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sich mit einem Ruck aufrecht und schaute mich verwirrt an.

Meine Freude war übergroß, als sie sofort fragte, was mit ihr geschehen, und als sie etwas scheu ihre Jacke betastete.

Dann spürte sie den Alkoholgeruch, und die volle Wahrheit ward ihr bewußt, sie blickte zur Seite, ihr durch die Nässe etwas entfärbtes Gesicht rötete sich bis zu den glatten Stirnhaaren, und nach einer Weile verlegenen Zögerns sagte sie tapfer:

„Olaf, Sie wissen …?!“

Das vertrauliche „Olaf“ war schon in der Nacht über die schönen Lippen geschlüpft, und trotz Pis[1] bissiger Kritik hatte ich Kosima, damals noch Kosimo, freundlich erklärt, er solle nur an dieser Anrede festhalten.

„Ich weiß, Kosima … – Heißen Sie Kosima mit Vornamen?“

Sie nickte. „Mein Vater war ein begeisterter Wagnerverehrer, meine Mutter ebenfalls …“

Ich saß noch neben ihr, die Vorhänge der primitiven Kabine waren geöffnet, und der rötliche Glanz am Himmel drang wie ein freundliches Grüßen höherer Kräfte in den Raum, in dem ich nun des Mädchens Hand ergriffen hatte und herzlich fragte:

„Heißen Sie wirklich Wodston, Kosima?“

Sie hatte wieder alle Scheu abgestreift, ihre Jugend sah in meinen grauen Schläfen und den einzelnen Silberfäden im blonden vollen Scheitel die Zeichen so gereifter Jahre, daß ihr Anlehnungsbedürfnis und ihre stille Freude über die endliche Klärung ihrer so unbequemen Maskerade zu kindlicher Zärtlichkeit sich steigerten.

  1. Vorlage: Pi’s, siehe Seite 25.
Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Das Bergwerk der Abgeschiedenen. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1931, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Bergwerk_der_Abgeschiedenen.pdf/85&oldid=- (Version vom 30.6.2018)