Seite:Das Geheimnis eines Lebens.pdf/77

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
9. Kapitel.

Wenige Minuten später stand Dreßler vor der Tür zu Nr. 6, nachdem er sich überzeugt hatte, daß das Zimmer Nr. 2, wo der Graue wohnte, im anderen Flügel des Hauses lag. Ohne Zögern klopfte er an, erst leise, dann immer stärker. Aber nichts rührte sich. Diese Stille kam ihm schließlich verdächtig vor. Sollte Durgassow vielleicht von der Ankunft seines Feindes zufällig etwas erfahren haben und abermals geflohen sein? – Unmöglich war das nicht.

Dreßler beugte sich jetzt zu dem Schlüsselloch herab und versuchte durch dieses einen Blick in das Zimmer zu werfen. Ein Schlüssel steckte nicht, das sah er auf den ersten Blick, und – fraglos brannte drinnen Licht, obwohl es draußen bereits taghell war.

Der Doktor legte jetzt kurz entschlossen die Hand auf den Türdrücker und versuchte zu öffnen. Die Tür war verschlossen. Nochmals rüttelte er an der Klinke mit aller Kraft und lauschte dann angestrengt. Alles blieb ruhig wie zuvor.

„Ich muß Gewißheit haben und zwar sofort,“ murmelte Dreßler, den urplötzlich eine bange Ahnung von etwas Schrecklichem, das sich hier abgespielt hatte, befiel. Er eilte die Treppe wieder hinab und ließ durch den Pikkolo den Hotelbesitzer herbeirufen. In fliegender Hast berichtete er diesem, daß er vergeblich an Drägers Tür geklopft habe und daher vermute, seinem Bekannten sei irgend ein Unglück zugestoßen.

„Haben Sie vielleicht einen zweiten Schlüssel zu Nr. 6?“ fragte er dann. „Im Schlüsselloch steckt nämlich keiner, und ich möchte auf jeden Fall ungesäumt nachsehen, was Herrn Dräger passiert ist.“

„Es sind zu allen Stuben doppelte Schlüssel vorhanden. Ich werde den richtigen sofort heraussuchen,“ sagte der Hotelier diensteifrig, der dem bestimmten Auftreten Dreßlers gegenüber keine langen Einwendungen

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/77&oldid=- (Version vom 31.7.2018)