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Das Ausland. 1,2.1828

von Hause fortjagten; wie wir euch mit offenen Armen aufnahmen; wie wir versicherten, ihr seyet die besten Menschen von der Welt; wie unsre Regierung und unser Parlament euch und euren geflüchteten Priestern Pensionen gaben; in welch’ freundschaftlichem Lichte wir euch stets darstellten; wie wir alle, die in Frankreich die Vorrechte und Adelstitel abschafften, verschimpften, heruntersetzten und zur Hölle wünschten, ungeachtet wir uns vorher ein paar Jahrhunderte lang aufs eifrigste bemüht hatten, das Volk unsres Landes glauben zu machen, daß ihr ein bloßes Tyrannenpack seyd, erzgrausame, höllische Tyrannen, während eure Priester eine Religion lehren, die abergläubisch, götzendienerisch und verdammenswerth sey. Euch zu Gefallen stellten wir uns also als Lügner hin, oder bewiesen wir, daß wir früherhin Lügner gewesen seyen. In welches Licht dieß uns aber auch in den Augen von andern Leuten setzen mag, so sollte es uns doch wenigstens euch theuer machen, euch, um deren willen, um deren allein willen wir diese schmählichen Lügen uns zu Schulden kommen ließen, und uns der Verachtung jedes redlichen Mannes blos stellten.

Doch alle diese Dinge sind bloße Kleinigkeiten gegen den Krieg, den wir nachher für euch anfiengen. Liebe Vettern, erinnert euch, wie Engländer den Gesandten der Jacobiner fortjagten; wie streng wir alle Bemühungen des Convents, Frieden mit uns zu erhalten, zurückwiesen; mit welcher Kraft wir (nämlich die Regierung und die Nation) den Krieg fortsetzten; welche Berge von Subsidiengeldern bewilligt wurden, um auch andere in den Kampf zu führen; wie tapfer wir unter dem Herzog von York fochten; wie kühn wir vorrückten und wie glorreich uns zurückzogen, kurz, wie wir zwei und zwanzig Jahre lang unermüdlich fortfuhren zu fechten und zu bezahlen, Blut zu vergießen und Geld hinauszuwerfen, bis wir, zu guter letzt, euch glücklich wieder eingesetzt sahen in euer Land und eure Titel, nur unglücklicherweise nicht in eure Güter, und eure Priester nicht in ihre Klöster und Zehenten.

Wir hoffen, theure Vettern, daß wenn ihr diese Dinge bedenkt, wenn ihr euch zu Gemüthe führt, wie großmüthig wir, die Parlamentskrämer, an euch gehandelt haben, wir, die wir das ganze übrige Volk an Eifer übertrafen, euch wieder einzusetzen, und Frankreich jene Regierung wiederzugeben, die wir einst eine höllische Tyrannei genannt hatten, jenes Priesterthum, das wir einst der Götzendienerei beschuldigten; wenn ihr die ungeheuern Opfer bedenkt, die wir, die Parlamentskrämer, für diese und für jene Welt brachten; wenn ihr euch der furchtbaren Schulden erinnert, welche die Regierung für den edlen Zweck eurer Restauration machen mußte, und an die jammervollen Pfandverschreibungen an Mäkler und Juden denkt, welche jene Schulden über unsere Güter brachten; wenn ihr endlich zu alle dem noch einen Blick richtet auf unsere Liebe zu „Ordnung und Religion,“ auf unsere wirkliche persönliche Zuneigung zu euch, und hauptsächlich auf unsere Uneigennützigkeit, so dürfen wir hoffen, daß ihr eure Rüstungen sogleich einstellen, eure Flotten abtackeln, eure Armee entlassen, und gleich uns den aufrichtigen Wunsch verspüren werdet, der Wohlthaten des Friedens euch zu erfreuen, und nie mehr an Ruhm und Eroberungen zu denken, bis das glückliche tausendjährige Reich gekommen seyn wird, oder bis (was freilich erst ganz am Ende der Welt geschehen wird) wir im Stande sind, die Interessen unserer Staatsschuld zu bezahlen, ohne Elend und Hungersnoth herbeizuführen die gegenwärtig das erzeugen, was einer unserer Gesetzgeber den Sclavenkrieg genannt hat.

Wir wollen euch nicht beleidigen, theure[WS 1] Vettern, und wir hoffen, daß das, was wir sagen, von euch nicht übel aufgenommen wird; aber es war doch Unrecht, wirklich Unrecht von euch, das ihr aus einem „Sanitäts-Cordon“ auf einmal eine Invasionsarmee machtet und daß ihr militärischen Besitz von Spanien nahmet, nachdem wir, um es von den Jacobinern eurer Nation zu säubern, wenigstens hundert fünfzig Millionen Pfund Sterl. aufgewendet hatten, ganz ungerechnet die Leute, die dabei zu Grund gingen, und die nun unnütz gewordene Geschicklichkeit und Heldenmüthigkeit des „größten Feldherrn des Jahrhunderts.“ Das war unrecht, wahrhaftig das war es. Ihr wißt es nicht, wir dürfen wohl sagen, daß wir in diesem Land einen Haufen Lumpen haben, Reformers oder Radicale genannt, welche behaupten, sie sehen den Nutzen und die Rechtmäßigkeit unsrer Parlamentskrämerei gar nicht ein; ihr wißt nicht, daß diese Menschen unsre größte Plage auf dieser Erde bilden; ihr könnt euch die Schadenfreude gar nicht denken, die ihr diesen Menschen machtet, als ihr 1823 mit eurer „Sanitäts-Armee“ über die Pyrenäen rücktet, und jenes Cadix in Besitz nahmt, das ihr nun gar nicht mehr verlassen zu wollen scheint; ihr könnt gar nicht glauben, wie jene Quälgeister laut auflachten, als sie sahen, daß des „großen Feldherrn“ geschickte Negociationen in Verona und später in Paris, daß die in offenem Parlament aufgedeckten Bitten unsrer Minister, daß das edelmüthige Anerbieten der Gentlemen von der Oppositionsseite, jede Summe zu votiren, um die geliebten schuldenmachenden Cortes gegen euch in Schutz zu nehmen – daß alle diese Anstrengungen zu Schanden wurden, und daß die Sanitäts-Armee jene „Halbinsel“ besetzte, die uns so viele Wagen voll Goldes gekostet hatte.

Wenn ihr diese Dinge recht bedenkt, so sind wir überzeugt, theure Vettern, daß ihr nun unsern Quälgeistern nicht aufs neue einen so handgreiflichen Anlaß zum Spotte geben werdet. Was einmal geschehen ist, kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden; deßwegen geschieht es blos in Rücksicht der Zukunft, daß wir uns an eure Dankbarkeit, an eure Gerechtigkeit wenden; falls ihr aber darauf nicht eingehen wolltet, so appelliren wir an jene schönen kindlichen Gefühle, jene Empfindungen der Theilnahme und des Mitleids, die, wie wir wissen, beständig in euren Herzen wohnen. Fürchteten wir nicht, euch zu beleidigen, so würden wir euch bitten, eure Truppen aus allen Festungen Spaniens zurückzuziehen, und das dortige Volk, so wie das in Portugal, nach dem englischen Plane Regierungen und Constitutionen gründen zu lassen, welche, wie sich doch wohl von selbst versteht, „von den Nachbarvölkern

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: theue
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_608.jpg&oldid=- (Version vom 23.9.2023)