Seite:Das Ausland (1828) 602.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

einer Reihe von Jahren zerrütten, seine nördlichen Provinzen verloren hat, ist es auf eine Fläche von 95 Lieues in die Länge, von 20 bis 30 in die Breite beschränkt.

Wie in Egypten besteht das Erdreich aus einer sandigen Thonlage, die hier jedoch weniger dicht ist als dort, wo der austretende Nil seinen Schlamm allgemeiner verbreitet.

Der Winter (Chittat) beginnt mit dem Januar und endet mit dem März: beständiger Nordwind, kalte Nächte, oft umwölkter Himmel. Der Sommer (Sêf) fällt in die drei folgenden Monate: davon sind die heißesten der April und der Mai: dann weht der erstickende Samôn dreißig bis vierzig Tage. Dieß ist ein Nordwestwind, was um so sonderbarer auffällt, als sein Verwandter, der egyptische Kamsyn, aus der entgegengesetzten Richtung, nehmlich aus Südost und Südwest, kommt. Noch am 14 Juni stieg das Thermometer Mittags auf 38°, und sein niederster Stand innerhalb achtzehn Tagen war auf 28°. Der Karif (Südwind) bezeichnet die Periode der Regen, der Orkane und der Hochgewitter: diese dauert bis Ende des Septembers. In der ersten Hälfte der drei letzten Monate des Jahrs weht der Arabi, d. i. der Südost, der gegen den 15ten September in den Nord überschlägt.

Die Monate August und September zeigen die Umgebungen Sennârs als eine mit frischem Grün bedeckte Ebene: die zahlreichen Häusergruppen, die wie Bienenkörbe aussehen, nehmen sich gut aus. Aber auf der Oberfläche des durch und durch getränkten Bodens haben sich dann hin und wieder Sümpfe gesammelt; durch die nun plötzlich eintretende Hitze in Gährung gesetzt, verbreiten sie faule Miasmen, welche, in Verbindung mit den von der Erde ausgehauchten Dämpfen, die Luft verpesten und eine Menge[1] Krankheiten erzeugen; vor allen richten die Fieber große Verheerungen an. Als Fremde hatten wir hauptsächlich zu leiden. Am 25 September zählte die egyptische Armee 600 Todte und 2000 Kranke. Bei der Annäherung dieses verderblichen Zeitraums eilen die Anwohner des Flusses, ihre Dörfer mit ihren Heerden zu verlassen, und ziehen nach den felsigen Höhen in der Nachbarschaft, wo sie eine reinere Luft athmen. Bald versengt die Sonne den reizenden Schmuck der Felder; im April ist die Natur wie ausgestorben, und nur der Rand des Flusses behält das ganze Jahr hindurch seine grüne Einfassung.

An den Einwohnern bemerkt man einen großen Unterschied der Farben, welcher, durch die Vermischung des Bluts der Neger, der nomadischen Araber, der Aethiopier und der aus dem Sudan Eingewanderten, mit den eigenthümlichen Eingebornen entstanden, im Lauf der Zeiten sechs dergestalt verschiedene Racen hervorgebracht hat, daß jedes Individuum weiß, welcher Race es angehört:
1) die Asfar, sie sind die am wenigsten Farbigen; da sie, wie ihre Vorältern, Nomaden geblieben sind, auch nicht leicht in andere Stämme heirathen, so erkennt man in ihnen ohne Mühe die Araber. Sitten und Gebräuche, Sprache und Gesichtsbildung ist arabisch; 2) die Ahmar (die rothen): rother Teint, röthliche und krause Haare, wahrscheinlich eine Variation aus dem Sudan; 3) die Sudan-Azraq (die blauen): dieß sind die Fungis, sie haben Kupferfarbe; 4) die Ahcdar (die grünen): sie nähern sich schon den Negern; 5) die Kat-Fatlolem, sie halten die Mitte zwischen der ersten und vierten Race, d. h. sie sind halb gelb und halb grün, mit glatten, manchmal aber auch etwas krausen Haaren; das äthiopische Blut herrscht in ihnen vor; sie haben Kupferfarbe; sie bildeten die Hauptbevölkerung des alten Egyptens; 6) die Ahbit, Ahbd oder Nuba, Neger, aus dem Gebirge von Bertât stammend, mit schwarzen wollichten in’s Röthliche stechenden Haaren, mit weniger platter Nase, und weniger wullstigen Lippen als die Neger des mittäglichen Afrikas. Man findet unter ihnen ganz regelmäßig schöne Gesichter.

Sollte sich nicht die Verschiedenheit der Gesichtsfarben auf den Gemälden der alten Egyptier aus dieser Erscheinung erklären lassen? Eine künstliche Schattirung kannten sie nicht, und so nahmen sie denn eben jedesmal die charakteristische Farbe, und malten z. B. den Eingebornen des Sudan’s gelb-grün, den Araber blaßroth u. s. w.


Cailliaud begleitete das türkische Heer bis nach Singuè (10° 29’ 44" nördl. Br. und 32° 20’ 30" östl. L.) am Tumat, der sich bei Fazoql in den blauen Fluß ergießt. Das ungesunde Klima, der Mißmuth über fehlgeschlagene Hoffnungen, die Sehnsucht nach dem Vaterlande vermehrte die Zahl der Kranken oder Sterbenden von Tag zu Tag. Wo man nichts als Beute, Sclaven und Gold erwartet hatte, fand man blutige und unfruchtbare Kämpfe mit den kriegerischen Negern. Es wurde der Rückzug beschlossen. Ibrahim Pascha war mit einem besondern Heer ausgezogen, die Länder am weißen Fluß zu erobern. Krank eilte er nach Hause. Bald folgte Ismaël. Cailliaud, der sich, um schneller und ganz für seine Zwecke zu reisen, von der Armee getrennt hatte, kam lange vor dieser in Egypten an, und war schon in Marseille an’s Land gestiegen, als er den Tod Ismaëls und seines Gefolges erfuhr. Der junge Pascha übernachtete in einem Dorf bei Schendy: da erschien der Melik Nimir, (den er durch verächtliche Behandlung beleidigt hatte,) als die Türken in tiefem Schlaf lagen, vor dem Hause, umstellte es mit brennbaren Materialien und zündete es an. Niemand entkam. Als nun Mehemed Ali, im Zorn über den Tod seines Sohnes, seinen Eidam Mohamed Bey, der ihm Kurdofân erobert hatte, nach Nubien berief, und unerhörte Grausamkeiten durch ihn ausüben ließ, brach ein allgemeiner Aufstand von Sennâr bis an die Grenzen Egyptens aus.



Industrie in Frankreich.

Die Quantität Eisen, welche in Frankreich zur Erbauung von Maschinen und andern Zwecken gebraucht wird, hat sich in den letzten vier Jahren verdoppelt; im Verhältniß damit steht der vergrößerte Verbrauch des Stahls.


  1. Sennâr, welches das alte Land der Makrobier seyn soll, ist an Krankheitserscheinungen sehr reich: Pocken, Masern, Hautkrankheiten, Geschwüre, die Siphilis in mehreren Formen, intermittirende hitzige Fieber mit Anfällen von Raserei, Epilepsie, Wasserscheu und eine Menge anderer Uebel sind einheimisch. In den meisten Fällen wird das glühende Eisen oder das Rasirmesser angewendet.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 576. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_602.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)