Seite:Das Geheimnis eines Lebens.pdf/36

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

– Nun wird Ihnen wohl klar geworden sein, warum ich mich so sehr vor einer Einmischung der Polizei gefürchtet habe, warum mir auch Ihre Hilfe, lieber Freund, mehr als unwillkommen war. Gewiß – erst hoffte ich ja noch, Sie würden nicht imstande sein, hinter die Geheimnisse meines Vaters zu kommen. Als ich aber sah, daß ich mich in dieser Erwartung getäuscht hatte, da beherrschte mich ein Gedanke: Sie könnten meinem Gatten etwas von Ihren Entdeckungen erzählen und mir damit ein Glück vernichten, das ich mir erhalten will um jeden Preis!“

„Wie schlecht Sie mich doch kennen, Frau Maria!“ meinte Dreßler kopfschüttelnd. „Ich habe es stets als meinen vornehmste Lebensaufgabe betrachtet, überall da, wo sich mir Gelegenheit dazu bot, Frieden zu stiften und erregte Gemüter zu beruhigen. Niemals habe ich, wo dies nicht unumgänglich nötig war, den Störenfried gespielt. Und diese meine guten Absichten durchzuführen, war nicht immer ganz leicht, besonders deswegen nicht, weil ich noch vor zwei Jahren eine Stellung bekleidete, in der ich die Pflicht hatte, meine Mitmenschen der strafenden Gerechtigkeit auszuliefern, – natürlich nur die, die mit den Gesetzen irgendwie in Konflikt geraten waren. – Sie machen ein erstauntes Gesicht, Frau Maria. Das ist begreiflich. Denn hier ahnt niemand, selbst ihr Gatte nicht, daß sich hinter dem bescheidenen Privatgelehrten derselbe Detektiv Hans Dreßler verbirgt, dessen Name vor nicht allzu langer Zeit durch alle Zeitungen ging.“

Frau Wieland hatte sich überrascht vorgebeugt.

„Wie, Sie wären jener Dreßler, der –“

„Ich bin’s, liebe Freundin, bin derselbe Angestellte des Berliner Detektivinstitutes „Helios“, welcher sich durch die flehentlichen Bitten eines geängstigten Mutterherzens dazu bestimmen ließ, ihrem einzigen Sohn, den er soeben eines Mordes überführt hatte, zur Flucht zu verhelfen und damit eine sogenannte „Gefühlsdummheit“ beging, die ihn seine Stellung kostete und ihm sicher noch eine Strafanklage eingebracht

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/36&oldid=- (Version vom 31.7.2018)