Seite:Das Ausland (1828) 632.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die Gleichheit vor dem Civil- und Criminalgesetz ist der erste und wichtigste der großen moralischen Vortheile, die wir erworben haben und fortwährend behalten, ohne eine vernünftige Ursache zur Furcht, daß wir sie wieder verlieren könnten. Die Abschaffung der Feudalrechte können wir als keinen geringen Fortschritt zur Freiheit betrachten; ein anderer ist die gegenwärtig herrschende Ansicht von dem Rechte der persönlichen Sicherheit, die zwar in Bezug auf politische Verbrechen zuweilen verletzt, in dem Verfahren der Regierungen gegen die große Masse jedoch gewissenhaft gehandhabt wird. Zwar ist die französische Gesetzgebung, welche die Garantien dieser Sicherheit enthielt, abgeschafft worden, aber die Meinung, welche dieselbe begründete, ist doch geblieben und kann ihren Einfluß auf die practische Anwendung der Gesetze nicht verleugnen. – Den Fortschritten, welche die individuelle Freiheit in Hinsicht auf die öffentliche Verwaltung gemacht hat, kommen die in Beziehung auf die häusliche Gewalt gleich. Die Ordnung wird in den Familien nicht mehr durch die Furcht erhalten, welche das Haupt derselben einzujagen sucht, sondern durch die Achtung und Liebe, welche es einflößt. Die Gewaltthätigkeiten, welche früher so häufig in Bezug auf die Wahl des künftigen Standes der Söhne und Töchter geübt wurden, sind daher jetzt selten geworden und werden von der öffentlichen Meinung laut mißbilligt. Das thörichte Geschlecht der Cavalieri serventi hat sehr abgenommen, und die Sitten des Adels sind weit von jener Verderbniß entfernt, die Parini so trefflich geschildert hat. Auf der andern Seite zählt der italienische Adel in unsern Tagen eben so sehr, als in früheren Zeiten, sowohl durch ihre Verdienste um die Wissenschaften als um den Staat ausgezeichnete Männer in seiner Mitte. Die Vortheile der Erziehung sind allgemeiner verbreitet worden, und niemals gab es so viele Schulen für die Anfangsgründe des Lesens und Schreibens als gegenwärtig; und um nur beiläufig ein Beispiel, das uns am Nächsten liegt, anzuführen, wer hält es für möglich, daß man vor dreißig Jahren in Toscana achthundert Mitglieder für die Herausgabe eines landwirthschaftlichen Journals würde haben finden können? [1]

Nicht geringer als die moralischen Fortschritte der italienischen Nation sind die, welche sich mehr auf den materiellen Genuß des Lebens beziehen. Hier wäre der Ort von den Straßen zu reden, die neu angelegt oder verbessert worden sind, von der Einführung einer regelmäßigen Polizei in den Städten, von dem früher in Italien unbekannten Gebrauch, dieselben des Nachts auf öffentliche Kosten zu beleuchten u. s. w. Aber bei Weitem wichtiger scheint uns der verbesserte öconomische Zustand der Nation. Die größere Vertheilung des Vermögens, die dasselbe zugleich productiver und sicherer macht, und von unberechenbaren moralischen Folgen begleitet ist, würde uns allein hinreichenden Stoff darbieten, die Behauptung zu widerlegen, daß Italien in seinen alten Zustand zurückgekehrt sey.

Nach dem Frieden von 1748 dachten die Fürsten Italiens zuerst daran, den Erwerbungen der todten Hand Grenzen zu setzen, die völlig zügellose Freiheit, bleibende Fideicommisse zu stiften, einzuschränken, und durch Gesetze die Rechte eines Dritten gegen die willkürlichen Verfügungen unbekannter Contrahenten zu schützen. Auf diese Weise wurde der weiteren Ausbreitung des Uebels ein Damm entgegengesetzt; aber die alten Wunden blieben unvernarbt. Die Noth unserer Zeit hat dem freien Verkehr nicht nur unermeßliche Millionen von Klostergütern, so wie den größten Theil der alten fast unbenutzt daliegenden Communal-Ländereien (terreni comunali) wieder gegeben; sondern auch die bestehenden Fideicommisse aufgelöst, die Rechte der Primogenitur aufgehoben und die alten Commenden entfesselt: Vortheile, die, obschon nicht mit arithmetischer Genauigkeit zu berechnen, doch um so höher veranschlagt werden müssen, wenn man bedenkt, daß alle adlichen und nicht wenige bürgerliche Familien in Italien den größten Theil ihres unbeweglichen Eigenthumes durch eine der erwähnten Fesseln gebunden hatten.

  1. Des Giornale Agrario Toscano; s. Antologia di Firenze, Vol. 29 pag. 119.


Persische Skizzen.


(Fortsetzung.
Diplomatische Pragmatik. Das Journal des Mehmandar. Die Gasellen- und Hubarajagd mit Falken.

Die Gegend um Abuschir, eine große Ebene oder vielmehr Wüste, Gormaßir genannt, die sich längs der Küste hin und etwa zwanzig Stunden in die Breite erstreckt, gab uns Gelegenheit, dem persischen Geschmacke zu huldigen, d. h. uns als Reiter und als Jäger zu zeigen.

Der Eltschi ging von dem Grundsatz aus, daß, wer zur Gesandtschaft gehöre, verpflichtet sey, mitzuwirken, daß die Perser einen möglichst vortheilhaften Begriff vom brittischen Nationalcharakter erhielten. „Wir haben es mit Menschen zu thun,“ wiederholte er täglich, „deren Wissen nicht über ihr Land hinaus reicht; diese Perser verstehen außer ihrer Sprache blos die arabische, und wenn die bessern Klassen von ihnen auch Bücher lesen, so lernen sie daraus Europa nicht kennen. Aber als ein scharfbeobachtendes und wißbegieriges Volk werden sie sich von uns Alles merken, was sie hören und sehen, und sich darnach ihr Urtheil über England bilden. Der günstige Erfolg uns’rer Sendung hängt also sehr von dem Eindruck uns’rer Persönlichkeit ab.“

Wirklich war bei dem Eltschi, und, soweit sein Befehl oder Einfluß reichte, auch bei uns übrigen, alles Reden und Thun auf jenen Zweck berechnet. Nicht genug, daß wir leibhafte Musterkarten von allen möglichen guten Eigenschaften waren, wir sollten unermüdlich thätig seyn, damit wir als Soldaten den Persern Achtung einflößten. Glücklicherweise verband General Malcolm mit einem starken Körper eine leidenschaftliche Liebhaberei für Jagen und Schießen. Ein Morgenritt von fünfzig

Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 606. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_632.jpg&oldid=- (Version vom 2.10.2023)