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Das Ausland. 1,2.1828

er von unsrem Boten zuvor genau erfragt. Wirklich trank er fünfzehn Gläser, unsern ganzen noch übrigen Vorrath, glasweise und im Thee aus, bis auf einen kleinen Rest, den er mit nach Hause nahm. Darauf verlangte er unsre Handscharen zu sehen, und mit den Worten „wir tauschen“ nahm er den meinigen, einen sehr schönen persischen, und warf mir seinen schlechten dafür hin. Schon war eine unserer Tabackspfeifen eingebüßt, und Dschirgal probierte eben einen sareptischen Rock an, als der Rausch, der sich allmälig bei ihm einstellte, dem weitern Tauschhandel ein Ziel setzte. Jetzt sollten unsre Knechte singen und tanzen; indeß, als sie sich mit ihrem Unvermögen entschuldigten, erging dieser Befehl an seine Edelknaben, die vor ihm knieten und mit der größten Aufmerksamkeit auf seine Winke lauschten, während sie von ihm zuweilen Stücke Pfefferkuchen zugeworfen bekamen. Sie stimmten ein kalmückisches Räuberlied von einem gewissen Schushing-Saloh an, der zuletzt von den Russen gefangen und nach Sibirien geschickt worden war.

Wir erfuhren nachmals, daß Dschirgal wegen seiner Lüderlichkeit, Raub- und Mordsucht, nachdem er anfangs als der Aelteste die ganze Horde beherrscht hatte, seines Regiments entsetzt worden war und nur noch zusammengelaufenes Gesindel um sich her versammelt hielt.

Ehe wir zu Otschirs Hoflager gelangten, berührten wir einen Theil der Horde des Fürsten Zerren-Ubaschi, mit deren oberstem Geistlichen, Bakschi-Sama, wir Bekanntschaft machten. Der Bakschi (Lehrer) schien ein freidenkender Mann zu seyn, und auch unter dem zahlreichen Haufen seiner Geistlichkeit bemerkten wir eine Offenheit und Geradheit, die wir zuvor nicht getroffen hatten. Da der Bakschi bei all seiner Gelehrsamkeit die mongolische Schrift [1] nicht gut lesen konnte, so ließ er einen Gellong, Namens Zürüm kommen, der einige Stellen aus unsern Büchern mit ihm las. Zürüm, der sich eine Zeitlang in Astrachan aufgehalten, kannte die Evangelien genau, und wußte sogar die Kapitel auswendig. Der Bakschi-Sama gab uns einen jungen Gezüll als Boten mit, der eine ausgezeichnet große Falbe, ob sie gleich den Göttern geheiligt war, ritt, weil dieselbe das einzige Pferd war, welches der Churull noch besaß, nachdem Räuber ihm mehr als hundert Stück weggetrieben hatten. Wir waren noch nicht weit gekommen, als Zürüm uns in vollem Galopp auf dem Pferde des abgelösten Boten nachsprengte, um sich einige Bücher von uns zu erbitten: die erste erfreuliche Erscheinung, die uns für den Erfolg unserer Reise etwas hoffen ließ. Bei einem reichen Kalmücken, Namens Oelsöhtä (der Glückliche) machten wir Mittag. Abends brachen wir wieder auf; Oelsöhtä begleitete uns selbst. Da er Nachricht hatte, daß einige Kosacken, welche in Geschäften des Oberpristaws reisten, vorbei kommen würden, wobei sich dieselben jeder Zeit die Freiheit nehmen, frische Pferde, und zwar die besten, einzufangen, so sahen wir ihn die in dergleichen Fällen üblichen Maßregeln nehmen. Er ritt schnell auf verschiedene Anhöhen und gab ein Zeichen nach den Schluchten hin, worauf in wenig Minuten der ganze Bergrücken mit Pferdeheerden von mehr als tausend Stück bedeckt war, die gleich dem Brausen des Sturms über denselben hinflogen und bald nach abgelegenen Schluchten entschwanden.

(Forts. f.)

Briefe aus Persien.


(Fortsetzung.)

Freitag den 26 Oct. Früh am Morgen erfuhr ich bereits, daß Ala yar Khan gefangen genommen worden war. Als er die Stadt verließ, schlug er anfangs die große Straße nach Teheran ein; aber – ob er die Lust verlor, sich dem Schah zu zeigen, oder ob er fürchtete, bei Tage erkannt und verfolgt zu werden – ehe er noch aus den Gärten hinaus war, suchte er eine Zuflucht in dem Hause von Mirza Dschabbur, einem frühern Vertrauten des Sirdar von Erivan. Unglücklicher Weise war dieser Mann ein Bekannter der Söhne des Khans von Merand, die sogleich von dem Platze, wo der Assuf verborgen war, unterrichtet wurden. Eine Abtheilung Kosacken wurde eilends abgesandt, sich seiner Person zu versichern. Ala yar Khan, als er das Haus umringt sah, versuchte Widerstand zu leisten und feuerte seine Pistolen ab; doch wurde er gefangen, ohne den geringsten Schaden gethan oder erlitten zu haben. Ohne Zweifel war er der Haupturheber dieses Krieges, und es ist wahrscheinlich, daß er auch der letzte gewesen seyn wird, der in demselben gefochten hat. –

Wir wurden unterrichtet, daß General Arristaff die brittischen Offiziere zwei Stunden vor Mittag in seinem Lager zu empfangen wünschte. Wir gingen dahin und fanden die Infanterie und eine Abtheilung abgesessener Cavalerie in einem hohlen Viereck aufgestellt, in dessen Mitte der Stab und andere Gruppen von Offizieren versammelt waren, um den General zu erwarten. Nach einer halben Stunde kam dieser aus seinem Zelt, und ging schnellen Schritts vor der Fronte eines jeden Bataillons vorüber, um ihnen Glück zu wünschen zu der Einnahme von Erivan, oder nach russischer Sitte, sie zu befragen, ob sie wohl wären. Er begab sich darauf in die Mitte des Carrés, wo ein Altar aufgerichtet worden und ein russischer Priester bereit war, den Gottesdienst zu verrichten. Ich hörte, daß eine Messe gelesen wurde, weil der Geburtstag der Kaiserin Mutter sey. Während der ganzen Zeit des Gottesdienstes stand Aga Mir Fatha, der erste mahommedanische Priester, nahe bei dem General; der Kadi der Stadt und andere Mollahs waren gleichfalls gegenwärtig, erschienen aber erst ungefähr eine Viertelstunde, nachdem die Gebete angefangen hatten. Es wurde ihnen eben keine besondere Aufmerksamkeit erwiesen und ein General bemerkte, daß sie uneingeladen gekommen wären. Nachdem der Gottesdienst beendigt war, brachen die Truppen in Colonnen ab und defilirten bei uns vorüber. Es waren nicht mehr als 2500 Mann Infanterie, 200 donische und 200 casanische Cosacken und einige Uhlanen. Das Benehmen des Fürsten Arristaff und der


  1. Sie lernen gewöhnlich blos ihre Kirchensprache, und auch in Aerdänis Horde fanden wir nur Einen, der mongolisch schrieb.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_489.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)