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um sich nicht erst die Mühe geben zu dürfen, es vorher zu schlachten. Der gemeinste Sclave verschmäht es, Hammelfleisch zu essen; ein halber Real oder sechs Sous das Stück war mehrere Jahre lang der laufende Preis dieser Thiere. Vier tausend Schafe wurden im Jahr 1825 auf Rechnung des Ackerbau-Vereins des la Plata-Stromes Stück für Stück um 4 Realen gekauft, und als ich Buenos Ayres im Sommer des Jahres 1827 verließ, verkaufte man dort das Stück zu einem Dollar.“

Von der Behandlung der Viehheerden und der Lebensweise ihrer Hüter entwirft Beaumont folgendes Bild:

„Jede Estancia hat einen Oberhirten (Capadaz), welcher für jedes Tausend Stück Vieh einen Peon unter sich hat. Das Geschäft des Herrn besteht darin, daß er von Hunden begleitet die Heerde umreitet und sie auf einen Platz zusammen treibt; hier werden sie eine Zeitlang beisammen gehalten, worauf man sie sich zerstreuen läßt. Dieß geschieht, um das Vieh zu gewöhnen, bei einander zu bleiben und ihm die Lust zu nehmen, sich zu verlaufen. Zu andern Zeiten beschäftigt man sich damit, daß man die Heerde mit dem Stempel des Besitzers zeichnet, junge Stiere und Füllen auswirft, junge Pferde zureitet und im Winter und Frühling Vieh schlachtet, um Häute, Unschlitt und cherca (gedörrtes Fleisch) zu gewinnen.

Der Capadaz und die Peons, welche verheirathet sind, haben meistens abgesonderte Hütten. Die Geräthschaften dieser Hütten bestehen gemeiniglich aus einem Wassergefäße, einem kleinen kupfernen Topf, um das Wasser zu wärmen; einigen Kürbissen, deren man sich als Thee-Näpfe bedient, einem großen eisernen Topf, um darin Fleisch zu kochen, einem Stierhorn zum Trinken und einigen Stäben oder Bratspießen, um daran das Fleisch zu braten. Ochsenschädel dienen gewöhnlich zum Sitze; nur einige haben ein paar Stühle oder eine Bank und ein Bett. Letzteres besteht aus einem Gestelle, auf welches eine Haut ausgebreitet ist und das auf vier Stellen etwa einen Fuß hoch sich vom Boden erhebt. Die Peons schlafen gewöhnlich auf der Erde und auf ihrem Pferdegeschirr (reoado). Dieß besteht aus einem oder zwei groben, zwei Ellen großen Tüchern, welche man zusammen geschlagen auf den Rücken der Pferde legt, um den Sattel zu tragen; über diese Tücher wird ein etwa fünf Fuß großes Stück Haut gelegt; dann kommt der Sattel, von plumpem Holz mit hohem Sattelknopf und Lehne, mit Stroh ausgestopft und mit Leder überzogen. Dieser gibt Nachts das Kopfkissen ab. Dieser Sattel ist in der That für den Hirten von ausgebreitetem Nutzen; er dient ihm nicht allein als Geräthe in seiner Schlafkammer, sondern auch in seiner Küche; denn wenn er kein anderes Mittel in der Hand hat, während seines Umherziehens sein Fleisch zu bereiten, so legt er es zwischen Sattel und Pferderücken, und nach einem guten Galopp nimmt er es ganz mürbe, völlig in seinem eignen Saft erweicht und hinlänglich gar, hervor. So hat man mir es häufig erzählt; ich selbst sah es nie. Ein anderer Nutzen des Sattels ist, die Kleider gegen Nässe zu schützen. Wenn die Hirten draußen auf der Ebene sind und ein starker Regen herabzustürzen droht, so ziehen sie ihre Kleider aus (wozu sie ohne irgend eine dringende Veranlassung manchmal mehrere Wochen hintereinander sich nicht die Mühe nehmen) und stecken sie unter den Sattel. So reiten sie mutternackt unter dem Regenbad umher, und hört der Regen auf, so nehmen sie die trocken erhaltenen Kleider wieder hervor.“

(Forts. folgt.)


