Seite:Das Ausland (1828) 625.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

und der Fürst kam unter Escorte nach Schumla. So wie er die Schwelle des Veziers betrat, ward er von den Schiaous (Stummen) niedergehauen. Seinen Bruder, ebenfalls Pfortendolmetscher, traf dasselbe Loos. Ihr Köpfe wurden nach Constantinopel gesandt, und blieben drei Tage vor den Pforten des Serails ausgestellt. –

(Fortsetzung folgt.)


Persische Skizzen.


(Fortsetzung.)
Der persische Golf. Eine arabische Genealogie. Etwas vom Teufel aus Ferdusi. Abuschir.

Wir waren glücklich in den persischen Golf eingelaufen, und befanden uns auf dem classischen Boden der wundervollen Abentheuer Sindbads, des Seemanns. „Wer bewohnt die arabische Küste dort, die wir vor uns sehen?“ fragte ich einen arabischen Bedienten, Namens Khudâdâd. „Es sind Leute von der Sekte der Wahabi, antwortete er nicht ohne Unruhe; sie nennen sich Dschoaßimi; aber bewahre uns Gott vor diesen Ungeheuern. Ihr Gewerb ist der Seeraub, ihr Vergnügen der Mord, und für die scheußlichste Handlung, die sie begehen, können sie Euch die frömmsten Beweggründe aus einander setzen. Sie halten sich an das Wort der heiligen Schrift und wollen von Erklärungen und Ueberlieferungen nichts wissen. Wenn Ihr ein Gefangener dieser Wahabi seyd, und Ihr bietet ihnen all Eure Habe an, um Euer Leben zu retten, so sagen sie: Nein! denn im Koran steht, daß es gegen das Gesetz sey, einen Lebenden zu plündern; aber einen Todten auszuziehen, ist nicht verboten – und somit schlagen sie Euch auf den Kopf. Uebrigens, setzte Khudâdâd hinzu, ist das nicht einmal ihre Schuld, sondern es geht so aus ihrer Natur hervor, denn sie stammen von einem Haul ab.“ Als ich ihm meinen Wunsch zu erkennen gab, über diese Abstammung etwas Näheres zu erfahren, so schien er ganz verwundert über meine Unwissenheit und meinte, die ganze Welt müsse das wissen; doch verstand er sich dazu, meine Neugier zu befriedigen.

„Es war einmal ein arabischer Fischersmann, erzählte er, der lebte in einem Dorf am persischen Golf, in der Nähe von Gambrum; eines Tages, da er seine gewöhnliche Beschäftigung trieb, fand er das Netz so schwer, daß er es nur mit Mühe an’s Land ziehen konnte. Vergnügt über sein gutes Glück strengte er alle seine Kraft an; man denke sich nun sein Erstaunen, als er statt ein Netz voll Fische, ein Wesen, das die Gestalt von einem Menschen hatte, aber ganz haarig war, heraufbrachte. Er näherte sich ihm mit Vorsicht, da er indeß fand, daß es ganz harmlos sey, so brachte er es nach Hause, wo es bald seine Gunst erlangte: denn ob es schon weder reden noch überhaupt einen Laut hervorbringen konnte, als haul, haul, weßwegen man es auch so nannte, so war es doch außerordentlich gelehrig und gescheidt, und der Schiffersmann bediente sich seiner, um seine Schafe hüten zu lassen.“

„Es begab sich nun, daß einige hundert persische Reiter in voller Rüstung des Wegs zogen, und Lust bekamen, die Schafe weg zu treiben. Der Haul, der allein war, und keine Waffe hatte, als eine Keule, bedeutete ihnen durch Zeichen von ihrem Vorhaben abzustehen; aber sie spotteten nur über seine seltsame Erscheinung, bis er einen oder zwei, die ihm zu nahe kamen, todtschlug. Sie griffen ihn jetzt in Masse an; allein seine Behendigkeit übertraf noch seinen Muth und seine Stärke, und, während alle fielen, die in seinen Bereich kamen, wich er jedem Streich seiner Feinde geschickt aus, so daß ihnen zuletzt, nachdem er sie zur Hälfte aufgerieben hatte, nichts übrig blieb, als zu fliehen.“

„Als der Fischersmann und seine Nachbarn, die von der Schlacht hörten, dem treuen Haul zu Hülfe eilten, fanden sie ihn im Besitz einer Menge Pferde, Waffen und Kleider. Ein Araber aus dem Dorf ließ sich durch diese Probe seiner Tapferkeit, vielleicht auch durch den Reichthum, den er jetzt besaß, bestimmen, ihm seine Tochter anzubieten, die nicht nur sehr schön war, sondern auch so verständig, daß sie aus Rücksicht auf seine sonstigen guten Eigenschaften, die nicht sehr anziehende Außenseite vergaß, und ihn ohne Widerstand heirathete. Die Hochzeit wurde mit mehr Glanz als je eine in dem Dorf gefeiert, und der Haul, der in einem reichen persischen Anzug und auf einem prächtigen Pferde erschien, nahm sich über alle Maßen gut aus. Er war ganz außer sich vor Freude, machte solche lustige Streiche, und zeigte so viel guten Humor, Stärke und Gewandtheit, daß seine Braut, die man anfänglich bemitleidete, den Neid jeder Fischerstochter auf sich zog, und gewiß noch mehr Neid auf sich gezogen hätte, wenn der künftige Ruhm ihres Geschlechts vorauszusehen gewesen wäre. Sie gebar vier Söhne, von denen die vier Stämme Ben Dschoaßim, Ben Ahmed, Ben Nasir, Ben Sabuhil abstammen, die unter dem allgemeinen Namen der Kinder Haul bekannt sind. Als Fischer, Bootsmänner und Seeräuber bringen sie ihre Tage auf dem Meer zu, und man glaubt, daß diese Amphibiennatur ihnen von ihrem gemeinschaftlichen Stammvater angeerbt sey.“

Nachdem Khudâdâd mit seiner Mähre zu Ende war, bat ich ihn, mir nun auch zu sagen, wer hier die hohen Gebirge auf der persischen Seite bewohne. – „Auch Räuber, – erwiederte er mit seiner selbstgefälligen Miene, die den Araber verrieht, der sich gerne reden hört, – aber sie sind nicht so schlimm als die Dschoaßimi. Ihre erste Niederlassung in diesen Gebirgen schreibt sich vom Teufel her; doch sind sie Kinder von Menschen, und ihre Natur ist nicht teuflisch, ob es gleich ihre Werke zuweilen sind.“

Bei fernern Fragen, die ich an Khudâdâd richtete, fand ich, daß er seine Geschichte aus Ferdusi genommen hatte, und daß er sich ziemlich genau an den Text hielt. „Habt ihr, fuhr er fort, von Zohak, dem Prinzen aus Arabien, gehört?“ „Ja,“ sagte ich. „Nun so müßt ihr wissen, daß er ein sehr gottloser Mann war. Er besiegte den persischen König Dschemshid, der in jener Zeit für den glorreichsten Monarchen auf Erden galt. Nach diesem großen Erfolg wurde Zohak vom Teufel versucht, der ihm


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 599. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_625.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2023)