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Das Ausland. 1,2.1828

beneidet und von der ganzen Welt bewundert werden würden.“ Doch, wie gesagt, wir wollen auf diesem Punkte nicht hartnäckig bestehen; ihr habt ohne Zweifel eure Gründe, Spanien nicht ganz zu verlassen, und, wie die Frau des Vicars von Wackfield sagte, als der Gentleman, der ihrer Tochter den Hof machte, ihr bemerkte, daß er seine Gründe habe, sie nicht zu heurathen: „Das ist ein anderes Ding; wenn er nur seine Gründe hat, so ist das genug.“ So sagen auch wir, denn wir sind ja so wohlgesinnte Leute, viel guthmüthiger, viel weniger ehrsüchtig und hochmüthig als die meisten Pfarrweiber.

Aber theure, geliebte Vettern, was müssen wir hören, daß ihr nun gar nach den sieben fetten Kühen des Nils, nach den Fleischtöpfen Egyptens Lust bekommt! Wir hoffen zu Gott, daß dieß nicht wahr ist; denn wäre es wahr, wo sollte da der Spott unserer Spötter enden! Versteht uns aber recht; wir sagen nicht, ihr sollt das nicht thun; ferne sey es von uns, unsern theuren Vettern zu drohen; so was widerspräche ganz unserer Natur, die uns stets befiehlt, nie zu pochen und zu drohen, nie etwas erzwingen zu wollen, sondern uns stets auf sanfte Ueberredung und auf die Kraft vernünftiger Gründe zu verlassen, jene, um uns an die Gefühle, diese, um uns an den vorurtheilsfreien Verstand derer zu richten, mit denen wir zu unterhandeln haben. Wir überlassen es tyrannischen und brutalen Herrschern, Klagen durch Drohungen auszusprechen, und Bitten durch Thätlichkeiten; in unsern edlen Herzen, – die uns bestimmen, dem verkehrten und eigensinnigen Gerede unserer Quälgeister zu Hause mit der größten Geduld, ja mit mehr als väterlicher Nachsicht zuzuhören, – kann nie der Gedanke aufkommen, euch zu drohen, unsern theuren, geliebten, und, wir sind es überzeugt, dankbaren und billig denkenden Vettern.

Aber in aller Liebe beschwören wir euch, zu bedenken, welche Folgen es für uns haben müßte, wenn ihr Egypten in Besitz nähmet. Millionen über Millionen englischen Geldes wurden aufgewendet, um auch aus diesem Lande die französischen Jacobiner hinauszujagen; viele Admirale, Generale und andere Befehlshaber erhielten Titel und ungeheure Pensionen für sich und ihre Familien, als Lohn für die Erreichung dieses großen Zwecks, welcher, neben einigen andern Dingen, dem Volke dieses Landes als unumgänglich nothwendig zur „Rettung unsres Reichs im Osten“ vorgestellt wurde; man sagte ihm, daß wenn die Franzosen Egypten in Besitz nehmen, so sey dieses große Reich kein Jahr mehr sicher, unsere Flotten reichen nicht mehr zu seinem Schutze hin, und die Krone von England verliere ihren glänzendsten Edelstein.

Urtheilt daher, theuerste Vettern, über die Schadenfreude, die Spöttereien, den wahren Platzregen von Lachen, den unsere Plagegeister über uns ergießen würden, wenn nach all diesen ungeheuern Ausgaben, um Egypten von den Franzosen sauber zu halten; nach all dem Triumphgeschrei über die glückliche Erreichung dieses Zwecks; nach den zweiundzwanzigjährigen Kriegen, die man führte, um in Frankreich die Regierung zu restauriren, und jene „Ordnung, jene heilige Religion“ wieder herzustellen, die uns „volle Entschädigung für die Vergangenheit und unfehlbare Sicherheit für die Zukunft“ geben, und also namentlich verhindern sollte, daß keine solche Eroberungen wie die der Jacobiner mehr gemacht würden – urtheilt, theuerste Vettern, urtheilt, wie unsre Quälgeister vor Schadenfreude aufspringen, vor Lachen platzen würden, wenn ihr nach all dem – hinginget und Egypten in Besitz nähmet!

Aber wir bitten euch, theure Vettern, mißversteht uns nicht; legt unsere Worte auf’s beste aus; gebt ihnen nicht den rauhen Namen Vorstellung; nein, nehmt sie als einen Wunsch, eine Bitte, die aus unsrer überströmenden Seele kommt, und an eure, doch in so vielem gleichgesinnte Herzen sich richtet. Vor allem glaubt nicht, daß wir auf Drohungen, auf irgend einen Gedanken des Widerstandes anspielen wollten, sondern seyd vielmehr überzeugt, daß wir fest vertrauen auf die wohlbekannte Mäßigung, die zum Sprichwort gewordene Dankbarkeit, und die allwärts gerühmte, jeder Ehrsucht fremde Gesinnung derer, an die wir uns wenden. Mit dem aufrichtigen Ausdruck unsrer liebevollen Achtung, und in der heißen, aber bescheidenen Hoffung, daß unsere Bitten freundlich aufgenommen werden, verbleiben wir

theure, geliebte Vettern, eure sehr affectionirte
Freunde, eure demüthigen, sehr gehorsamen
Diener, die Parlamentskrämer.


Bekehrung der Juden in Constantinopel.


Durch die Bemühungen englischer Missionäre wurden in den letzten Jahren mehrere Juden in Constantinopel zur christlichen Religion bekehrt; die türkische Regierung schien die Ausbreitung des Christenthums in ihrem Reiche indessen nicht mit so günstigen Augen zu betrachten, als die Missionäre erwartet haben mochten. Die Convertiten wurden in Ketten geworfen und unter Schlägen und Mißhandlungen aller Art gezwungen, im Arsenal zu arbeiten; zugleich wurden die Unglücklichen von ihren ehemaligen Glaubensgenossen mit der äußersten Härte verfolgt.

Hartley, einer der Missionäre, versuchte sich ihrer anzunehmen und erhielt in dieser Absicht eine Zusammenkunft mit einem türkischen Beamten, über welche er in dem Register der Church of England Missionary Society folgenden Bericht erstattete:

„Die Juden, nach ihrer alten Gewohnheit, haben gegen die Convertiten viele und schwere Beschuldigungen erhoben, die sie auf keine Weise zu erhärten vermögen. Sie haben unermeßliche Summen bezahlt, um ihren Rachedurst zu stillen; und da wir nicht daran denken können, die Richter durch noch höhere Summen für uns zu gewinnen, so müssen wir die Sache Gott überlassen. Dieß war meine Ansicht diesen Morgen (4 Dec. 1826); aber um Mittag verdammte mich mein Herz, und ich konnte dem Drang nicht widerstehen, noch einen Versuch zu machen, meine verfolgten Brüder zu retten. Ich begab mich daher nach dem Pascha-Rapysy, oder der Pforte, wie sie die Europäer gewöhnlich nennen, und erhielt Zutritt bei einem türkischen Beamten (a Turk of distinction). Er war früher selbst ein Jude gewesen, und sagte mir, fast unmittelbar nach den ersten Begrüßungen, daß er wohl bekannt sey mit dem neuen Testament, so wie mit den

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 583. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_609.jpg&oldid=- (Version vom 23.9.2023)