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Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit hatte vergessen lassen.

„Bestellen Sie bitte, daß ich Nachmittags gegen vier Uhr nochmals vorsprechen werde,“ gab er dann dem Mädchen Bescheid.

In demselben Augenblick öffnete sich eine der in den Korridor mündenden Türen, und Anna Wieland in hellem Sommerkostüm, zum Ausgehen fertig, stand Dreßler gegenüber.

Die Begrüßung fiel von beiden Seiten weniger herzlich aus als sonst.

„Ich will das herrliche Wetter zu einem Spaziergang nach dem Langfuhrer Walde benutzen,“ erklärte Anna Wieland in ziemlich kühlem Tone. „Maria und Karl sind zum Stapellauf gegangen, ein Ereignis, das mich selbst recht wenig interessiert, da ich derartigen Festakten bereits mehrfach beigewohnt habe.“

Sie waren inzwischen die Treppe hinabgestiegen und standen jetzt vor der Haustür auf dem Bürgersteig.

„Fräulein Anna,“ bat Dreßler nach kurzem Überlegen, „würden Sie mir wohl einen großen Gefallen tun?“

„Wenn mir die Erfüllung Ihres Wunsches möglich ist, warum nicht?“ entgegnete sie noch immer mit derselben Zurückhaltung.

„Gestatten Sie, daß ich mich Ihnen anschließe. Ich habe ohnehin mit Ihnen Verschiedenes durchzusprechen und möchte mir bei Ihnen auch in der Angelegenheit Durgassow Rat holen.“

„Bitte, – wenn’s weiter nichts ist.“ – Auch dies klang wieder so kühl, daß Dreßler daraufhin mit einem schnellen prüfenden Blick ihr Gesicht streifte. Aber er schwieg vorläufig. –

In wenigen Minuten brachte der Vorortzug sie nach Langfuhr hinaus. Im nördlichen Teile des hügeligen Stadtwaldes mit seinen uralten Eichen- und Buchenbeständen begegneten sie auf den schattigen Wegen nur wenigen Spaziergängern. – Es war einer jener wunderbaren Junivormittage, in denen jeder

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/55&oldid=- (Version vom 18.8.2016)