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Das Ausland. 1,2.1828

russischen Offiziere gegen uns war äußerst zuvorkommend und freundlich. Am Abend wurde das große verfallene Gebäude in der Citadelle durch Fackeln illuminirt, die auf den Zinnen gestellt waren.

Sonnabend am 27ten. Das russische Corps vertauschte seinen Standpunkt mit dem offenen Platze hinter der verfallenen Moschee am Thore von Teheran; acht Zwölfpfünder waren gegen die Stadt gerichtet. – Der Palast des Prinzen (Abbas Mirza) war vor Arristaffs Ankunft geplündert worden. Die Beute der Russen wäre sonst sehr reich gewesen; in den Frauengemächern waren, wegen Mangels an Zugvieh, die reichsten Betten, Silbergeschirr, kostbare Teppiche u. s. w. zurückgelassen worden, deren sich die ersten Plünderer bemächtigten. Als der General in die Stadt einzog, hatte er nur ein kleines Detachement Uhlanen und Cosacken in seiner Begleitung; so viele von diesen entbehrt werden konnten, wurden als Schildwachen an die Haupteingänge des Palastes gestellt. Als wir den Palast besuchten, war noch keines von den Gemälden in dem großen Audienzsaal beschädigt worden. Bei der Rückkehr des Generals in das Lager drang indeß eine Menge von dem Pöbel der Stadt und vermuthlich auch einige von den zerstreuten Merandern und Nukschiwanern durch die unverwahrten Eingänge ein, oder überstiegen die Mauern und verübten jede Art von Ausschweifungen. Die Fenster in vielen Theilen des Gebäudes wurden zerschlagen, die Spiegel zerbrochen, die Gemälde zerrissen und die Bosheit so weit getrieben, daß sie den Porträts des Schahs und des Prinzen die Augen mit Messern ausschnitten. Die Plünderer waren zu zahlreich, um von dem wachhabenden Offiziere, der nur geringe Mannschaft hatte, mit Gewalt zurückgetrieben werden zu können. Als indessen das Werk der Zerstörung im Innern des Palastes, der von großem Umfang ist, begonnen hatte, und der Offizier dieß durch den Lärmen, der dabei gemacht wurde, bemerkte, so eilte er herbei, um weitern Unfug zu verhüten; und die Elenden ergriffen die Flucht, obgleich er nur von zwei oder drei Soldaten begleitet war. Die Ankunft des Bataillons verhinderte fernere Unordnungen. – Auch die Häuser der vornehmsten Civil- und Militärbeamten des Prinzen wurden an dem Tage, an dem die Russen ankamen, geplündert, und in der Nacht darauf eine Menge Räubereien in der Stadt verübt; das Benehmen der russischen Truppen indeß war in jeder Beziehung ordentlich und achtungswerth.

Sonntag den 28ten. Ich wurde diesen Morgen unterrichtet, daß die Merand- und Nukschiwan-Reiter, welche der Familie des Prinzen nachgesetzt hatten, sie bei dem Sluttel-Paß erreichten, diesen aber durch die Infanterie von Masanderan, die jener zur Bedeckung diente, besetzt fanden. Bei dem Versuch, das Defilee zu erzwingen, wurden viele der Verfolgenden getödtet. Sie suchten jetzt andere Passagen durch das Gebirge und bekamen bald das Harem zu Gesicht. Banger-khan Dschellibiunlu deckte mit den Reitern seines Stammes den Rückzug desselben. Es gelang ihm, die Feinde zurück zu treiben; doch verlor eine der Frauen des Prinzen mehrere Packwagen. Die russischen Offiziere erklären, daß sie keinen Befehl gegeben hätten, die Familie des Prinzen zu verfolgen. Die Söhne des Nussur Ali Khan hatten den General gedrängt, eine Abtheilung Cavalerie zu entsenden, da ihre Frauen, die zu Geiseln genommen worden waren, wahrscheinlich mit denen des Prinzen fortgeführt wurden. Da aber damals Tauris angegriffen werden sollte, so konnte kein Mann entbehrt werden, um die Wünsche eines Einzelnen zu erfüllen. Die Söhne des Khan waren über die Gleichgültigkeit, die man in Bezug auf die Frauen zeigte, sehr entrüstet; und ungeachtet der Einwendungen, die ihre eignen Leute machten, brachen sie am 27ten von Suhillan auf, um diese theuren Unterpfänder wieder zu gewinnen.

Mondtag den 29ten. Oberst Luzzeroff ist zum Commandanten der Stadt ernannt worden; er wohnt im Palaste. Gestern wurden mehrere Offiziere beauftragt, den Rest von dem Eigenthum des Prinzen mit Beschlag zu belegen. Die Einwohner fangen an, über ihr kleinmüthiges Benehmen zu klagen; Aga Mir Fatha, der als die Hauptperson unter denen betrachtet wird, die zu Gunsten der Russen handelten, wird laut getadelt. Auf der andern Seite haben die Häupter der vornehmsten Familien von Tauris den Schutz des Kaisers Nicolaus nachgesucht und gebeten, daß ihre Stadt bei dem Friedensschlusse nicht zurückgegeben werden möge. Selbst an Freiwilligen fehlte es nicht unter ihnen, die sich erboten, ein Detaschement zu führen, das sich der Person des Prinzen bemächtigen sollte. Die Ursache ihrer Unzufriedenheit mit seiner Regierung liegt in der üblen Behandlung, die sie seit so vielen Jahren haben erfahren müssen. Sie waren aller Macht und alles Ansehens beraubt und hofften durch eine Regierungsveränderung wieder zu Einfluß zu kommen. Aga Mir Fatha, der ganz auf die Seite der Russen getreten ist, wird von General Arristaff als die erste Person der Stadt behandelt.

Dienstag den 30ten. Diesen Morgen wurden genaue Nachsuchungen gemacht, um das aus dem Palaste geraubte Eigenthum des Prinzen wieder zu erhalten. Da viele der Plünderer bekannt waren, so wurden ihre Häuser von russischen Soldaten durchsucht und ein bedeutender Theil der Effekten darin gefunden. Mirza Dschaffer, einer der jungen Männer, die auf des Prinzen Kosten nach England gesandt worden waren, um dort erzogen zu werden, war einer der eifrigsten Plünderer gewesen. – Ich hörte, daß Aga Mir Fatha heut den Fürsten Arristaff besuchte, um ihm zu entdecken, daß die Bürger einen Aufstand und die Ermordung der Russen beabsichtigten. Gewiß ist, daß von Seiten der letzteren größere Vorsicht bewiesen wird, als bisher. Die Möglichkeit des Gelingens eines solchen Anschlags kann nicht geläugnet werden, doch besitzen die Einwohner weder den Muth, noch die Einigkeit, die dazu erforderlich wären. – Die Häupter der verschiedenen Quartiere der Stadt sind für die Sicherheit der in ihren Bezirken aufgestellten Wachen verantwortlich gemacht worden.

(Fortsetzung folgt.)
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 472. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_490.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2023)