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Das Ausland. 1,2.1828

vertrauen, daß wir keine schallenden und tieftönenden Sentenzen ohne Spitze und Ende zu hören bekommen, eine Parenthese in der andern, wie eine Anzahl Pillenschachteln, die den Geist des Zuhörers in einen ähnlichen Zustand bringen, wie der Irrgang in Hampton Court seinen Leib; laßt uns, da wir unsern Mann kennen, darauf vertrauen, daß wir keine schlottrigen Citationen aus Shakspeare zu hören bekommen, die zu dem Gegenstande ungefähr so gut passen, als die Psalmen David’s für den scheidenden Geist eines ausgedienten Postgauls, und keine Stellen aus dem Virgil, die aus dem Citations-Dictionär entlehnt sind; laßt uns, da wir unsern Mann so gut kennen, darauf vertrauen, daß wir keine weitschweifigen Declamationen über sinnlose Allgemeinheiten hören werden, welche die ehrenwerthen Mitglieder mit der Gefahr bedrohen, ihre Kinnbacken aus den Fugen zu gähnen und sie zu zwingen: hört! hört! zu rufen, bloß in der Absicht, einander aufzuwecken und zu verhüten, daß sie nicht von den Bänken fallen und zugleich uns Leute draußen fragen zu lassen: „Was ins Teufels Namen kann der Mann meinen?“ Laßt uns, da wir unsern Mann so durch und durch kennen, wie wir thun, darauf vertrauen, von ihm eine klare Angabe der Ursachen und Fortschritte des Uebels zu hören, eine ähnliche Angabe von den daraus hervorgehenden Folgen, wenn keine Gegenmittel angewendet werden, und endlich eine detaillirte Angabe dieser Gegenmittel, ausgesprochen in bestimmten Vorschlägen, von denen jeder seinen klaren Sinn hat; laßt uns, nach unserer Kenntniß des Mannes, darauf vertrauen, Alles dieses zu erhalten und auf diese glückliche Weise „die Frage auf immer zu Ende gebracht“ zu sehen. Dann sollst du, verehrtes Collectiv, mehr verehrt werden, als je; dieser dein ausgezeichneter Bruder, der mit Don Sanchos diplomatischer Kenntniß und Vater Galloway’s Dampf die Griechen so glücklich „gerettet“ hat [1] soll dann mit neuen Strahlen der Glorie gekrönt werden; und selbst Peter Däumling von dem Rumpf soll sein überschwängliches Glück fast bedauern, indem er die Landmädchen auffordert, nicht zu athmen, damit durch die Verschwendung die Stimmen nicht erschöpft werden, welche deinen Ruhm von einem Ende der Erde bis zum andern posaunen sollen.

Einen Wink nur bitte ich mir zum Schluß zu erlauben, den ich unserm großmüthigen Wohlthäter geben möchte, und dieser ist, bei dieser Gelegenheit nichts fallen zu lassen über den „Raum,“ die „späte Stunde,“ die „schlechte Gesellschaft,“ die „Ordnung,“ und keinen Gebrauch von irgend einem Worte zu machen, das eine der beiden Silben Re und Form in sich hat.

Indem ich nun mit derjenigen Geduld, welche mir zukommt, und mit dem Vertrauen, welches meine gründliche Kenntniß des Mannes mir einflößt, dem so nahen Tage entgegen sehe, wo die wichtige Frage für immer erledigt werden soll, wo die Unruhe und die Noth von uns allen aufhören wird, und wo ich ohne Scheu meinen Bratrost [2] in eine Egge verwandeln kann; so bleibe ich mit den Gesinnungen, welche ein Mann wie ich, gegen Männer wie ihr hegen kann.

Wm. Cobbett.

N. S. Theures und hochverehrtes Collectiv, sahest Du je ein Schauspiel, welches das „Landmädchen“ heißt? Sahest du je die arme Mutter Jordan, die, nachdem sie die Zierde der Tafel gewesen, an der zu verschiedenen Zeiten Dutzende unsers hohen Adels gesessen hatten, und nachdem sie einem „erlauchten Geschlecht“ das Daseyn gegeben, endlich – wie die Zeitungen uns berichteten – in einer Hütte in Frankreich starb, und nicht die Mittel hinterließ, um ihren Sarg zu bezahlen? Hast Du je die bezaubernde Einfalt bewundert, mit welcher sie Jack Muthig in das Gesicht zu sehen pflegte, während er sie bei der Hand hielt und ihr seine profunden Vorsorgen auseinander setzte, die nöthig waren, sie vor den Stadt-Galans zu bewahren, und hast du sie je, zärtlich sein Kinn mit ihrem Finger berührend, ausrufen hören; „O, wie weise bis du, mein Auge!“ Denke Dir nun, wenn es Dir gefällig ist, mich – wie ich mit eben so bezaubernder Einfalt Dir in das collective Gesicht sehe und mit gleicher Zärtlichkeit Dein collectives Kinn fasse, während Du ernsthaft beschäftigt bist, Klappen für die Luftlöcher zu besorgen, aus denen das Verbrechen und alle die andern Folgen der Armuth herausströmen; während Du darüber berathschlagst, wie so große Uebel – als da sind, der „Mangel an Arbeit, der vorherrschende Trieb, zu früh Kinder zu bekommen, die Verkehrtheit der Menschen, einen Kerker ihrer eigenen Wohnung vorzuziehen, und der Hang, den so viele zeigen, den Hasen und Fasanen nachzugehen, um nicht Hungers zu sterben, und endlich (um nicht weiter zu gehen) die niedern Kornpreise – abgewendet werden können. Während ich Dich Tag für Tag oder vielmehr Nacht für Nacht mit diesen Berathschlagungen beschäftigt sehe, bin ich beständig in einer Art von wachender Traumverzückung, und fürwahr, wenn mich einer dreimal herumwirbeln und ein lautes Hallo mir in das Ohr schreien wollte, ich würde nicht wieder zu meinen Sinnen kommen.

  1. Saved, kann auch heißen: ihr Geld in die Tasche gesteckt. Burdett war Mitglied der griechischen Committe in London, welche die griechische Anleihe bekanntlich auf eine unverantwortliche Weise verschleudert hat.
  2. Die Vignette von Cobbett’s Register, dem Wochenblatt, dem dieser Brief entlehnt ist.


Die Niederlande.

Aus einer Untersuchung über den Bevölkerungsstand des Königreichs der Niederlande nach den Memoiren der königlichen Akademie in Brüssel ergibt sich, daß die männlichen Geburten sich zu den weiblichen wie 1000 zu 945, die Geburten zu den Heirathen wie 48 zu 10, und die Bevölkerung zu den Heirathen wie 130 zu 1 verhalten.


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_556.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)