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sagte er endlich mit drohend gerunzelter Stirn. „Es muß sich ein Mittel finden lassen, ihn von dieser Reise zurückzuhalten oder es doch wenigstens so einzurichten, daß er zu spät in Berent eintrifft.“

„Wie willst Du das wohl erreichen,“ meinte der kleine Händler achselzuckend. „Dreßler ist ein sehr vorsichtiger Herr. Er fällt nicht so leicht auf einen plumpen Trick herein. Außerdem, – es ist jetzt zehn Uhr. Und um elf Uhr geht Dein Zug. Da bleibt Dir kaum noch Zeit, um einen bestimmten Entschluß zu fassen und auszuführen.“

Der andere lachte kurz auf: „Ich habe mich in meinem wildbewegten Leben schon häufig in Situationen befunden, wo ich mich im Augenblick für diesen oder jenen Plan entscheiden mußte. Auch hier werde ich noch einen Weg finden, meine Absichten trotz des Dazwischenkommens dieses vorwitzigen Doktors durchzusetzen, wenn ich auch zur Zeit noch nicht sagen kann, wie dies am besten zu erreichen ist. Jedenfalls wollen wir jetzt aufbrechen. Meinen Reisekoffer lasse ich hier. Er enthält nichts Wertvolles. Und den Betrag zur Bezahlung meiner Rechnung habe ich in ungefährer Höhe hier auf den Tisch gelegt nebst einem Zettel, daß ich plötzlich verreisen muß. Ich gedenke nach dem Hotel zum Anker nicht mehr zurückzukehren. In meiner Lage ist es ratsam, man wechselt das Quartier möglichst häufig.“

Unangefochten gelangten sie auf die Straße. Hier trennten sie sich sofort. Keiner von beiden ahnte, daß sie sich lebend nicht mehr wiedersehen sollten. –

Zu ungefähr derselben Zeit war bei Hans Dreßler ein offenbar mit verstellter Handschrift geschriebener Brief von einem jungen Menschen abgegeben worden. Die alte Kascha hatte auf das Klingeln geöffnet und das Schreiben in Empfang genommen. Als der Doktor jetzt den Inhalt gelesen hatte, fragte er seine Wirtschafterin hastig:

„Was hat der Überbringer Ihnen gesagt, als er Ihnen den Brief reichte?“

„Hatte der Mensch es sehr eilig, Herr Doktor, sehr.

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/67&oldid=- (Version vom 31.7.2018)