Seite:Das Ausland (1828) 537.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

den Schah anzugreifen; so würde er wahrscheinlich schon jetzt dem ganzen Kriege ein Ende gemacht haben. Statt dessen zog sich der russische General, nachdem er zweitausend Mann nach Abbas-abad geworfen hatte, nach Nakhschiwan zurück, und von dort bis gegen die russische Grenze, um seine Truppen, unter denen Krankheiten einzureißen angefangen hatten, durch einen Aufenthalt von einigen Wochen in der kühleren Atmosphäre des erhabenen Landstriches zu erfrischen, welcher zwischen Nakhschiwan und Karabagh liegt. Das Corps unter General Pankratieff, welches die letztere Provinz besetzt hielt, hatte seit dem im Mai fehlgeschlagenen Versuch, den Uebergang über den Arras zu erzwingen, keine Bewegungen von einiger Wichtigkeit gemacht. Eine russische Abtheilung von 6000 Mann, die sich zu Baschaberan verschanzt hatte, blieb völlig unthätig; und die Garnisonen, welche in den drei Kirchen und in Abbas-abad gelassen worden, waren zu schwach, um irgend etwas außerhalb der Wälle ihrer Fortificationen zu unternehmen. Auch die persische Armee bedurfte der Ruhe und war nichts weniger als in einer Verfassung, die sie in den Stand gesetzt hätte, den russischen Feldherrn anzugreifen, dessen Macht auf ungefähr 20,000 Mann geschätzt wurde.

Da es demnach wahrscheinlich war, daß die Feindseligkeiten in den nächsten Wochen nicht erneut werden würden, so hielt man diese Zeit für geschickt, einen Negoziazion zu eröffnen: Mirza Saleh – einer der persischen Jünglinge, die in London erzogen worden waren – wurde von dem Erbprinzen beauftragt, mit dem russischen General in Unterhandlungen zu treten, und einen Waffenstillstand zu verlangen, während dessen ein persischer Botschafter nach St. Petersburg gesandt werden könnte. Der Wunsch des Prinzen wurde indessen nicht erfüllt; indem der russische Secretär, der den Mirza bei seiner Rückkehr begleitete, keine weitere Vollmacht hatte, als die frühere Forderung einer vorläufigen Abtretung der Khanate Eriwan und Nakhschiwan bis zum Friedensschlusse, wo es der Großmuth des Kaisers überlassen bleiben sollte, in wiefern er von dem darauf erhaltenen Rechte Gebrauch machen wolle, zu wiederholen. Die Perser hatten seit dem Frieden von Gulistan von der Großmuth des russischen Cabinets keinen so vortheilhaften Begriff erhalten, als General Paskewitsch vorauszusetzen schien; sie zogen daher vor, auf’s Neue das Glück der Waffen zu versuchen.

Kurz nachdem die russische Armee sich hinter Nakhschiwan zurück gezogen; war der Schah, indem er Ali Nucki Mirza mit Hassan Khan zu Tschurs ließ, von Khoi nach Merand aufgebrochen; und der Erbprinz Abbas Mirza war nach dem Fehlschlagen seiner Unterhandlungen gegen Eriwan vorgerückt, wo er durch den Sardar Hussein Khan mit einem nicht unbedeutenden Corps, das durch die Aufhebung der Belagerung von Eriwan disponibel geworden war, verstärkt wurde. General Paskewitsch blieb dagegen in den Hochlanden von Nakhschiwan an einem Ort, der Karababa hieß, stehen, wo seine Truppen viel von einer Epidemie leiden sollten, und die übrigen russischen Corps unternahmen eben so wenig.

Der Schah rückte, nachdem er einige Tage zu Merand geblieben war, um die Mitte des Augusts in die Ebene von Mherban. Ali Nucki Mirza und Hassan Khan, die das Centrum der persischen Armee bildeten, bewachten von Tschurs aus die Bewegungen des General Paskewitsch, und der Sardar Hussein-Khan wandte sich, nachdem er eine Stellung zwischen Baschaberan und Etschmiazin verschanzt hatte, gegen den letzteren Platz, um eine förmliche Belagerung desselben zu versuchen.

Gegen das Ende des Augusts marschirte eine russische Abtheilung von 4000 Mann Infanterie, 2000 Reitern und 20 Feldstücken von Baschaberan gegen Etschmiazin, dessen Berennung inzwischen angefangen hatte. Es war gegen Abend, als sie auf die Vorposten der Perser stießen, und da sie diese stark verschanzt fanden, so zogen sie sich die Nacht über zurück. Des nächsten Morgens setzten sie ihre Bewegung fort, indem sie die feindlichen Verschanzungen zu umgehen suchten; wurden aber auf ihrer Marschlinie von den Persern angegriffen. Sie hatten sich in vier dichte Vierecke formirt, die durch Infanterielinien zu einem großen hohlen Vierecke verbunden waren, das die Perser nicht unpassend mit einer Festung verglichen, die auf jeder Ecke eine Bastion habe. Die Perser, von dem Erbprinzen in Person commandirt, ließen sich auf keinen allgemeinen Angriff ein, sondern begnügten sich den Feind durch unaufhörliche Neckereien zu beunruhigen, und ein lebhaftes Artilleriefeuer zu unterhalten. Zwei Bataillone von der persischen regelmäßigen Infanterie, unterstützt von dem Geschütz und einer Abtheilung Cavallerie wurden den Russen zuerst entgegengestellt und, nachdem sie ungefähr eine Stunde lang im Feuer gestanden hatten, abgerufen und durch zwei frische Bataillons ersetzt. Auf diese Weise wurden vier oder fünf verschiedene Brigaden nacheinander in das Gefecht gebracht; die Reiterei, welche den Feind von allen Seiten umschwärmte, wiederholt ihre Angriffe, so oft seine Linie im geringsten zu wanken schien. Die Russen, die von Sonnenaufgang an in ununterbrochenem Gefecht ihren Marsch auf der Straße von Etschmiazin fortgesetzt hatten, kamen gegen Sonnenuntergang von Anstrengung, Hitze und Durst erschöpft, an einen Bach; die Offiziere konnten ihre Mannschaft nicht zurückhalten, aus den Gliedern zu treten, und in das Wasser zu stürzen. Die persischen Heerführer, der Prinz und der Sardar, machten sogleich von dem Vortheil Gebrauch, den diese Unordnung ihnen versprach; zwei frische Bataillone griffen, ohne einen Schuß zu thun, mit gefälltem Bajonett an. Vergebens versuchten die Russen sich zu formiren; sie wurden geworfen und durchbrochen, und nachdem sie den Kampf noch einige Minuten, Mann gegen Mann, stehend erhalten hatten, in der äußersten Verwirrung in die Flucht geschlagen. Die persische Reiterei hieb in diesem Augenblick ein; die gesammte Infanterie, obwohl durch ihre bisherigen Anstrengungen ermüdet, eilte zur Unterstützung der beiden Bataillone herbei, die allein das Gefecht entschieden hatten; und bald waren Perser und Russen, Fußvolk und Reiterei, eine verwirrte Masse, die sich in eine

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 515. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_537.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)