Seite:Das Ausland (1828) 578.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Welche Beweggründe den Schah zu diesem verderblichen Entschluß bestimmten, ist unbekannt geblieben; das russische Cabinet fand die Schuld in den Aufreizungen türkischer Emissäre, welche Persien Unterstützung zugesagt hätten. Doch scheint es nicht nothwendig, außer dem Geiz, der herrschenden Leidenschaft des Schah, welche durch die an Rußland zu zahlende Entschädigungssumme auf das schmerzlichste berührt werden mußte, noch andere Ursachen aufzusuchen.

Die Antwort des russischen Feldherrn war unmittelbare Erneuerung der Feindseligkeiten. Die Städte Khoi und Salmas, diese hauptsächlich von nestorianischen Christen bewohnt, jene durch ihren ausgebreiteten Handel berühmt, eine der schönsten Städte Persiens in einer weiten fruchtbaren Ebene, waren bereits in Folge des Waffenstillstandes besetzt worden; jetzt fielen auch die festen Plätze Urumia, der Sage nach Zoroasters Geburtsort, in einer Ebene gelegen, aber durch starke Mauern und tiefe Wassergräben vertheidigt, und Ardebil, eine fast unersteigliche Bergfeste, am Eingang der berühmten Ebene Mogam, in welcher, ihrer fruchtbaren Waiden wegen, die meisten orientalischen Eroberer ihr Lager aufschlugen, obgleich Pompejus der Große hier einst durch eine ungeheure Menge von Schlangen zurückgehalten worden seyn soll, und die Russen diese noch jetzt eben so gefährlich gefunden haben wollen [1]. Das Hauptquartier sollte von Tauris nach Mianeh verlegt werden, und schon sprach man von dem Marsche auf Kaswien und Teheran.

Der Schah erkannte jetzt die Hoffnungslosigkeit seiner Lage; er beeilte sich, neue Friedensanträge zu machen, und erklärte sich bereit, alle Bedingungen des Tractats zu vollziehen. Dieser wurde hierauf, da Rußland in seinem gemäßigten Systeme beharrte, auf den Grund der ursprünglichen Präliminarien, zu Turkmantschai bei Mianeh abgeschlossen, und von Abbas Mirza, am 21 Febr. dieses Jahres, im Namen des Schah unterzeichnet.

Die Gebietsvergrößerung, welche Rußland durch diesen Frieden erlangte, obgleich auch an und für sich keinesweges unbeträchtlich, da die eroberten Provinzen an Umfang ungefähr dem Königreiche Würtemberg gleichkommen, und selbst in ihrer gegenwärtigen Verwüstung eine Bevölkerung von 200,000 Seelen zählen, ist es indessen so wenig, als – wie zwar das Manifest des Petersburger Cabinets sich ausspricht – die Sicherstellung der Grenzen von Georgien und den übrigen südcaucasischen Provinzen des Reiches, was wir als die wichtigste Folge des Friedens von Turkmantschai betrachten; sondern die gebieterische Stellung, die Rußland durch denselben gegen den ganzen Orient einzunehmen droht.

Die neue Grenzlinie, wie sie der Frieden von Turkmantschai bestimmt, geht von dem Gipfel des kleinen Ararats, längs dem Bette des hintern Karassu, der auf diesem Berge entspringt, bis zu dem Puncte, wo derselbe in den Arras fällt, der Stadt Scherur gegenüber, folgt darauf dem Laufe dieses Flusses bis in die Gegend von Abbas Abad, (auf dem linken Ufer des Arras) wo die nächste Umgebung der Festung auf dem rechten Ufer noch an Rußland kommt; von dort folgt sie wieder dem Laufe des Arras bis zu der Furth Jedibuluk, wo sie das Bett desselben verläßt, und die Ebene Mogam durchschneidet, bis zu einem Puncte am Bulgaru Fluß, unterhalb der Vereinigung des Starakamüsch und Ordinabasar; darauf bis zur Vereinigung dieser beiden Flüsse folgt sie dem Bulgaru, von jener Vereinigung an dem Ordinabasar bis zu der Quelle desselben. Von dort an geht sie über die Gipfel der Berge Dschikoir, Kamarkaja und Kloputi längs der Wasserscheide zwischen dem caspischen Meere und dem Flußgebiet des Sambur (eines Nebenflusses des Arras) bis zu der Quelle des Astaraflusses, den sie darauf bis zu seiner Mündung in das caspische Meer begleitet.[2]

So bestimmt diese Grenzlinie auf der Landkarte und dem Papier sich ausnimmt, so wenig ist sie es in der Natur. Nachdem die russischen Heere den Kaukasus überschritten hatten, war es nicht der Kur, welcher die tiefliegenden Ebenen Georgiens durchströmt, der ihrem weiteren Fortschreiten Schranken setzte, sondern die hohen, den größten Theil des Jahres hindurch mit Schnee bedeckten Berge im Süden desselben, worin die Pässe liegen, durch die man aus dem Tiefland in das Hochland hinaufsteigen muß, welches einst unter dem Namen Armenien als ein mächtiges selbstständiges Königreich blühte. Diese Gebirge, die der Friede von Gulistan zur Grenze zwischen Rußland und Persien machte, sind jetzt überschritten, und Rußland hat durch den Besitz derselben festen Fuß gefaßt in dem großen Plateau, welches, 7000 Schuh über dem Spiegel des Meeres erhaben, mit seinen unermeßlichen baumlosen Hochflächen von dem Kurdengebirge des Taurus bis zu den Gebirgen, welche die Südküste des schwarzen Meeres umsäumen, und von den übereinander emporsteigenden Terrassen von Khoi und Karah-ainah bis zu dem Passe Mamakhotun – der Terrasse von Karaja – reicht und die Quellen des Kur und des Arras, so wie die des Euphrat und des Tigris in sich schließt. Die ursprünglichen Bewohner dieses Hochlandes, die Armenier, jetzt in dem Besitze des Bodens fast überall durch türkische Stämme verdrängt, sind ein thätiges, seit den ältesten


  1. Man sollte meinen, daß die Erzählungen von diesen Schlangen von den nomadischen Stämmen erdichtet worden seyen, welche die üppigen Waiden der Ebene gern allein benutzt hätten. Doch führen Gamba und Malcolm Kinneir einstimmig als Thatsache an, daß gewisse Striche der Ebene noch jetzt durch diese Thiere unzugänglich gemacht würden. Die Perser sagen, das Gras in Mogam sey so hoch, daß es einen Mann zu Pferde bedecke und eine ganze Armee, die hier ihr Lager habe, sich darin verbergen könne. Die Schlangen, die von bedeutender Länge seyen, sollen sich aus dem Grase erheben, wie Fische aus der See. Man hört ihr Zischen weit in der Ferne, und sie fallen Alles an, was sich ihnen nähert. Kinneir p. 153. Gamba. Voyage. T. II.
  2. Siehe die Karte, auf welcher diese Grenzlinie nach einer gefälligen Mittheilung des Hrn. Berghaus in Berlin bezeichnet ist.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 554. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_578.jpg&oldid=- (Version vom 26.9.2023)