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diese meine Annahme, daß die heimliche Flucht, wenn man sein Verschwinden so nennen darf, sehr wahrscheinlich auf eine zeitweilige Trübung seines Verstandes zurückgeführt werden muß, sprechen verschiedene Umstände. Durgassow lebte mit seinen Kindern in schönster Harmonie, war körperlich sonst ganz rüstig und besaß genug Vermögen zu einer behaglichen Daseinsgestaltung, – hatte mithin nicht den geringsten Grund zu diesem heimlichen Verlassen seiner Wohnung. Dafür, daß eine momentane Geistesstörung bei ihm viel eher als bei jedem anderen unterstellt werden kann, erwähne ich als Beweis, daß der Tote früher längere Jahre in den Tropen zugebracht hat, wodurch sich, sehr oft erst im spätesten Alter, allerlei Krankheitserscheinungen bemerkbar machen, zu denen nicht selten eine Schädigung der geistigen Kräfte gehört. Das wird jeder Arzt mir bestätigen müssen. – Selbstverständlich befanden sich Durgassows Kinder, die inzwischen auch nicht die geringste Nachricht von ihm erhalten hatten, seinetwegen in schwerer Sorge. Wenn sie trotzdem die Polizei nicht benachrichtigten, so lag das einfach daran, daß sie von Tag zu Tag auf seine Rückkehr hofften. Ich bin nun mit dem Schwiegersohne des Ermordeten eng befreundet und erbot mich, unter der Hand Nachforschungen nach dem Verbleib des alten Herrn anzustellen. Dabei erinnerte ich mich, daß Durgassow des öfteren die Absicht geäußert hatte, einmal die Kassubische Schweiz zu besuchen. Die Möglichkeit war also immerhin vorhanden, daß ich ihn hier in der Umgegend irgendwo entdeckte. Gestern abend verließ ich mit dem letzten Vorortzuge Danzig, um über Hohenstein nach hier zu reisen. Unterwegs hatte ich jedoch das Unglück, in meinem Abteil von einer plötzlichen Ohnmacht befallen zu werden. Jedenfalls mietete ich mir dann in Dirschau ein Automobil, mit dem ich gegen 1/27 morgens hier eintraf. Alles Weitere dürfte aus den Aussagen des Hotelbesitzers und des Pikkolos hervorgehen, so besonders, daß ich erst durch den Kellnerlehrling

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/82&oldid=- (Version vom 31.7.2018)