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Das Ausland. 1,2.1828

nur dem türkischen Geschütze wich, ohne daß sie jedoch bedeutend gelitten hätte. Ein junges Mädchen auf einem reich geschirrten Dromedar hatte in dem ersten Treffen das Zeichen zum Angriff gegeben.

Dagegen erging es ihrem Fußvolk desto schlimmer. Dieß waren ein paar tausend Bauern, welche ein Heiliger versichert hatte, daß die wahrhaft Gläubigen keine Kugel treffe. In diesem Wahn stürzten sich die guten Leute unbewaffnet, in einer Hand eine Flasche, woraus sie Muth tranken, in der andern Hand etliche Stricke, womit sie die gefangenen Türken zu fesseln gedachten, auf die Feinde los; sie hatten ein solches Vertrauen zu ihren Amuletten, Talismanen und andern Wunderdingen, welche sie als Mittel, sich unsichtbar zu machen, betrachteten, daß sie am hellen Tage in’s türkische Lager drangen, um den Pascha aus der Mitte seiner Garden heraus zu holen. Dafür opferten die Türken diese paar Tausend Bauern ihrer Wuth, schnitten doppelt so vielen die Ohren ab, und zerstörten – als ob es in Nubien nicht genug Wüste gebe – ihre bedeutendsten Dörfer und Städte, wenn man anders hier von Städten reden kann.

Einst war es nicht so – aber war nicht auch damals Afrika mit dem Fluch des Despotismus belastet? Diese jetzt zerfallenen Zinnen, diese umherliegenden Riesentrümmer von Mauern sind sie nicht Ursache und Wirkung desselben Grundübels? Despoten haben sie erbaut und zerstört! Und doch welche Größe in dieser untergangenen Zeit! Die Ruinen von Nuri bei Gebel el-Barkal versetzten mich wieder ganz dahin zurück; beim Anblick des Elends des jetzigen Geschlechts vergaß ich, daß der blutige Schweiß der Sklaven an seinen glänzenden Denkmalen klebte, und ich gab mich ganz meiner Bewunderung hin. Der Name des Dorfes Merauy (18° 27’ 50" nördl. Br. und 29° 46’ 30" östl. L.) machten mich zuerst aufmerksam. Sollte hier nicht der Priesterstaat Meroe seyn? Und doch stimmten weder der Meridian, unter dem ich mich befand, noch die von den alten Geographen für Meroe angegebene Lage zwischen den Flüssen Astaboras und Astapus meiner Vermuthung zu. Außer den Grundmauern von acht Tempeln zählte ich in Nuri fünfzehn Pyramiden; letztere waren ganz wie die egyptischen gebaut und noch meisten Theils in gutem Zustande. Die größte derselben maß an der Grundfläche 48½, die andern sämmtlich zwischen 26 und 28 Metres. Gegen diese Kolosse sind die Werke der jetzigen Baukunst nun zwar zwergartig genug; doch wohnen die Häuptlinge der Schaykyehs in großen steinernen, befestigten und mit Schießscharten versehenen Häusern, die immer noch stattlich aussehen, und, sonderbar genug – die fortdauernde Liebhaberei für die Pyramidalform zeigen.

Barbar liegt schon wo der Nil von seiner nordöstlichen Ausbeugung wieder in die südliche Richtung übergeht; wir schlugen deswegen den südöstlichen Weg durch die Wüste ein, wodurch wir aber um die Ansicht der beiden Provinzen Dâr Monaßyr und Dâr Robâtât kamen, die uns links liegen blieben. Mich trieb es rastlos vorwärts Meroe zu.

Da ich nunmehr mit der Armee reiste, so war ich in meinen antiquarischen Untersuchungen sehr genirt. Denn um der Sonnenhitze auszuweichen, brach man gewöhnlich gegen drei Uhr auf, und fort ging es bis tief in die Nacht hinein. Der längere Aufenthalt in Barbar selbst bot für meine Zwecke wenig dar. Wie sollte ich es also angreifen, um den Pascha zu bestimmen, daß er mich, während er hier die Unterwerfung einiger benachbarten Stämme betrieb, nach Schendy voraus gehen ließ? Wenn ich auch nicht gerade direct von ihm abhing, so mußte ich mich doch wegen des weitern Verfolgs der Reise seiner Gunst auf jede Art versichern, und durfte mich also nicht ohne seine Zustimmung von der Armee trennen. Die Habsucht des Pascha half mir aus der Verlegenheit. Er zeigte mir einmal einen großen Diamant und fragte mich, aus welchem Lande diese kostbarem Steine wären? Indem ich diese Frage beantwortete, hob ich besonders heraus, daß man bisher den Diamant immer unter 18° der Br. gefunden habe. Gleich wollte der Pascha wissen, unter welchem Grad wir uns gegenwärtig befänden? „Eben unter dem achtzehnten,“ sagte ich, und um ihn zu überzeugen, las ich ihm die darauf sich beziehende Stelle aus Louis Patrin’s Abhandlung vor, wo namentlich die Vermuthung ausgesprochen ist, daß wahrscheinlich in den Gegenden Afrikas, die unter derselben Breite liegen, gleichfalls Diamanten vorkommen. Die Formation des Bodens, fügte ich hinzu, sey zwar bis jetzt nicht diejenige gewesen, bei welcher jenes glänzende Mineral sich erzeuge; da dieselbe jedoch plötzlich eintreten könne, so dürfe man, um zu einem ersprießlichen Resultate zu gelangen, nicht blos einen Blick über die Straße hinauswerfen, sondern man müße auf verschiedenen Punkten im Osten und Westen Nachforschungen anstellen. Auf diese Weise fand es der Pascha seinem Interesse völlig angemessen, daß ich bald nach Schendy abreiste. Er erbot sich sogar, mir eine Escorte mitzugeben, die ich indessen bescheiden ablehnte, weil ich das Gold- und Diamantsuchen eben nicht zu einem Hauptgeschäft machen wollte.

In anderer Hinsicht wäre der Aufenthalt in Barbar für mich nicht unangenehm gewesen. Der Reisende, der auf dem fünf Tag langen Marsch durch die Sandwüste beinahe verschmachtet ist, oder der von den rauhen Bergwildnissen der Nilstraße – zwei Katarakte, die der Nil zwischen Barbar und dem Lande der Schaykyehs bildet, zeugen hinlänglich von der Beschaffenheit des Terrains – müde in die schöne Ebene von Barbar hinabsteigt, wird noch überdieß durch das zuvorkommende Betragen der Einwohner angenehm überrascht – ein Betragen, das gegen das ernste zurückhaltende Wesen der Schaykyehs sehr abstach.

Die Männer gaben uns mit einem Handschlag einen zehnfachen Willkomm, sagten uns einen zehnfachen guten Morgen (Salamât a’charah, sabàh el-khayr a’charah); die Weiber unterhielten sich mit uns auf’s Traulichste.

Die Leute sind hier im Ganzen gut gewachsen und wohlgebildet, und ihre Gesichter nicht, wie in Schendy und Sennâr

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_549.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)