus dem Tagebuche eines deutschen Malers.

Im Frühling des Jahrs 1819 saß an einem regnerischen Tage der deutsche Freiherr R. mit dem Maler R*. im Zimmer des obern Geschosses eines Sommerhauses im freundschaftlichen Gespräch, als ein anderer jünger Maler S. (ein Schweizer) herein trat, um vom Baron, (den er erst Tages vorher kennen gelernt hatte), Abschied zu nehmen. Von dem Regen, der immer heftiger wurde, zurückgehalten, verweilte S. länger, als er beabsichtigt hatte. Die Donnerschläge, welche dem vereinten Feuer ganzer Batterien gleich, das Geräusch der herabstürzenden Wasser-Massen unterbrachen, erschütterten das Haus im tiefsten Grund. Dieses lag einsam in einem Garten am Saume des Waldes, der einen sehr hohen Berg bedeckt, eine Viertelstunde von dem Städtchen Olevano. Plötzlich klopfte es heftig an der Thüre. Der Maler R*. welcher derselben zunächst saß, stand auf, öffnete, und blieb erstarrt vor Schrecken und sprachlos stehen, denn zwei hohe Gestalten, mit grimmigen sonneverbrannten Gesichtern, in zerfetzte Mäntel gehüllt, die vom Regen troffen und aus denen Gewehre hervorblickten, traten ihm entgegen und fragten mit rauher Stimme: dove è il Signore? (wo ist der Herr?) Der Freiherr, der der Bequemlichkeit wegen in bloßen Hemdärmeln da saß, sprang auf, antwortete schnell gefaßt: lo chiamo io! (ich will ihn rufen) und eilte, gleich als sey er ein Diener, an ihnen vorüber, die nächste Treppe hinab in den Garten, wie ein Pfeil, trotz seiner Beleibtheit, über den abhängigen schlüpfrigen Grasboden hinweg, und setzte eben mit der gewaltigen Kraft, die man nur im Augenblick einer so gefahrvollen Lage besitzt, über eine hohe Hecke; als der eine der Räuber, dem dieß verdächtig erschien, ihm nachsetzend das Gewehr anlegt, eben im Begriff auf ihn zu schießen, ausgleitet und auf den Boden stürzt. Während dem nun oben im Zimmer sich der zweite Räuber dem hinter dem Tische sitzenden jungen Schweizer näherte, schlüpfte R*. zur Thüre hinaus, in der Hoffnung, gleich dem Baron zu entkommen. In dem Augenblick, wo er zum Hause hinaustritt, rafft der Räuber, welcher außerhalb desselben niedergestürzt war, sich auf, erblickt R*., hält ihn fest, und stößt ihn wieder in das Haus hinein. R*. tritt nun zagend in die Küche im untern Geschoß, wo der Bediente des Barons beschäftigt ist, und ruft diesem mit allen Zeichen des Schreckens in den Mienen zu: Um Gotteswillen, es sind Räuber im Hause! Jener antwortet aber ganz kaltblütig: Still, da steht auch einer! und setzt seine Arbeit fort. Nun erblickt R*. den dritten Räuber ebenfalls, der jedoch ganz ruhig bloß Wache zu halten scheint, und die beiden nicht hindert, in das obere Stockwerk hinauf zu gehen. R*. kehrt in das Zimmer zurück, er findet es leer, zum Fenster hinaussehend sieht er, wie S. und der Sohn des Hauswirths die Hände auf den Rücken gebunden, mit Kolbenstößen von 5 Räubern unter dem unaufhörlich fortströmenden Regen schnell bergaufwärts getrieben werden, er selbst, scheint es, war von ihnen vergessen worden. Im Eingang des Waldes durchsuchten die Räuber die beiden Gefangenen, nahmen dem Maler Börse, Uhr und Brieftasche; und weiter aufwärts gehts ohne Rast, so schnell, daß S., obschon stark von Körperbau und des Bergsteigens nicht ungewohnt, dennoch nach einer halben Stunde athemlos auf einen Steinblock hinsinkt und erklärt, er müsse ausruhen, sollten sie ihn auch niederstoßen. Eine kurze Frist wird ihm gestattet, dann gehts wieder rasch und rascher aufwärts; immer heftiger strömt der Regen, rollt der Donner, und fast unerklimmbar sind die schlüpfrigen Wege geworden; da gebietet endlich der Anführer Halt!

Es war etwa auf der Hälfte der Höhe des ganzen Berges (bis zu dessen Gipfel 3 Stunden Weges sind) an einer schauerlichen Stelle, welche die rothe Mauer heißt, (Mura rossa) einem gewaltigen weit überhängenden Felsen von rothem Granit, unter dessen Schutz die Räuber sich auf einen Augenblick lagerten, und dem Maler die Hände losbanden. Der Räuberhauptmann fragt mit starker widriger Stimme: Sapete da scribere? (Könnt ihr schreiben?) S. bejaht es; da reißt jener ein Blatt aus der geraubten Brieftasche, greift von der Erde ein spitzes Stückchen Holz auf, gießt aus seinem Pulverhorn etwas in die hohle Hand, und läßt ganz gemächlich, indem er nur den Kopf etwas beugt, Wasser vom Hut hinein tropfen, rührt es um, so daß es statt Dinte dienen kann, und reicht es nebst dem Blatt dem Maler. Diesen hatten indessen sämmtliche Räuber umringt. Der Hauptmann hielt ihm die Spitze des Dolches in’s Genick, zwei andere hatten die Messer nach den beiden Seiten seines Halses gerichtet, und ein Dritter schlug das Gewehr auf seine Brust an, und brüllte: scribete! (Schreibt!) Alle schrien unter einander, indem jeder etwas anderes verlangte. S. faßte sich soweit, daß er bat, es sollte nur Einer reden; darauf gebot der Hauptmann Stille, und diktirte: <ttCarissimo

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 469. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_487.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)