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Danzig, so sehr Du diese Tatsache auch vor mir verbergen möchtest. Noch mehr: Dieser Onkel Albert, den ich nie in meinem Leben gesehen habe, ist – davon bin ich heute felsenfest überzeugt! – kein anderer als jener Mann im grauen Pelerinenmantel, den Du im Auftrage Doktor Dreßlers verfolgen solltest. – Streite das nicht ab! Erweitere durch fernere Unaufrichtigkeit die Kluft zwischen uns nicht noch mehr. Denn wo warst Du zum Beispiel heute Abend, wo eiltest Du so schnell hin, als Du kaum von Kascha erfahren hattest, daß der Doktor verreisen wolle. Wer konnte allein an dieser Nachricht ein Interesse haben, wer? – Doch nur die Feinde des alten Herrn Durgassow, auf deren Seite Du Dich gestellt hast, verführt durch Deinen Bruder. Oh, schon am Sonnabend, als Du Dreßler hier bei uns in so vielfacher Beziehung die Unwahrheit sagtest und mich zum Schweigen zwangst, schwante mir Böses. Jetzt aber sind meine Ahnungen zur Gewißheit geworden.“

Jakob Wenzel wagte keine Widerrede. In sich zusammengesunken saß er da. – So hatte seine Tochter noch nie zu ihm gesprochen. Und jetzt kam ihm auch selbst mit einem Male das, was er getan, so ungeheuerlich, so verwerflich vor! Wie hatte er sich nur, durch den lockenden Glanz des Goldes verführt, soweit vergessen können, von dem geraden Wege abzuirren, – gerade er, der bis dahin auf sein völlig reines Gewissen, seine unantastbare Ehrenhaftigkeit so stolz gewesen war.

Aber Wera ließ ihm keine Zeit, diese Selbstvorwürfe weiter auszuspinnen.

„Vater,“ begann sie wieder und ihre Stimme vibrierte leise, „Du weißt, daß ich schon früher einmal die Absicht hatte, mir als Erzieherin mein Brot zu verdienen. Jetzt, wo das alte, gute Verhältnis zwischen uns eine so schwere Trübung erfahren hat, wo ich in meiner Kindesliebe so tief durch die plötzliche Wandlung in Deinem Benehmen mir gegenüber verletzt worden bin, halte ich es für das beste, wenn ich für einige Zeit Dein Haus verlasse. – Bitte,

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/69&oldid=- (Version vom 31.7.2018)