Seite:Das Ausland (1828) 529.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

werden aufgezählt, die den in dem Gebiet von Guatemala wohnenden indianischen Stämmen eigenthümlich sind. Das herrschende Volk war ein Stamm derselben Toltecas, die auch Mexico unterjocht hatten, und ihre Eroberungen weit in Guatemala ausdehnten, wo sie die Tschitschimecas, die ursprünglichen Bewohner des Landes unterjochten. Nach den indianischen Sagen verließ, unter der Anführung von Nimakitsche, eine zahlreiche Schaar Totecas Tula in Mexico, um sich neue Wohnsitze in einem weniger dicht bevölkerten Lande zu suchen; und nach mannigfaltigen Wanderungen siedelten sie sich zuletzt an den Ufern des Sees von Atitan an. Auf Nimakitsche war indessen sein Sohn Aechopil gefolgt, der seinen Stamm zu Ehren seines verstorbenen Vaters den Namen Kitsche [1] annehmen ließ. Er theilte seine Eroberungen in drei Theile und nahm selbst seinen Sitz zu Utatlan, der Hauptstadt der Kitsches. Seinem ältesten Sohne Jiutemal gab er das Königreich der Katschikeles oder Guatemala, und seinem zweiten Akchikat verlieh er das der Zütugiles oder Atitan. Diese Theilung bestand unter mehreren mehr oder minder bedeutenden Uneinigkeiten bis zu der Eroberung von Mexico durch Cortez, zu dessen Zeit ein Fürst, Namens Tecum Ucum in Utatlan regierte. – Juarros, der diese Geschichten erzählt, gibt als seine Quelle handschriftliche Chroniken von den Kaziken der Kitsches, Katschikeles und anderer Indianer an, die, nachdem sie von den Spaniern unterjocht waren, gleich dem Sohne Montezumas in Mexico und dem Inca Garcilasso in Peru, die traurige Pflicht gegen ihre Voreltern erfüllten, die Sagen von ihrer Größe in der Sprache ihrer Ueberwinder aufzuzeichnen. –

Guatemala wurde von Petro de Alvarado, einem der Offiziere von Cortez unterworfen. Dieser verließ Mexico im J. 1523 an der Spitze von 300 Spaniern und einem zahlreichen Corps von mexicanischen Hülfstruppen, Tlascaltecas und Tscholutecas. Neben ihm führten zwei andere erprobte Offiziere, Pedro de Portocarrero und Hernan de Chares, das Commando. Sie konnten die Eroberung des Landes nicht ohne manche blutige Schlacht vollenden, wobei freilich der Verlust immer auf Seiten der Indianer war, doch auch die Spanier nicht ohne Schaden davon kamen. Den hartnäckigsten Widerstand leisteten die Kitsches in den Districten von Sutschiltepeka und Kezaltenango, wo die Indianer noch bis auf diesen Tag die lebendigste Erinnerung von dem Unglück ihrer Voreltern erhalten haben. Ein Fluß fließt durch diese beiden Provinzen in das stille Meer, der im Anfang seines Laufes den Namen Siguila, zu Ende desselben Zamalä trägt; in der Mitte dagegen heißt er Chikigel oder der Blutstrom, weil er von dem Blute der Indianer, die hier an seinen Ufern fielen, der Sage nach, ganz roth gefärbt worden war. Sie griffen die Spanier mit der Wuth der Verzweiflung an; eine große Menge von den Hülfstruppen derselben wurde erschlagen. Die castilischen Reiter wurden so dicht umdrängt, daß einige der tapfersten Indianer sie von ihren Pferden zu reißen versuchten. Aber die geharnischten Teules (Götter, wie die unglücklichen Indianer sie nannten) eröffneten ein Musketenfeuer auf die gedrängten Massen der halbnackten Kitsches, die sie umringten, und richteten ein unermeßliches Blutbad unter ihnen an. Eine Reihe ähnlicher Schlachten folgte, ehe Alvarado den entschlossenen Muth der Kitsches zu brechen und ihren Bund aufzulösen im Stande war. Als ihr König Tecum Ucum in der Schlacht erschlagen worden und die bravsten seiner Begleiter an seiner Seite gefallen waren, nahmen sie zu einer List ihre Zuflucht, die als ein Beispiel großartiger Aufopferung in der Geschichte der Völker ewig aufgeführt zu werden verdient. Sie lockten die Spanier, indem sie den Schein der Unterwerfung annahmen, nach Utatlan, der Residenz ihrer Fürsten, angefüllt mit prächtigen Gebäuden, die an Glanz – nach den einstimmigen Aussagen der Schriftsteller – kaum durch die Paläste von Mexico und Cusco übertroffen wurden und so volkreich waren, daß der Sache nach allein aus ihren Mauer siebenzigtausend Streiter den Spaniern entgegenzogen. Nur ein Thor führte in die Stadt und eine Pforte, von der man auf einer engen Treppe hinabstieg. Die Kitsches weihten ihre Hauptstadt den Flammen, um die Spanier zu vernichten, wenn sie in dieselbe eingezogen wären. Und wenn nicht die Verrätherei eines andern Stammes die Spanier gewarnt hätte, so wäre Alvarado mit seinen Begleitern unter den rauchenden Trümmern von Utatlan begraben worden.

Aber das Schicksal hatte es anders beschlossen, und Alvarado fügte Siege zu Siegen, bis er völlig Meister des Landes wurde. Da er bei den Katschikeles, nach der Unterjochung der Kitsches, keinen Widerstand fand; so machte er ihre Hauptstadt im J. 1524 zum Sitze seiner Regierung und nannte dieselbe Sant-Jago de los Caballeros de Guatemala. Von hieraus gingen seine Eroberungszüge gegen die Stämme, die ihre Unabhängigkeit noch bewahrt hatten, sich aber bald, einer nach dem andern, der Ueberlegenheit der spanischen Waffen unterwarfen.

Unter der Regierung der Conquistadores und ihrer Nachfolger verloren die Eingebornen mit ihrer Freiheit zugleich größtentheils die eigenthümliche Kraft ihres Charakters. Da Guatemala indessen ein Ackerbauland war und keine Bergwerke besaß, so waren die Indianer nicht den Unmenschlichkeiten jenes entsetzlichen Despotismus unterworfen, der die Herrschaft der Spanier in Peru und Neugranada entehrte. Die Unterdrückung nahm hier die mildere Form von Feldfrohnen an. So wie die Indianer von Guatemala weniger Ursache hatten sich über die Weißen zu beklagen, als die Stämme der Eingebornen in andern Theilen des spanischen Amerika; so litten auch die Creolen hier weniger durch die schlechte Regierung des Mutterlandes und ihre Folgen, als anderwärts. Das Gouvernement war dem von Mexico untergeordnet; doch erkannte der Generalkapitän von Guatemala die Abhängigkeit

  1. Der Name Nimakitsche selbst ist indessen eigentlich nur eine Appellativum, und bedeutet: der große Kitsche. Wahrscheinlich ist daher die Sage von einem König Nimakitsche nur aus dem Stammnamen entstanden; auf ähnliche Weise wie die klassischen Mythen von Dorus und Hellen u. s. w.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 507. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_529.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2023)