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Das Ausland. 1,2.1828

weite Strecken ungebaut blieben, und die Einwohner in großer Anzahl nach Barbar und Schendy, ja bis nach Kurdofân und Dârfur auswanderten. Hatten auch die Mamelucken die äußere Sicherheit einiger Maßen hergestellt, so dauerte ihre Herrschaft zu kurze Zeit und war selbst zu precär, als daß die Segnungen des Friedens hätten wirklich sichtbar werden können. Und nun erschien die türkische Armee, welche ihren Weg mit Mord und Verwüstung bezeichnete.

Der Hauptort von Dongola ist die Stadt gleichen Namens. Sie liegt auf einem achtzig bis neunzig Fuß hohen Felsen neben dem Nil. Sie hat keine Ringmauer, aber die Häuser der Vornehmen sind so gebaut, daß sie einzelne Gruppen bilden, von denen jede mit hohen Mauern umgeben und durch viereckige Thürme gedeckt ist, so daß gleichsam mehrere kleine Festungen neben einander stehen: ein Umstand, woraus man auf die öffentliche Sicherheit des Landes schließen kann. Durch ihre hohe Lage den Sandwirbeln der Wüste ausgesetzt, gewährt die Stadt keinen angenehmen Aufenthalt. Seitdem die Mameluckenbeys den Sitz der Regierung nach Maraka verlegt haben, sind hier kaum noch dreihundert Einwohner. Man sieht übrigens, daß die Stadt in bessern Zeiten ziemlich bedeutend war: denn ihre Ruinen, die durchgehends auf die Kopten oder auf die Araber hinweisen, erstrecken sich tausend Schritte über ihren jetzigen Umfang hinaus.

Interessanter für uns war die Insel Argo, die größte Nil-Insel, die uns bis dahin vorgekommen war. Sie ist fünf Lieues lang und man zählt auf ihr ein und zwanzig Weiler. Da ich die Alterthümer daselbst sehen wollte, so machte ich dem Melik Tumbol, zu dessen Gebiet sie gehört, einen Besuch. Ich fand ihn auf seinem Divan mit der Pfeife im Mund; sein Anzug bestand aus einem feinen cottunenen Hemd, einer kleinen Mütze von abgenähtem Zitz und langen Sandalen von Leder. Neben ihm lag sein reich mit Silber belegter Säbel, und an seinem Hals und Ellenbogen hingen kleine[WS 1] lederne Beutel mit Talismanen. Dieß ist die Landestracht in Dongola, wobei die sonderbare Anomalie auffällt, daß, während bei den Barâbra die Männer, hier die Weiber nackt gehen. Wir litten sehr Mangel an Lebensmitteln und so bat ich den Melik um eine Anweisung an das in der Nähe befindliche Armeemagazin, in der Hoffnung etwas Mehl oder Zwieback zu bekommen. Wir mußten uns aber mit einem Sack Mais und mit dürren Bohnen begnügen. Indessen stand unserer Ueberfahrt auf der Insel kein Hinderniß im Weg. Die Araber, die uns überschifften, bedienten sich dießmal zum Rudern der Ruder, nicht, wie es bei Semne im Steinthal der Fall gewesen war, der Füße.

Der Ort, wo wir landeten, hieß Tura (19° 18’ 40" nördl. Br. und 26° 23’ östl. L.) Ungefähr drei Stunden von der südlichen Spitze der Insel fanden wir den Gegenstand unsrer Neugierde. Es sind zwei kolossale Memnonsstatuen aus grauem Granit. Von dem Tempel selbst, den sie einst zierten, ist keine Spur mehr; nur ein leerer mit Bruchstücken von Sandstein bedeckter Platz, in der Richtung von Osten nach Westen vier und achtzig Metres lang, und drei und fünfzig Metres breit, bezeichnet noch die Stelle, wo einst der Tempel stand. In den beiden Winkeln des westlichen Endes liegen die Bilder umgestürzt auf dem Boden. Nach ihrer Lage zu urtheilen, standen sie sich einander gegenüber und der Tempel hatte den Eingang auf der östlichen Seite. Ihre Höhe beträgt, das Fußgestell mit eingerechnet, sieben Metres und fünf und fünfzig Centimetres; sie sind aufrecht und gehend dargestellt. Schade, daß die Arbeit nicht vom besten Stil ist; beide Colosse sind nicht unbeschädigt: der nördliche ist in der Mitte entzwei gebrochen; dem südlichen [1] fehlen die Arme bis an die Schultern und ein Stück von der Nase. Wie würden sich aber doch die Liebhaber darum streiten, wenn diese Bilder in der Nähe von Kairo sich befänden!

  1. Hiezu die lithographirte Abbildung des restaurirten Kolosses.
(Fortsetzung folgt)


Religiosität in Frankreich.


(Schluß.)

Einige Zeit darauf wurde Angelica als Laienschwester in einem berühmten Kloster der Stadt Meaux aufgenommen. Aber sie konnte sich in die Arbeiten dieses Klosters nicht finden; sie wurde krank und verließ dasselbe mit einer Taubheit, die ihr sehr lästig war. Dieses Ungemach behielt sie ungefähr sieben oder acht Monate, bis zu dem Festtage des heil. Franciscus, der in vielen Fällen für sie ein Tag des Segens geworden ist; wie wurde durch den Wein geheilt, der bei Gelegenheit der heiligen Thräne (sainte larme) geweiht worden war, die in der Abtei zu Vendome aufbewahrt wird. Diese wunderbare Heilung befestigte sie in ihren frommen Gesinnungen und sie faßte eine heilige Neigung für den Orden Unserer Frau vom Berge Carmel. Schon in ihrer Kindheit hatte sie diese Vorliebe gezeigt. Sie war entzückt, sagt ihr Biograph, wenn sie einen Carmeliter durch die Stadt Evreux gehen sah, sie folgte ihm durch die Straßen und lief hinter ihm drein, ohne zu wissen, was sie that, geleitet durch eine geheime Führung des Geistes Gottes. Sie hatte den brennendsten Wunsch, in einem armen Orte in der Nähe der Wüste der Carmeliter-Barfüßer wohnen zu können, die in der Diöcöse von Evreux, eine Stunde von Louviers ist. Die Umstände gestatteten ihr indessen nicht, diesen frommen Entschluß auszuführen.

Hier berichtet uns Boudon, daß Elias, der bekanntlich der Patron der Carmeliter-Barfüßer und Nicht-Barfüßer ist, mehrere Mal der Schwester Marie Angelika erschienen sey „mit einem Gesicht von strengem Ausdruck, das indessen für sie immer eine gewisse Süßigkeit hatte.“ Boudon, wahrscheinlich in der Besorgniß, daß diese Erscheinungen bei seinen Lesern einigen Zweifel finden möchten, erzählt eine Thatsache derselben Art, welcher man seinen Glauben nicht versagen kann, weil sie in der Geschichte der Brüderschaft der Carmeliter erzählt wird. „Eine vornehme Dame, Catharina

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: kleinen
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 498. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_518.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)