Seite:Das Ausland (1828) 607.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 146. 25 May 1828.

Die Rüstungen Frankreichs.


Schreiben der englischen Parlamentskrämer [1] an die französische Noblesse.
Von W. Cobbett.

 Theure, geliebte Vettern!

Mit größter Sorge hören wir von den Rüstungen, die in Frankreich sowohl zur See als zu Land gemacht werden, obgleich unser gnädiger Souverän uns regelmäßig zweimal im Jahr versichert, daß er „fortwährend von allen fremden Mächten die bestimmtesten Versicherungen ihrer freundschaftlichen und friedlichen Gesinnungen“ erhalte; ja ungeachtet wir Frankreich, wo ihr, unsre theure Vettern, seyd, nicht einmal als eine fremde Macht betrachten dürfen. Wenig Leute in der Welt kommen uns gleich an Weisheit, Scharfsinn und Umsicht; schon von Natur sind wir wunderbar geschickt zu jeder Art der höchsten Aemter und Anstellungen, besonders wenn große Geldklumpen daran hängen; unermüdlich stehen wir auf der Lauer: keine Maus kann sich rühren, ohne uns wach zu finden, hauptsächlich wenn es irgendwo was zu verdienen gibt, kurz wir haben die vortrefflichsten Eigenschaften, die nur irgend einen Mann geschickt machen können, das Gras wachsen zu hören, und den dicksten Stein durch und durch zu blicken. Nun können wir es ab er doch, so wahr Gott weiß, durchaus nicht herauskriegen, was ihr bei euren Rüstungen eigentlich im Schilde führt; ein Räthsel ist es uns, warum ihr nun so viele Schiffe und Kanonen aufbietet; ja über die Maßen müssen wir uns wundern, daß ihr sogar zwei Flotten, eine zu Brest und eine zu Toulon, ausrüstet, und daß ihr eine Armee zusammen zieht, um sie unter dem Schutz von Kriegsschiffen nach fremden Ländern zu führen. Was uns betrifft, so gehören wir zu der friedlichsten Nation von der Welt, einer Nation, die sich immer nur mit dem größten Widerstreben in einen Krieg einläßt, und die stets dem Blutvergießen ein Ende zu machen bereit ist, wenn sie nur das kleinste Blättchen eines Oelzweig’s in den Händen ihrer Gegner blinken sieht; einer Nation, welche nie um Kleinigkeiten sich zankt, und besonders gegenwärtig die Zeit kaum erwarten kann, wo „das Schwert sich zur Pflugschaar umwandeln wird, der Speer zum Hirtenstab, und wo der Löwe freundlich neben dem Lamme sich lagern wird.“ In dieser lammfrommen Stimmung schmerzt es uns in tiefster Seele, zu erfahren, daß ihre eine Stellung einnehmen zu wollen scheint, welche wenig geeignet ist, jenes glückliche tausendjährige Reich herbeizuführen, das, wie wir auf’s innigste hofften, uns schon so nahe lag. Ach! theure, geliebte Vettern, wollte Gott es käme derselbe Geist über euch, der uns beseelt. Wollte Gott, ihr ständet unter dem nämlichen, die Gesinnungen der Wohlthätigkeit und des Edelmuthes erweckenden Einflusse jener, einen Achter vorstellenden Figur, mit acht Ziffern auf der rechten Seite [2]. Aber leider müssen wir fürchten, daß die Lockungen des Ehrgeizes, der Eroberungssucht, die der bescheidenen Nation, zu der wir gehören, so fremd sind, jene Leidenschaften, die der milde Geist des Christenthums, „in dem wir leben, weben und sind,“ so sehr verabscheut, in euere Herzen sich eingeschlichen haben, und euch anspornen, dem nachzustreben, was ihr in thörichter Eitelkeit „Ruhm“ nennt, ein Ding, mit dem wir uns, Gott weiß es, nie gebrüstet haben, ungeachtet wir den „größten Feldherrn des Jahrhunderts“ besitzen, der, gleichsam wider seinen Willen „zweimal die Stadt Paris eroberte;“ wir fürchten, wie gesagt, daß jene unruhigen Leidenschaften euch antreiben möchten, nicht nur den Frieden Europas, den wir für die Ewigkeit gesichert zu haben glaubten, zu stören, sondern auch die tief in eure Herzen gegrabene Dankbarkeit rein zu vergessen, die wir euch so oft zu Gemüth geführt haben, und die ihr einer Nation schuldig seyd, von der wir, ungeachtet wir es nicht gern sagen, verteufelt viel mehr als einen Benjaminsantheil besitzen.

Theure Vettern! es wurde uns im Vertrauen gesagt, ihr geht damit um, Egypten in Besitz zu nehmen. Was ihr mit dem Lande des Königs Pharaoh eigentlich anfangen wollt, wurde uns dabei nicht gesagt; aber, liebe Vettern, wir können es nie vergessen, daß die Besetzung Egyptens eine der schauderhaften Handlungen jener Jacobiner war, zu deren Vernichtung wir, unsre Nation nämlich, hunderte von Millionen ausgeben mußte. Wir bitten euch deßwegen inständig, daß ihr uns den Versuch erlauben möchtet, in euren Herzen das Andenken an die unzähligen Verpflichtungen wieder zu erwecken, in denen ihr zu diesem, wie oben angedeutet, größtentheils uns gehörigen Lande stehet. Wir bitten euch, Vettern, erinnert euch, wie artig wir gegen euch waren, als die Jacobiner euch

  1. Boroughmongers, wörtlich Fleckenhändler – eine Beziehung auf die Parlamentsmitglieder, die blos durch Bestechung der Flecken, welche das Recht haben, einen Repräsentanten in’s Unterhaus zu wählen, zu dieser Ehre gelangen.
  2. Eine Anspielung auf die über 800,000,000 Pfd Sterl. betragende englische Staatsschuld.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_607.jpg&oldid=- (Version vom 23.9.2023)