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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 108. 17 April 1828.

Lyon’s Reisen in Mexico.

Journal of a Residence and Tour in the Republic of Mexico in the year 1826; with some account of the Mines in that Country. by Capt. G. F. Lyon, R. N., F. R. S. 2 vols. 8vo. London: 1828.


Capitän Lyon scheint zu Anfang des Jahres 1826, als Geschäftsführer zweier Londoner Compagnien, die Aufsicht und Leitung einiger Bergwerke im nördlichen Binnenland Mexicos übernommen zu haben. Die Gegend, durch welche er reiste, war größten Theils nicht viel besser als eine Wildniß. Sie bestand aus weiten Einöden, wenigen, dem Verfalle nahen Städten, und einigen beinah unbewohnten Dörfern; nur selten bot eine kühne Gebirgslandschaft einigen Ersatz für die frostige Leerheit der übrigen Gegenden. Sie legten sich in dem Flusse Panuco vor Anker; der Capitän des Schiffes (Perseverance) und Capitän Lyon setzten sich bei dem Commandanten des Orts und den Zollbeamten durch Geschenke von Wein, Kuchen und Cigarren so sehr in Gunst, daß sie auf einem Boot nach Pueblo Viejo, der Residenz des Commandanten, fahren durften. „Die Nacht,“ schreibt Lyon, „brach bald darauf ein, und wir ruderten über zwei Stunden gegen eine starke Strömung auf einem Flusse von einer halben (englischen) Meile Breite. Das Geräusch unsrer Ruder störte die großen Kraniche, Reiher und unzählige andere Vögel aus ihrer Ruhe auf. Sie flatterten in blinder Verwirrung über der Oberfläche des Flusses einher, während Myriaden von Feuerfliegen zwischen den dunkeln Mangelbäumen schwirrten, die ihre dicht ineinander verwachsenen Aeste in das Wasser senkten. Laubfrösche und Grillen, die sich hier in Menge finden, betäubten uns mit ihren schrillen, durchdringlichen Akkorden, und um den reizenden Genuß meines ersten Abends in Amerika zu erhöhen, wurden wir von einem uns unsichtbaren Boote aus von Jemand, der in uns Ausländer vermuthete, in unserer Muttersprache bewillkommt. Er erbot sich, uns nach der Stadt zu lootsen. Wir kamen bald vor das Haus des amerikanischen Consuls, Robertson, an den wir gewiesen waren, und wurden von ihm aufs freundlichste aufgenommen. Da er sah, daß wir müde, hungrig und naß von dem Nachtthau waren, versah er uns mit allem Erforderlichen und wies uns Betten in dem Consulatgebäude an; – allein an Schlaf war hier nicht zu denken. Hunde, Schweine und rastlose Hähne, die schon um Mitternacht zu krähen begannen, hätten für sich schon alle Ruhe von dem Lager des Fremden gebannt; zum Ueberfluß brach auch noch ein wüthender Sturm aus, von Donner und Blitzen, und so heftigem Regen begleitet, daß in wenig Minuten ganze Bäche durch die Stadt schoßen.“

„Ich besuchte mit einem Theil unsrer Gesellschaft einige Eilande in der Mitte des Tampicoer Sees, ungefähr sieben (englische) Meilen von Pueblo Viejo entfernt. Als wir um die erste kleine waldige Insel fuhren, glitten wir unter einem frischen Norte (Nordwind) in eine kleine, sichere Bay, dicht mit Mangel- und andern Bäumen überhangen, auf denen Hunderte von Kranichen, weißen, braunen und blauen Reihern, rosenfarbigen Löffelgänsen, und mancherlei andere Vögel so dicht beisammen saßen, wie in einem Vogelhaus. Indem wir nach ihnen schoßen, störten wir sehr große Alligatoren (Kaimane, Krokodile) auf. Wir sahen sie schwerfällig längs der langen Sandbank sich fortbewegen. Gewöhnlich findet man sie so dicht am Rande des Wassers liegen, daß sie es mit Einem Sprunge erreichen können. – Von dem kleinen Eilande aus, auf dem wir uns mehrere Hüte voll Eier gesammelt hatten, fuhren wir nach einem andern, auf dessen nördlicher Seite wir unzählige Nester von Kranichen und rosefarbenen Löffelgäsen fanden, deren jedes zwei oder drei beinah flücke Jungen enthielt. Die Mangelbäume stehen hier so dicht, daß man leicht von einem auf den andern klettern und selbst über ihre Gipfel hingehen kann. Wir stiegen hinan, um die blinzäugigen Bruten von jungen Löffelgänsen, und den schneeweißen Flaum der jungen Kraniche zu bewundern, die den lieblichsten Kontrast gegen das dunkle, glänzende Grün der Blätter bildeten, unter die sie gebettet waren. Nachdem wir unsre Sammlung gemacht, kehrten wir zurück, und ich nahm ein Paar junger Löffelgänse mit mir, die bald so zahm waren, daß sie auf meinen Ruf herankamen, und mir nachliefen, wohin ich wollte. Die armen Geschöpfe starben jedoch, als ich sie bei meiner Rückkehr nach England an Bord gebracht hatte.“

Seine Aufnahme zu Pueblo und seinen Aufenthalt zu Tampico schildert Lyon folgendermaßen:

„Der Commandant versicherte mich aufs verbindlichste, daß alles, was er hätte, zu meiner Verfügung stünde; der Alkalde bat mich, zu glauben, daß er mein Diener sey; und der Zollaufseher ersuchte mich, nachdem er mir die Hand geküßt, nach Willkür über ihn zu gebieten, suchte aber bald darauf mir Hindernisse in den Weg zu rücken. Herr Robertson hatte die zuvorkommende Güte, mir in einem der angesehensten Häuser ein Zimmer ohne Fenster zu

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_447.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)