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Das Ausland. 1,2.1828

natürlichen Haß gegen die Herrschaft eines Fremden noch zu verstärken? Und so geschah es.

Dieß waren die Hauptursachen, welche sich vereinigten, diese merkwürdige Revolution hervorzubringen, aus welcher so große Ereignisse sich entwickelten, ohne daß ein Mann von ausgezeichnetem Talent erstanden wäre, um den auf diese zufällige Art erweckten Geist zu zügeln oder zu leiten. Nichts beweist unwiderleglicher die verschienartige Natur der Gefühle und Interessen, welche sich hier vereinigt hatten, als diese Thatsache, welche auf keine Weise dem Mangel an natürlichem Talent zugeschrieben werden kann; denn der Geist des spanischen Volkes ist feurig, scharf und lebendig. Aber es war kein gemeinschaftliches Band der Gefühle vorhanden, dessen sich ein großer Mann hätte bemächtigen können, um Einfluß auf große Massen zu gewinnen. Früh bemerkten Männer von Scharfblick, daß die spanische Revolution, gleich einem blätterreichen Strauch in einem heftigen Windstoß, gewaltig bewegt, aber nur leicht verbundene Stämme enthüllend, keinen sichern Halt für den Ehrgeiz eines überlegenen Geistes darböte, wenn ein solcher vorhanden sey. Es war klar, daß die Sache untergehen müsse, wenn sie nicht von England unterstützt würde; und dann war es natürlich, daß England alles leitete und nicht zugab, daß seine Mittel für den Ruhm eines Individuums verwendet wurden, dessen Ansichten und Politik später den seinigen entgegengesetzt seyn konnten. Auch war es nicht schwer zu sehen, daß der Sturz Napoleons, nicht die Wiedergeburt Spaniens der Zweck des brittischen Cabinets war.



Die Belagerung von Bhurtpur.


(Fortsetzung.)

Am 26ten zog der Feind seine Kanonen von den Bastionen zurück, auf welche die Anstrengungen der Engländer hauptsächlich gerichtet waren, und bemühte sich neue Brustwehren außerhalb der Festung aufzuwerfen, wobei er aber durch das Geschütz der Belagerer sehr gestört wurde. In der Stadt brannte es an mehreren Stellen, doch wurde das Feuer jedesmal schnell wieder gelöscht; und man sah bald, daß die Anstrengungen der Belagerten bei dieser und andern Gelegenheiten von größerer Kriegserfahrenheit geleitet werden mußten, als man unter ihnen selbst voraussetzen konnte. Kaum war die Nacht eingebrochen, als sie ein heftiges Feuer gegen die Achtzehnpfünderbatterie der Britten richteten, mit solcher Genauigkeit, daß jeder Schuß graste, ohne an das Parapet zu schlagen. Die Folge war, daß die Engländer an diesem Puncte eine beträchtliche Anzahl Leute verloren; und man konnte nicht anders schließen, als daß das Feuer von einem Menschen geleitet seyn müsse, der die Localität, gegen welche dasselbe gerichtet war, genau kenne. Die allgemeine Meinung war, daß dieß Herbert sey, ein Bombardier von der bengalischen Artillerie, der diesen Nachmittag auf eine so auffallende Art in die Hände des Feindes gefallen war, daß man nicht anders denken konnte, als daß dieß freiwillig geschehen sey. Wenige Tage vergingen, als dieß außer Zweifel gestellt [WS 1] wurde, da man ihn in seiner englischen Uniform auf den Brustwehren sah, wie er die Kanonen des Feindes gegen seine Landsleute richtete.

Am 27ten wurde von dem Generalmajor Nicoll eine starke Recognoscirung gegen einige Außenwerke der Feinde unternommen; die Infanterie war von zwei Sechspfündern und zwei Haubitzen unterstützt, die dem Feinde großen Schaden thaten, wärend der Verlust der Engländer sich nur auf einige Verwundete belief. Die Kanonade dauerte inzwischen ununterbrochen fort, und die Festung stand wieder an mehreren Puncten in Flammen, die indessen, wie früher, gelöscht wurden. Auch überzeugten sich die Engländer, daß ihre Fortschritte zu einer Bresche so langsam und geringfügig wären, daß man beschloß, die Position der Geschütze zu ändern. In dieser Absicht wurden die Achtzehnpfünder aus der Batterie, die sie bisher eingenommen hatten, herausgezogen und bedeutend weiter rechts gestellt; zugleich wurden die Schießscharten ausgefüllt und an ihrer Stelle ein Bett für zehnzöllige Mörser angelegt. Von diesen und den übrigen Wurfgeschützen wurde ein wahrer Regen von Bomben in die Stadt geschleudert und dieselbe mit solcher Wirksamkeit beunruhigt, daß zuletzt eine Abtheilung Cavallerie herausfiel, um sich einen Weg durch die Linien der Britten zu bahnen. Das erste leichte Cavallerieregiment und die unregelmäßige Reiterei, die ihnen entgegengestellt wurde, warf sie indessen vollkommen, tödtete ihnen vierzig Mann, nahm 137 gefangen, und trieb den Rest in die Festung zurück. Der Verlust der Engländer war nur einige Verwundete, darunter zwei Offiziere.

Während der folgenden Tage wurde die Kanonade so unablässig fortgesetzt als bisher, ohne daß man eine größere Wirkung davon bemerkt hätte. Die äußere Bedeckung der Werke, gegen welche das Feuer gerichtet war, schälte sich ab; aber das Mauerwerk blieb unbeschädigt. Am 29ten wehte ein so heftiger Wind, daß beide Parteien gezwungen waren, ihr Feuer einige Zeit einzustellen. Die Arbeiter waren jedoch keinen Augenblick müssig: 60 Schritt von dem Graben wurde eine Transchee gezogen und mit neuen Batterien besetzt. Die Einwohner in der Stadt wurden durch diese Fortschritte der Belagerer so entmuthigt, daß sie am 30ten eine Unterhandlung mit dem englischen Feldherrn eröffneten, um die Erlaubniß zu erhalten, den Platz verlassen zu dürfen. Es ward ihnen erklärt, daß sie hieran nicht gehindert werden sollten, doch unter der Bedingung, daß sie ihre Schätze zurückließen. Diese Forderung schien ihnen zu hart, und die Unterhandlung wurde daher abgebrochen.

Die Nacht vom 30ten war gekommen und noch zeigte sich nicht die geringste Spur einer Bresche. Die Belagerer dachten theils über die Aussicht, welche sie vor sich hatten, theils über die Unterhandlungen des Tages nach, als plötzlich die Festung ein Feuer aus allen ihren Kanonen eröffnet, welches unabläßig wenigstens eine halbe Stunde dauerte. Die Truppen mußten sogleich unter die Waffen treten und in die Transcheen rücken, indem man überzeugt war, daß irgend ein verzweifelter Versuch gemacht werden würde. Sie waren noch im Marsch, als

Anmerkungen (Wikisource)

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 567. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_593.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2023)