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Frage so schnell keine passende Antwort. Daher sagte er beinahe unwirsch:

„Wo wir uns trafen, ist ganz gleichgültig. Jedenfalls hast Du reinen Mund zu halten, verstehst Du, Wera! – Und nun gute Nacht. Ich bin müde. Und erwähne meinen Bruder am besten vorläufig überhaupt nicht mehr. Er verläßt Danzig ohnehin schon morgen.“ –

Wera Wenzel verbrachte eine schlaflose Nacht. Immer wieder überlegte sie sich das, was ihr Vater mit ihr besprochen hatte. Sein Verhalten war ihr völlig unverständlich. Und sie weinte schließlich bittere Tränen, weil zum ersten Mal etwas wie eine Entfremdung zwischen ihnen entstanden war.




6. Kapitel.

Hans Dreßler war ein Frühaufsteher und seit langem gewöhnt, in der warmen Jahreszeit seinen Morgenkaffee spätestens um halb sieben Uhr einzunehmen. Daher konnte er am folgenden Tage, einem sonnenklaren Sonntag, auch bereits um sieben Uhr zu dem notwendigen kleinen Ausflug nach Neufahrwasser aufbrechen, wo er in der Herberstraße, in der der Mann im grauen Pelerinenmantel nach Jakob Wenzels Angabe so urplötzlich unsichtbar geworden war, diesem Unbekannten vorsichtig nachspüren wollte. Leider blieb diese Fahrt nach dem Hafenvorort jedoch ohne jedes Resultat. Dreßler untersuchte zunächst die einzelnen Gebäude der engen Gassen daraufhin, ob eines von ihnen vielleicht einen zweiten Ausgang nach einer anderen Straße hätte. Dies war aber bei keinem einzigen der Fall. Mithin konnte der Graue nur in eines der niedrigen, meist einstöckigen und recht altertümlichen Häuser geschlüpft sein. Der Doktor machte sich nach dieser Feststellung an die nicht gerade angenehme Aufgabe, in den Wohnungen vorsichtig nach dem Fremden Nachfrage zu halten.

Hierbei kamen ihm die Erfahrungen aus seiner

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/53&oldid=- (Version vom 31.7.2018)