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Angst, kann dem Verschwundenen vielleicht auch Schaden bringen. Es muß ihm doch etwas Ernstliches zugestoßen sein, sonst hätte er uns nicht drei Tage ohne jede Nachricht gelassen.“ Und in dem sie die Schwägerin fest an sich zog, bat sie weiter: „Mia, schenke doch wenigstens Karl Vertrauen! Du mußt doch irgendeinen Grund dafür haben, daß Du die Hilfe der Behörden so – so ängstlich von Dir weißt! – Mia, sag’s doch wenigstens Deinem Mann allein, ich will mich ja nicht in Deine Geheimnisse eindrängen. Aber er, – was soll er nur von Dir denken –“

„Quält mich doch nicht – Hab doch Erbarmen!“ – Wie ein wilder Schrei klang’s durch das Zimmer. Maria Wieland war aufgesprungen und zu ihrem Mann hingeeilt. An seiner Brust weinte sie weiter. Und er strich ihr liebkosend über das volle Haar, flüsterte ihr leise, zärtlich etwas zu. Langsam beruhigte sie sich. Und der blonde Riese, der sie um Kopfeslänge überragte, führte sie jetzt behutsam zu dem Sessel zurück und sagte dann weich:

„Auch ich will nicht weiter in Dich dringen. Aber so lasse ich die Dinge nicht fort gehen. Ich werde mich an Dreßler wenden. Er wird raten. – Oder willst du auch das nicht, Liebling?“ – Sie nickte nur.

„Ich treffe ihn jetzt um die Mittagszeit sicher zu Hause an. Ob er mich aber sehr freundlich empfangen wird?!“ – Da sagte Anna Wieland in ihrer ruhigen, kühl überlegenen Weise:

„Dreßler ist nicht der Mann, der es uns verargt, daß wir ihn in den letzten Tagen vernachlässigt, ihn auch nicht ins Vertrauen gezogen haben. Er, der gute Menschenkenner, hat uns ja schon gestern sehr deutlich gesagt, daß uns irgend etwas ängstigen müsse, daß wir anders seien als sonst. Wenn Du jetzt zu ihm hingehst, Karl, wird er Dich empfangen wie immer. Auch ich meine, daß er der einzige ist, der uns helfen kann.“

Die junge Frau drückte wie in stummer Abbitte zärtlich die Hand ihres Mannes. Ermattet lag sie zusammengesunken

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)