Schulz’s Reisen im Orient.

Paris, 25 Mai.

Es sind von Professor Schulz von Gießen, der bekanntlich auf Auftrag der französischen Regierung eine wissenschaftliche Reise im Orient macht, die befriedigendsten Nachrichten hier angekommen. Er brachte den Herbst 1827 damit zu, die Alterthümer von Hoch-Armenien zu untersuchen. Man wußte nämlich aus Moses von Chorene und andern armenischen Schriftstellern, daß Semiramis nach der Eroberung von Armenien eine Sommerresidenz im Gebirge in der Nähe des Sees Wan angelegt. Der Palast lag auf einem Granitfelsen und war von Galerien umgeben, welche in den Felsen gehauen und mit Inschriften bedeckt waren, und deren Größe und schöne Ausführung noch im 2ten Jahrhundert nach Chr. die Bewunderung von Moses erregten. Die christlichen Könige von Armenien verwandten einen Theil der Materialien dieser alten Gebäude zur Erbauung von Kirchen, und Tamerlan verweilte bei seinem Durchzug mehrere Tage dort, und wendete mit der brutalen Zerstörungswuth, welche er überall gezeigt hatte, sein Heer dazu an, die alten Monumente und ihre Inschriften zu vernichten. Nur die Härte des Steins und die Lage der Inschriften retteten einen Theil derselben. Der Charakter der Curden, welche gegenwärtig das Land besitzen, hatte bisher jeden Versuch vereitelt, den Europäer machten, dorthin durchzudringen. Professor Schulz reiste von Erzerum unter dem Schutze des Pascha ab, fand das ganze Land in der größten Verwirrung, einerseits durch den russisch-persischen Krieg, anderseits durch die Nachricht von der Schlacht bei Navarin, welche gerade angekommen war. Unter großer Gefahr und in beständigem Kampfe mit den Curden schlug er sich nach Wan durch, wo ihn der Pascha freundlich aufnahm, ihn beschützte und ihm alle mögliche Erleichterung gab, die Alterthümer zu untersuchen, selbst im Innern des Palastes, in den sonst nie ein Fremder zugelassen wird. So fand er die Möglichkeit, in Wan und der Umgegend 43 Inschriften in Keilschrift zu copiren, welche durch ihr Alter und ihre Ausführlichkeit alle Monumente bei weitem übertreffen, welche wir bisher in dieser Art gekannt haben. Die neueste derselben scheint eine von Xerxes, dem Sohne des Darius zu seyn, welche im Innern des Schlosses eingehauen ist; an vielen ist die Wuth von Tamerlan sichtbar, und an einigen die fromme Unwissenheit der armenischen Christen, welche durch eingehauene Kreuze den Teufel aus diesen höllischen Charakteren zu vertreiben suchten. Der größte Theil dieser Inschriften ist in einem Charakter geschrieben, welcher unter allen Monumenten, welche bisher bekannt waren, sich nur auf einigen Cylindern wieder findet; einige dagegen in drei Charakteren in nebeneinander laufenden Colonnen, wie es unter der Dynastie von Cyrus gebräuchlich gewesen zu seyn scheint; diese sind von besonderer Wichtigkeit, weil durch sie die Kenntniß Eines dieser Alphabete den Schlüssel zu den andern gibt, und sie werden wohl in der Entzifferung der persischen, medischen und babylonischen Inschriften die Dienste leisten, welche der Stein von Rosette bei den Hieroglyphen geleistet hat – Professor Schulz wollte von Wan aus nach Persien gehen, aber der wohlwollende Pascha verweigerte ihm die Erlaubniß, weil er bei der großen Gährung in Curdistan nicht über die türkische Grenze kommen konnte; daher mußte er sich entschließen, über Erzerum und Trebisond nach Constantinopel zurückzukehren, von wo er Copien der Inschriften hieher schickte, und im Begriff war, über Rußland nach Tauris abzureisen, so daß wir mit Zuversicht ähnlichen Entdeckungen entgegensehen dürfen.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 624. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_650.jpg&oldid=- (Version vom 3.10.2023)