Seite:Das Geheimnis eines Lebens.pdf/21

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

– so ein gewisses Ahnungsvermögen sagt mir, daß, wenn Deine Frau sprechen wollte oder – dürfte, ich sehr bald herausbekäme, wohin Dein Schwiegervater sich gewandt hat. Doch, um nun endlich weiterzukommen, würdest Du mir ganz kurz einmal erzählen, wie und unter welchen Umständen du Durgassow hier kennen lerntest, weiter auch, was Du von seiner Vergangenheit weißt.“ – Wieland hatte sich inzwischen wieder in den Sessel gesetzt und begann nun das wenige in seiner Erinnerung aufzufrischen, was ihm von dem früheren Leben seines Schwiegervaters bekannt war. Indessen stand Dreßler am Fenster und schaute bald auf die Straße hinab, bald wandte er sich wieder an den Freund, um dessen Erzählung mit einer Frage zu unterbrechen. Als Wieland schwieg, da seine Erinnerungen erschöpft waren, meinte der Doktor kopfschüttelnd: „Also auch hier keine Handhabe! Ich hatte gehofft, daß Durgassows Vergangenheit irgend ein interessantes, auffälliges Begebnis enthalten würde, das uns vielleicht auf eine Spur hinweisen könnte. Aber diese alltägliche Lebensgeschichte!“ Dreßler zuckte die Achseln und zog dann sein Notizbuche hervor, um einige Zeilen hineinzuschreiben.

Wenn er soeben dem Freunde mit so gleichgültiger Miene gesagt hatte, daß ihm in Durgassows Lebensgeschichte nichts aufgefallen sei, so war’s die Unwahrheit gewesen. Dreßlers Gedanken arbeiteten jetzt mit einer wunderbaren Schnelligkeit und Genauigkeit, die die wirrste Aufeinanderfolge von Tatsachen und bedeutungslosen Erscheinungen schnell in einen bestimmten Rahmen zu bringen und logisch zu ordnen wußte. – Eine Weile herrschte in dem elegant möblierten Zimmer ein bedrückendes Schweigen. Plötzlich rief der Doktor mit merkwürdiger Erregung:

„Komm’ schnell einmal her. Kennst du den Mann, der dort in der Haustür steht, den da mit dem grauen Pelerinenmantel?“

Wieland war neben den Freund an das Fenster getreten. „Nein, - ich kenne ihn nicht. Weshalb

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)