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Das Ausland. 1,2.1828

geringer Kraft und Wirkung für die Sache des Rechts und der Wahrheit gekämpft hat – z. B. in seinen Briefen an Lord Castlereagh bei Gelegenheit des letzten Krieges zwischen Großbritannien und Nordamerika; ist er doch allmälig, Schritt für Schritt, immer tiefer in der Selbstachtung und in dem öffentlichen Ansehen gesunken; und in den letzten Jahren ist er so weit herunter gekommen, daß er gezwungen ist, eine Art von politischem Pulcinell zu spielen, indem er seinen Witz – jetzt hier und da auf der Neige – über alle Parteien und Personen nach der Reihe ergießt, von allen verachtet und verlacht, von Daddy Coke und Daddy Burdett [1] (um uns seiner eigenen Phraseologie zu bedienen) herab bis zu einem alten Spaßcumpan, jetzt seinem geschwornen Feinde, dem Stiefelwichsfabricanten und Gutsbesitzer Hunt; aber er fährt immer fort zu schreiben - scrible, scrible, scrible, wie der Herzog von Cumberland zu Gibbon sagte – so eifrig und zuweilen mit so vieler Kraft und Frische als je, und sich dabei standhaft ohne Rückhalt selbst für den „gescheitesten Mann in England“ zu erklären.

„Da hat er doch,“ nahm die Dame, die eine kleine Neigung zu gähnen unterdrücken mußte, „so unrecht nicht nach dem, was Sie selbst über ihn gesagt haben.“

Ich bemerkte die Bewegung, durch die meine schöne Freundin ihre Langeweile verbergen wollte, und schloß daher meine moralischen Betrachtungen, indem ich sagte:

Der unterhaltendste Theil von Cobbetts Laufbahn ist in der letzten Zeit sein Angriff auf die protestantische Reformation. Vielleicht sind Ihnen selbst die Briefe bekannt, die er über diesen Gegenstand geschrieben hat; diese haben bei allen guten Katholiken in ganz Europa ein wunderbares Glück gemacht. O’Connell, der wohlberühmte irische Redner, [2] erklärte in Bezug auf dieselben Cobbett für einen „braven Burschen.“ Die fanatische Partei hat sie übersetzen und im ganzen Lande verbreiten lassen; und sogar die spanische Presse hat zu Gunsten dieser schätzbaren Production ihre gewöhnliche Unthätigkeit aufgegeben. Ja, der heilige Vater selbst hat sich herabgelassen, eine so fromme Unternehmung zu begünstigen, und – wenn die Zeitungen nicht falsch berichtet waren – den Preis für 50,000 Exemplare aus seiner eigenen Tasche bezahlt. Cobbett, vom Pabste protegirt, ist in der That eine interessante Erscheinung. –

Meine Zuhörerin lachte mir in das Gesicht und ich verstummte; ich hatte vergessen, daß sie selbst eine eifrige Katholikin war, und daß ich bisher mir alle mögliche Mühe gegeben hatte, ihr mein Ketzerthum zu verbergen.

(Schluß folgt.)




Englische Niederlassung auf Fernando Po.


(Fortsetzung.)

Freitag den 2 Nov. war der Himmel wieder umwölkt, auch regnete es von Zeit zu Zeit. Dennoch gingen wir, Galler, Morrison und ich, mit dem Dolmetscher Anderson und meinem Diener ans Land, um mit dem König und seinen Großen wegen eines in der Nähe unserer Niederlassung zu errichtenden Marktes Vorkehrungen zu treffen. Bei unsrer Landung umgaben uns sogleich eine Menge Eingeborne und empfingen uns viel freundlicher als bei unsrem frühern Besuch; sie verfehlten jedoch nicht, Alt und Jung, Männer und Weiber, Knaben und Mädchen, uns um eiserne Reife anzugehen, und bei der geringsten Aufmerksamkeit, die wir dem Einen oder dem Andern schenkten, meinten sie gleich, daß Geschenke folgen würden. Da wir den König und seine Chefs nicht am Gestade fanden, hießen wir Anderson nach ihnen schicken. Erst nach zwei Stunden geruhten Se. Majestät zu erscheinen. Galler beschäftigte sich in der Zwischenzeit damit, nach Affen zu schießen, was die Eingebornen sehr belustigte; sie wiesen ihm immer die Gegenstände seiner Jagd, und erhoben ein schallendes Gelächter, wenn er schoß und sie fehlte. Nach der Ankunft des Königs und seiner Großen eröffneten wir ihnen die Absicht unseres Besuchs. Sie hörten mit Aufmerksamkeit zu, und machten einen Vorschlag zu gegenseitigem gutem Vernehmen. Er ging dahin, daß, falls einer von ihnen gegen uns sich etwas zu Schulden kommen ließe, wir es ihren Häuptern mittheilen sollten, worauf die Schuldigen zur Strafe gezogen würden – verfehle sich Jemand von unsern Leuten gegen sie, so sollten sie darüber bei unsern Obern Klage führen. Nachdem sie die Sache ernstlich unter sich durchsprochen, kamen wir über die verschiedenen Punkte überein, tranken Palmwein zusammen, und machten uns gegenseitig Geschenke – wir verehrten Sr. Majestät eine Axt, wogegen er uns einen Vogel schenkte.

Wir schlugen ihm vor, ihn in sein Dorf zu begleiten. Er lehnte es ab, indem er erklärte, daß sein Haus nicht im gehörigen Stand und er nicht auf unsern Empfang vorbereitet sey. Dennoch beschlossen wir, dahin zu gehen, da unser Dolmetscher den Weg kannte. Der Boden war äußerst schlüpfrig, durch viele Lachen Wassers, durch Baumwurzeln und dichtes Junglengestrüpp unterbrochen, auch wurden wir von einer Unzahl Ameisen und anderer Insecten gequält. Sr. Majestät Residenz bestand aus einer Hütte mit einem bloßen Strohdach, das Hausgeräthe aber in einer schiefliegenden hölzernen blos fünf Fuß langen Britsche zum Schlafen – das Kopfkissen bildete ein runder Block, von drei bis vier Zoll im Durchmesser – Holzblöcke vertraten auch die Stelle der Stühle. An den roh gearbeiteten Balken hing eine Anzahl Kalabaschen; des Königs Bruder war uns vorausgeeilt und empfing uns sehr freundlich mit einer Kalabasche alten Palmweins, die er (nach der Sitte der Afrikaner) zuerst kostete, um darzuthun, daß sie nicht vergiftet war, und uns sodann darreichte.

Den andern Tag sah man kein einziges Kanoe im Wasser und nur sehr wenige Eingeborne am Gestade; und auch Nachmittags zeigten sich nur wenige. Unser Dolmetscher sagte, sie feiern das Leichenbegängniß eines Häuptlings; wir vermutheten dagegen, die Stämme hätten sich

  1. Coke und Burdett die bekannten Parlaments-Mitglieder.
  2. Rathsgelehrter in Dublin und Präsident der irischen katholischen Gesellschaft
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 518. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_540.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)