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Maria, gestatten Sie jetzt, daß ich Sie um einen kleinen Dienst bitte. Würden Sie mir wohl –“ – Hier wurde Dreßler durch ein Klopfen unterbrochen. Das Stubenmädchen kam und meldete, daß ein Geschäftsfreund Herrn Wieland zu sprechen wünsche. – Als Wieland das Zimmer verlassen hatte, trat Dreßler schnell dicht an die im Sessel Sitzende heran.

„Frau Maria,“ sagte er leise, „würden Sie mir jetzt wohl einiges aus der Lebensgeschichte Ihres Vaters erzählen, was Ihr Gatte nicht weiß und nie erfahren wird, wenn ich’s so einrichten kann.“

Sie schaute zu ihm auf, versuchte in ihre Züge den Ausdruck des Erstaunens zu legen. Und doch, – hilflose Angst sprach aus ihren Augen, und um ihre Lippen zuckte es wie von verhaltenen Tränen.

„Frau Maria,“ bat Dreßler wieder so eindringlich. „Sie wissen mehr von der Vergangenheit Ihres Vaters, als Sie vorgeben. Ihr Vater,“ seine Stimme sank zum Flüstern herab, „Ihr Vater ist vor seinen Feinden geflohen, vor Feinden, deren Haß er sich in früheren Jahren zugezogen hat, – in einer Zeit, wo er nicht so – ruhig und harmlos lebte, wie er’s hier in Danzig tat.“

Maria Wieland hatte sich erst halb aufgerichtet und sank dann wieder wie haltlos zusammen, während ihre entsetzten Augen Dreßler folgten, der langsam einen Schritt zurückgetreten war und jetzt leicht an den Schreibtisch gelehnt vor ihr stand. Eine geisterhafte Blässe lag auf ihrem feinen Gesicht. Und stockend nur kam’s über ihre Lippen:

„Sie wissen?“

Dreßler nickte nur. – Frau Maria bedeckte ihr Antlitz mit beiden Händen. Unter ihren schlanken Fingern drang jetzt ein qualvolles Stöhnen hervor. Aber der, der sie unausgesetzt beobachtete, schien mitleidslos.

„Wollen Sie mir nicht auch das geben, was Sie von der Schreibtischplatte in dem Arbeitszimmer Ihres Vaters fortgenommen haben, um es – mir vorzuenthalten,“ sagte er langsam. – Da schien’s, als

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/23&oldid=- (Version vom 31.7.2018)