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Das Ausland. 1,2.1828

versammelt, um sich über den Grund unsrer Ankunft und unsre beabsichtigte Ansiedlung zu besprechen.

Am 6ten. Eine Anzahl Kanoes legten bei uns an, und viele Eingebornen waren den ganzen Vormittag an Bord. Gegen Mittag bemerkte Jemand von der Schiffsmannschaft, daß einer von den Eingebornen ein Beil in ein Stück Segeltuch versteckte, das er aufgehoben, und sich als Schürze umgebunden hatte. Als man es ihm abnahm, rannte er durch das Schiff hin nach seinem Kahn, und schritt über mehrere andere weg, um in den seinigen zu kommen; er ward jedoch aufgegriffen. Es entspann sich nun ein heftiger Streit über seine Bestrafung, da die Sache sogleich seinen Landsleuten mitgetheilt wurde. Kapitän Owen wollte sein Mißfallen über diesen Diebstahl ausdrücken, und befahl allen, das Schiff zu verlassen, und sich auf ihren Kanoes zu entfernen. Aus Aerger darüber schlug man aus mehreren Kanoes mit den Rudern nach dem Dieb, und ein junger Mensch, in demselben Kanoe mit ihm, brachte ihm mehrere bedeutende Wunden bei, die eine auf der rechten Seite des Kopfs, die andere an dem linken Schlaf, eine dritte an der rechten Schulter und eine vierte auf der Brust. Trotz dieser starken Verwundung wurde er gezwungen ins Wasser zu springen, um das an ihm herabfließende Blut abzuwaschen, ehe sie ihn wieder in sein eigenes Kanoe steigen ließen. Als er es erreicht hatte, half er seinen Kameraden nach dem Strande rudern, um sich so dem allgemeinen Unwillen zu entziehen; allein es folgten eine Menge Kanoes dicht hinter ihm, die ihm Verderben drohten. Sie landeten nahe an unserm Markt, und führten den Schuldigen eine kleine Strecke von dem Ufer ab, wo sich alsbald eine unzählige Schaar von Eingebornen um ihn versammelte – Jeffery drängte sich nach der Mitte hin, um den Grund ihrer Versammlung zu erfahren; da ergriffen sie ihn, und banden ihm eine Hand mit der des blutenden Gefangenen zusammen, was diesen Herrn in nicht geringe Verlegenheit setzte, da er glaubte, jene Wunden kämen von unsern Leuten, wofür sie nun an ihm Rache nehmen wollten. Glücklicher Weise sah er einen unsrer Schiffsoldaten vorüber gehen; dieser machte Lärm in dem Lager, und Kapitän Harison kam mit einer kleinen Abtheilung Soldaten zu seinem Beistand heran. Mittlerweile hatte er seine Hand von der des Gefangenen losgemacht, und die Eingebornen sahen es gern, daß mehrere von uns der Bestrafung ihres Landsmanns für sein Vergehen gegen uns anwohnten. Sie banden ihn an Kopf und Händen rücklings an einen Baum, wo er sein Urtheil erwarten sollte. Nach einer kurzen Besprechung zwischen den Chefs und einem Manne, den wir für einen Priester hielten, schritt einer der ersteern sehr kaltblütig mit einem Messer in der Hand auf den Gefangenen zu, (während die andern Chefs und Eingebornen auf den Knieen lagen) und war im Begriff, ihm die Gurgel abzuschneiden, da verhinderten Kapitän Harrison und Herr Jeffery die Execution, indem sie ihm den Arm hielten und bedeuteten, daß unser Chef in der Nähe sey. Kapitän Owen landete glücklicher Weise in demselben Augenblick und trat geradezu mitten in die Versammlung. Nach einer kurzen Auseinandersetzung gab er den Häuptlingen durch Zeichen zu verstehen, daß er den Gefangenen nicht so strenge bestraft wünschte, führte in bei der Hand vor den ihn umgebenden Kreis hinaus, und befreite ihn so von der blutigen Rache[1] seines eigenen Volkes. Auffallend war, daß der Gefangene während des ganzen Verhörs und seines Verhafts nicht das geringste Zeichen von Furcht verrieht, noch bei den Schlägen, die man ihm gab, die Miene verzuckte.

Wir waren sehr erstaunt, heute in den Wäldern hinter unsrem kleinen Lager einen Maulesel (demi John) zu finden; woraus hervorgeht, daß Europäer vor uns diesen Ort besuchten; wenn es nicht Grund zu der Behauptung gibt, daß die Spanier an derselben Stelle sich niedergelassen hatten. Der Zahlmeister Galler schoß gestern auf Point William zwei Affen, die unsre Arbeiter abzogen und kochten. Galler aß einen mit ihnen, indem er Yams statt der Kartoffel nahm, und behauptete, daß es ein köstliches Essen sey.

Mittwoch den 7ten Morgens neun Uhr kam Anderson mit zwei Chefs an Bord mit der Nachricht, daß der König am Strand sich befinde und unser Boot erwarte, um überzufahren. Um eilf Uhr bestieg der Kapitän mit ihnen ein Boot, und in drei andern fuhren der Schiffsarzt, der Zahlmeister, der Schreiber des Kapitäns, ich, die Schiffsmusik, ein Sergeant und sechs Matrosen mit Geschenken für den König, seine Großen und Andere. Wir landeten in einer Bucht (Cove) östlich dem Schiffe (nachmals Kings Cove genannt) und wurden von den Chefs nach einem kleinen offenen Platze in dem Gehölze, ungefähr hundert Yards von dem felsigen Landungsplatz, geleitet, wo die Eingebornen viele große Steine in das Wasser warfen, und nur einen Kanal für ein Kanoe ließen. Als sich der Capitän gesetzt hatte, wurden mehrere Kalabaschen Palmwein nebst einem kleinen Widder vor ihn hingestellt. Nach einer Stunde kam der König und Capitän Owen ließ ihm ein rothes Kleid anlegen, und eine Sammtmütze aufsetzen. Der König trug ein paar Widderhörner als Kopfschmuck vorn auf seinem Hute.

Aus Gier nach den Geschenken drängten die Wilden von allen Seiten mit einem solchen betäubenden Geschnatter auf uns ein, daß das Abfeuern einer Kanone für uns in Vergleich mit dem kanibalischen Geschrei dieser Wilden ein Ohrenschmaus gewesen wäre. Doch müssen wir ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen – trotz aller Verwirrung vergriffen sie sich, so weit wir bemerkten, weder an Sachen noch an Personen. Der König verschenkte an mehrere kleine Eisenstücke, um so jeden hoffen zu lassen, daß er der nächste seyn werde, der ein solches Zeichen der königlichen Gnade erhielte, vielleicht aber auch, ums sich seine eigenen Geschenke um so mehr zu sichern. Wir

  1. Wir sahen manche Eingeborne, die eine Hand, sogar welche beide verloren hatten; einer, der zu uns aufs Schiff kam, und ohne Hände war, half noch seinen Kameraden, das Ruder führen.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_541.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)